War es die Lachsschaumspeise?

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Moderator: King Heath

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King Heath
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War es die Lachsschaumspeise?

Beitrag von King Heath »

Der Grim Reaper hat dieses Jahr – und besonders am Ende – wieder kräftig zugeschlagen. Nicht jedes Mal war es die Lachsschaumspeise. Erinnern wir uns also folgender Herren:

Jon Lord – der Meister der lärmenden Hammond Orgel. Dass er auch anders konnte, hat er vielfach unter Beweis gestellt, u.a. mit seiner Platte “Sarabande“ von 1976, auf der sich auch eine “Bourée“ befindet. Freilich hat díe nichts mit der “Bourée“ unserer Buben zu tun, sondern lässt eher an Karavanen und Kamele denken, dafür gibt es aber eine andere Verbindung zu diesem Forum: den Taktstock vor dem Orchester schwingt niemand anderes als Eberhard Schoener. Ja, genau jener Mann, der so schön asynchron das Orchester von “Fly By Nightypoos“ im Cirkus Krone dirigierte.

Kleiner Seitenschwenk (sogar Saitenschwenk): vor knapp drei Wochen hatte ich das Vergnügen, Deep Purple in Concert zu sehen. War wirklich toll und Gillan exzellent bei Stimme (wenn ich da an das Perfect Stranger Gekrächze im Pariser Konzert denke, du lieber Himmel, hat der sich erholt!). Auch Paice und Glover rocken noch ganz hervorragend und zu Steve Morse erübrigt sich jeder Kommentar, er ist einfach ein Meister. Auch unser alter Bekannter Don Airey griff beherzt in die Tasten. Es ist gut zu wissen, dass in dieser sich ständig verändernden Welt einige Dinge bleiben, wie sie sind. Dazu gehört auch Don Aireys Keyboardsolo, das er seit mindestens 1987 so und nicht anders spielt.

Hans Werner Henze – wenn es um die Orchestermusik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geht, dann steht dieser Mann zweifelsohne ganz oben. Modern ja, aber nicht abstrus atonal. Ich mochte seine Sachen einfach immer gerne hören. Da finden sich tolle Spannungsbögen und manchmal rumpelt es ganz schön, aber es geht auch zart und leise zu. Zu seinem 75. Geburtstag fand in der Hamburger Musikhalle ein Konzert zu seinen Ehren statt, zu dem ich eine Eintrittskarte geschenkt bekam. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nicht mehr im Kopf habe, was gegeben wurde und das Programm kann ich auch nicht finden. Aber ich erinnere mich an eine lustige Begebenheit in der Konzertpause: alles strömte auf den nach Johannes Brahms benannten Platz vor der Musikhalle, wo so ziemlich jeder sofort aufstöhnte, auch ich. Dort nämlich saß ein Kapellchen bestehend aus drei Zigeunern, Pardon Sintiundroma, und fiedelten gar schrecklich. Wenn man gerade noch die symphonische Wucht eines Henze im Ohr hat, ist der Kontrast zum fiedelnden Sintiundroma nur schwer zu ertragen. Der Jubilar selbst aber ging frohen Schrittes auf die Mannen vom Balkan zu und fing an, sie zu dirigieren. Der Mann hatte wirklich einen ganz zauberhaften Humor. Dabei kommt er aus Gütersloh, wo man bekanntlich zum Lachen in den Keller geht.

Ravi Shankar – offensichtlich der Meister der indischen Klassik. Kann ich nicht recht beurteilen, weil ich von der indischen Klassik nüscht verstehe. Ich erinnere mich allerdings an eine Fernsehserie von Ravi Shankar über klassische indische Musik, die mal bei arte lief und sehr interessant war. Gemerkt habe ich mir zwar nix, aber unterhalten wurde ich prima. Und selbstverständlich denke ich gerne an sein Konzert für George zurück, dass von seiner hübschesten Tochter Anoushka dirigiert wurde – womit wir auch gleich wieder eine Verbindung zu diesem Forum hergestellt hätten. Sitar ist zwar nicht wirklich meine Sache, aber sicher wäre diese Welt deutlich ärmer geblieben, hätte es einen Ravi Shankar nicht gegeben. Allerdings wäre uns vermutlich auch “Within You Without You“ auf Sgt. Pepper erspart geblieben. Na ja, man kann nicht alles haben.

