Ulla hat geschrieben:
- Das Festival als "konventionell" zu bezeichnen, nur weil eine von wie vielen? Bands als solche charakterisiert werden kann, halte ich für reichlich überzogen.
Schön, dass Du es so unaufgeregt siehst. Ich will mich dann auch hier noch einmal bezüglich der Konventionellisierung (das Wort habe ich gerade erfunden und werde es daher nach mir benennen – dann weiß allerdings keiner mehr, was es bedeutet) erklären. Nicht nur mir ist eine Veränderung der Atmosphäre in den letzten Jahren aufgefallen. Viele, auch in anderen Foren, sehen dies so und zumeist mit Besorgnis. Auch hier wird argumentiert, dass mit den bekannteren Namen als Headliner auch ein etwas anderes Publikum gekommen ist und kommen wird, dass nicht ganz so entspannt ist, wie das bisherige Cropredy-Publikum.
Du magst diese Argumentation für überzogen halten, diejenigen, die von den besoffenen Supergrass Fans belästigt wurden, waren sich nicht sicher, ob es noch “ihr“ Cropredy ist oder ob sie versehentlich nach Reading gefahren waren. Ich will hier nichts dramatisieren, aber Tatsache ist, dass es reichlich Alteingesessene gibt, die auf dem Talkawhile Forum für dieses Jahr abgesagt haben – und zwar aus vorgenannten Gründen und nicht, weil sie die Buzzcocks nicht mögen. Von denen habe ich übrigens vor zwei Wochen gerade eine CD gekauft und einer Freundin zum Geburtstag geschenkt, aber das nur am Rande.
Wir sind seit 1993 immer auf dem gleichen Feld, nämlich einem für Familien. Wir sitzen, saufen und lachen meist bis spät in die Nacht. Da kommt es schon mal vor, dass jemand vorbeikommt und uns bittet, die Lautstärke etwas nach unten zu regulieren. Wir bemühen uns dann stets. Letztes Jahr kam dann nicht einer unserer Nachbarn, sondern ein Ordner. Statt das Gespräch zu suchen, wurde gewissermaßen gleich die Polizei geholt. So ein Verhalten kenne ich von konventionellen Festivals. Der Ordner war im übrigen ein Arschloch. Wir wurden nicht etwa höflich gebeten, den Ball etwas flacher zu halten sondern hatten unverzüglich die Fresse zu halten oder würden des Platzes verwiesen. In Cropredy gab es das bislang nicht.
Stuart (dem der Farbmangel im Publikum übrigens aufgefallen ist - und es lag nicht am Regen) und seine Bande wurden sogar von Ordnern auf ihrem Feld (kein Familienfeld) derart belästigt und bedroht, dass sie die richtige Polizei riefen, die dann schlichtete und die Ordner ermahnte. Klingt das für Dich nach Cropredy oder einem “konventionellen“ Festival? Sicherlich wird ein wissenschaftlicher Beweis, dass es zwischen den bekannten Namen als Headlinern, dem aggressiveren, weil eigentlich nicht auf Cropredy eingestellten Publikum und der Schädlichkeit des Rauchens einen Zusammenhang gibt, aber das ist letztendlich auch wurscht. Wenn nämlich das Cropredy Publikum langsam durch ein “normales“ Publikum ersetzt wird, dann gibt es auch bald eine Bar hinter der Bühne.
Ulla hat geschrieben:
Wenn du dir anschaust, wie viele neue/kommerziell noch nicht erfolgreiche/lokale/unbekannte Bands auftreten und dazu die musikalische Bandbreite nimmst, dann kann ich deine Einschätzung erst recht nicht nachvollziehen.
Logischerweise nicht, denn davon war auch nicht die Rede.
Ulla hat geschrieben:
- Du beschwerst dich, dass das Publikum nicht mehr so bunt ist wie in früheren Jahren.
Ich habe mich nicht beschwert sondern die Beobachtung eines Freundes wiedergegeben. Ich habe ihm allerdings zugestimmt, als er mir seine Beobachtung mitteilte.
Ulla hat geschrieben:Jetzt werd ich mal persönlich: Als besonders bunt bist du mir im letzten Jahr aber auch nicht in Erinnerung.
Als Argument praktisch unschlagbar.
Ulla hat geschrieben:
Wie wärs denn, wenn du dieses Jahr mal selbst im total schrägen Outfit kommen würdest?
Auch wenn die größten Kritiker der Elche selbst mal welche gewesen sind, taugt auch das kaum als Argument. Oder muss man neuerdings Bundeskanzlerin sein, um diese zu kritisieren oder einfach nur festzustellen, dass sie Bundeskanzlerin ist?
Ulla hat geschrieben:
Zum Mantra des Publikumslobes: ist mir noch nie aufgefallen, ich lob uns immer selbst
Mit ist es letztes Mal aufgefallen, allerdings wiederum nicht nur mir. Wenn man es erst einmal bemerkt hat, fällt es natürlich umso deutlicher auf.
Liebe Ulla, ich werde wohl auch dieses Jahr wieder nach Cropredy fahren. Und gerade weil mir viel an diesem Festival liegt, werde ich auch weiterhin Dinge kritisieren von denen ich glaube, dass sie kritikwürdig sind. Ich verstehe durchaus das Bedürfnis der Organisatoren, möglichst viele Tickets zu verkaufen, das macht mich allerdings nicht taub, stumm oder blind. Sicherlich wird es dieses Jahr schwer werden, denn die Wirtschaftskrise und das rapide Anwachsen der Arbeitslosigkeit in Großbritannien nach 11 Jahren der Vollbeschäftigung und des Booms haben schon jetzt tiefe Narben hinterlassen und Cropredy bzw. Musikfestivals insgesamt sind natürlich ein Luxusprodukt. Wir werden sehen. Eine mir bekannte Journalistin sagte schon den Tod einiger bekannter Festivals voraus. Tatsächlich wurden bereits einige abgesagt. Es gibt allerdings mittlerweile auch zu viele. Zum Tull und Stranglers Konzert in Tunbridge Wells im Mai 2005 kamen von den erwarteten 20 000 vielleicht 1500, wenn überhaupt.
KH