Ed Cassidy – der glatzköpfige Schlagzeuger von “Spirit“ hat die Klöppel auch für immer aus der Hand gegeben, mit immerhin 89 Jahren. Da ist für Schlagzeuger dann auch das beste runter. Nun kann er wieder mit Randy California und Jimi jamen. Und wenn er brav ist, darf Dave Brubeck in die Tasten greifen.

Hat zwar jetzt direkt nichts mit Musik zu tun aber auch Larry Hagman werde ich vermissen. Der Mann war einfach nur großartig. “Bezaubernde Jeannie“ war neben “Immer wenn er Pillen nahm“, “Daktari“ und “Tarzan“ eine meiner Lieblingsfernsehsendungen in den späten 60ern – wir bekamen überhaupt erst 1968 einen Fersehapparat. Dass Larry Hagman für einen amerikanischen Schauspieler sehr “outspoken“ war, bewies er mal in einer Sendung von Alfred Biolek. Auf den damaligen US-Präsidenten George W. Bush angesprochen, nannte er ihn fortgesetzt den „Legastheniker im Weißen Haus“. Er war von “seinem“ Präsidenten so angewidert, dass es ihm schwer fiel, über ihn zu sprechen.

Und last, but not least

Sir Patrick Moore – der Mann mit dem Fernrohr, Großbritanniens größter Hobbieastronom und Excentricus Maximus. Seine Sendung “The Sky at Night“ lief von 1957 bis letzte Woche. Tatsächlich habe ich die letzte Folge noch ein oder zwei Tage vor seinem Tod am 9. Dezember gesehen. Geredet hat er nicht mehr viel, denn offenbar hatte ihn schon der Schlag ein oder zweimal getroffen, aber dabei war er immer noch und auch in seinem Garten tummelten sich noch allerhand sternensüchtige Spinner. Den Einfluss, den Moore auf den sternenglotzenden Teil der Bevölkerung des vereinigten Königreiches ausübte, ist nicht zu unterschätzen, und ich bin mir einigermaßen sicher, dass auch Herr A. aus D. zu den Jüngern des monokelnden Patrick gehörte. Irgendwann letztes Jahr gab es die Jubiläumssendung (ich glaube, es war die 700ste) und die wichtigsten Astronomen des ehemaligen Empire gaben sich das Okular in die Hand. Brian May – ja, der von Queen – war einer der Gratulanten, der von Sir Patrick zum Studium der Astronomie inspiriert worden war und nach Auflösung der Band seinen Doktor in Astronomie fabrizierte. Ich habe diese Sendung geliebt und hoffe, dass sie uns auch ohne Sir Patrick Moore erhalten bleibt.



Sollten hier noch jemandem verschiedene Verschiedene einfallen, immer her damit.

KH
Laufi
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Re: War es die Lachsschaumspeise?

Beitrag von Laufi »

Sehr schön geschrieben!

Einen hast Du ja noch erwähnt: Dave Brubeck. Der Mann meinte, man könnte auf 5/4 tanzen. Er hatte recht.

cheers,

Laufi
"Du hast wohl nen nassen Helm auf!"

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King Heath
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Re: War es die Lachsschaumspeise?

Beitrag von King Heath »

under wraps hat geschrieben:http://de.wikipedia.org/wiki/Nekrolog_2012
Es wurde scheinbar wieder viel gestorben. So eine Liste abzuarbeiten, ist mir aber dann doch zu morbid.
Laufi hat geschrieben:Sehr schön geschrieben!
Vielen Dank. Ein bisschen Lob kann ich gerade gut gebrauchen.
Laufi hat geschrieben: Einen hast Du ja noch erwähnt: Dave Brubeck. Der Mann meinte, man könnte auf 5/4 tanzen. Er hatte recht.
"Take Five" ist natürlich eine Hammernummer. Aber alles in allem war mir Dave Brubeck immer ein bisschen zu zahm. Ich hätte ihn gerne mal in einem verrauchten Jazzclub gehört, wo man sich mit klebrigen Vermouth Cocktails die Birne wegbrennt. Aber in Dütschland hat er ja nur in Konzerthallen gespielt und das Dave Brubeck Quartett in der Berliner Philharmonie zu hören, ist bzw. war mir einfach zu steril. In diesem Zusammenhang fällt mir ein, dass ich 1989 Mel Tormé beim Berliner Jazzfest in der Philharmonie gesehen habe - nicht live, nur in der Glotze. Aber der Mann hat es verstanden, aus der etwas sterilen Konzerthalle trotz Rauchverbot einen kleinen Jazzclub zu machen. Der Mann ist schon 1999 gestorben - und, soweit ich weiß, nicht an Lachsschaumspeise - aber er fällt mir in diesem Zusammenhang gerade ein. Meine Lieblings CD ist sein Konzert at Marty's in New York von 1982. Keine Ahnung, ob es die CD noch gibt. Kann ich aber nur wärmstens empfehlen, wenn man auf Jazz- und Scatgesang steht. Der Mann war ein Gigant. Ich habe irgendwann in den 90ern auch eine 4 CD Box bei 2001 erstanden. Die gibt es nicht mehr, glaube ich, denn ich habe, jedenfalls bei 2001, die letzte Box bekommen. Die wurde extra aus Frankfurt nach Hamburg geschickt. Definitif 12 out of 10.

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under wraps
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Re: War es die Lachsschaumspeise?

Beitrag von under wraps »

... ist halt leider so, das Altern ist kein Ponyhof, es ist " ein Massaker". Aber so ist es halt, für den Einzelnen die letzte Stufe, im Allgemeinen nichts als ein durchlaufender Posten, als Empfehlung, man versöhnt sich mit dem Ereignis und gibt ihm keine priorität. Können uns eh nicht dagegen wehren, also: offenes Visier und durch! Wird schon noch was kommen und mit dem Erlebnis geht man dann neuen Aufgaben entgegen ohne zu zaudern.
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Re: War es die Lachsschaumspeise?

Beitrag von under wraps »

Laufi hat geschrieben:Sehr schön geschrieben!
Vielen Dank. Ein bisschen Lob kann ich gerade gut gebrauchen.

WAS!?! Der König schwächelt?!? Also bitte ja! :-) Los noch nen Aufsatz und alles ist wieder gut. :-)
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Re: War es die Lachsschaumspeise?

Beitrag von under wraps »

... noch was, aus dem Zirkus Krone stammt die beste Version von Fat Man, outstanding, Anderson am Schreibtisch, Dave und so weiter und soweiter, best ever....
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Re: War es die Lachsschaumspeise?

Beitrag von under wraps »

... was auch helfen kann: Camel "Mirage"...am Schluß von "Supertwister" parallel ein Bier eingießen und die Platte durchhören oder gerade München gegen Gladbach schauen....
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Nightcap
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Re: War es die Lachsschaumspeise?

Beitrag von Nightcap »

King Heath hat geschrieben:Sollten hier noch jemandem verschiedene Verschiedene einfallen, immer her damit.

KH
Unvergessen sind sicher auch (da wir off topic sind, nur einer mit musikalischem Kontext):

Dietrich Fischer-Dieskau, DER deutsche Bariton schlechthin. Er hat nicht nur Schubert, Brahms und Konsorten, sondern auch den von Dir genannten Henze interpretiert. Mehr als 400 Tonträger (!) und so bekannte Schüler wie Thomas Quasthoff lässt er der Nachwelt zurück.

Susanne Lothar, eine der beeindruckendsten Schauspielerinnen überhaupt. Im Theater unter Peter Zadek und Luc Bondy, TV von Tatort bis Dittsche, fürs Kino hat sie u.a. Michael Haneke ("Das weiße Band") immer wieder geholt. Sie wurde nur 51 Jahre alt.

Oscar Niemeyer (104), Brasilianer und einer der bekanntesten Architekten der Moderne. Hat in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts u.a. die wichtigsten Geäude der Hauptstadt Brasilia entworfen, die seit 1987 zum Weltkulturerbe gehört. Schüler von Le Corbusier und Kommunist sein Leben lang. War deswegen viele Jahre in Frankreich im Exil.

Peter Struck, einer der wenigen Politiker, die sich eine eigene Meinung und Prinzipien jenseits der üblichen Parteitaktik geleistet haben. Hat als Verteidigungsminister auch mal eine nicht unumstrittene Entscheidung durchgezogen (Thema "Mölders").
Auf Wikipedia lese ich allerdings, dass er Mitglied im Beirat von Borussia Dortmund war. Hmm, nun gut.

P.S.: Wann genau geht jetzt eigentlich die Welt unter? Ist schon fast 22:00h!
Life's a long song
But the tune ends too soon for us all
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strange avenue
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Re: War es die Lachsschaumspeise?

Beitrag von strange avenue »

Nightcap hat geschrieben:P.S.: Wann genau geht jetzt eigentlich die Welt unter? Ist schon fast 22:00h!
Wieso? -- Hab' ich was verpasst? -- Kommt heute Thick as a Brück 3 raus?
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