Still - Richard Thompson (der war mal bei Fairport)

Diskussion über die Band mit den meisten JT Ex-Members. / Discussion about the band with the most JT ex-members.

Moderator: King Heath

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King Heath
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Still - Richard Thompson (der war mal bei Fairport)

Beitrag von King Heath »

Der Titel der neuen Richard Thompson CD ist ebenso ambivalent, wie die CD selbst. Ist "still" im Sinne von "immer noch" oder "dennoch" gemeint?

Mein Eindruck ist der des "immer noch", denn obwohl Text und Musik stärker sind als vieles, mit dem wir heute als "neu", "aufregend" und "frisch" hinters Marketing-Licht geführt werden, kommt mir doch zu viel bekannt vor. Gleich das erste Stück "She Could Never Resist A Winding Road" erinnert durch den Harmoniegesang von Sibhoan Kennedy an alte Richard und Linda Zeiten, was ich grundsätzlich begrüße. Still, mir wäre ein bisschen frischer Wind, gerade was Instrumentation und Produktion angeht, sehr angenehm gewesen. Und hier liegt genau das Problem: selbstverständlich verlangt niemand von Richard Thompson nach fünfzig Jahren im Geschäft, dass er das Rad neu erfindet und sicherlich sind die Variationen des RT Folk Rock irgendwann erschöpft; liegt in der Natur der Sache. Nach der großspurigen Ankündigung, dass die CD von Jeff Tweedy (der mir nichts sagt und den ich auch nicht auf die Schnelle im Netz recherchiert habe noch werde) produziert werden würde, ließ in mir die Hoffnung keimen, dass sich der RT Sound der letzten Jahre noch einmal neuen Klangbildern zuwenden würde, wie damals mit Mitchell Froom (nein, der fährt nicht bei der Tour de France mit). Leider ist das nicht der Fall. Das Stück "Broken Doll" ist harmonisch eng verwandt mit "The Ghost Of You Walks" (eines meiner Favouriten, zu finden auf you! me! us! von 1996) und kann sich nicht recht von diesem "Vorgänger" lösen, auch wenn es stellenweise in eine andere Richtung geht.

In "All Buttoned Up" hört man neben dem Geklimper von Mandolinen auch entfernt einen Dulcimer. Glaube ich jedenfalls. Ist so verdammt leise. Warum? Ist doch ein schickes Instrument und gibt gerade im Folk Rock ordentlich Pep.

Es wird kräftig so weiter gerockt, wie in den Garagen- bzw. Wohnzimmeraufnahmen der letzten Jahre, nur mit neuem Produzenten. Und das färbt auch auf meine Meinungsäußerung ab. Ich drehe mich im Kreis: instrumentier doch mal anders, bitte, bitte!!!

Lustig ist "Guitar Hero", aber auch nicht mehr. Dass er es kann bzw. nicht wirklich kann, wie er selbst in dem Song sagt, ist amüsant und tatsächlich wahr. Jeder halbwegs Gitarrengebildete kann "Apache" (im Song ist es "FBI") nachspielen, aber Hank Marvin wird das Geheimnis seiner Spielweise und seines Sounds vermutlich mit ins Grab nehmen, schlicht weil dieses musikalische/instrumentale Restgefühl nicht vermittelbar ist, vermutlich weil er als erster zu diesem höchsten Blatt im Baum geklettert ist (seine Nachfolger mussten nur den bekannten Weg wieder runterkrabbeln). Da ist er wieder, der Zauber der Individualisten in der Musik. "Guitar Hero" ist zwar sehr amüsant, aber auch sehr unzusammenhängend. Die Übergänge zu Django R., Les Paul, Chuck Berry, James Burton/John Fogerty und Hank Marvin funktionieren nicht so recht. Eine schnell runter gekritzelte Idee, die ihrer Ausführung harrt. Still, ich wiederhole mich, eine lustige Nummer.

Selbstverständlich habe ich mir die "Deluxe" Fassung von "Still" zugelegt, die auch die EP "Variations" beinhaltet. Die hat RT selbst produziert und die klingt lustigerweise viel frischer. Sollte es hier wieder zu einem Zerwürfnis zwischen Produzenten und Künstler gekommen sein, wie weiland bei "Shoot Out The Lights", als RT die komplette von Gerry Rafferty produzierte Scheibe in die Tonne getreten und alles noch einmal neu aufgenommen und produziert hatte? Nur dass dieses mal der Kostendruck zu hoch war und die CD wie bestellt auf den Markt kam und RT noch einen drauf legen wollte, um zu zeigen, dass er es eigentlich besser kann? Die Geschichte wird es zeigen.

Jedenfalls haben die "Variations" die Intensität, die ich neben einem wirklich anderen Sound auf "Still" vermisse. "The May Queen" ist ein Hammer und hat das Zeug zu einem echten RT Klassiker. Wenn ich mir's recht überlege, sollte die CD "Variations" heißen und "Still" als Bonus CD für Verrückte beigelegt werden.

Wer RT verfallen ist, wird sich diese CD (in der Deluxe Ausgabe) sowieso kaufen, wer ihn nicht kennt, tut keinen schlechten Kauf (sofern sie/er die Deluxe Ausgabe erwirbt), wer sich nicht interessiert, hat längst aufgehört zu Lesen.

KH

P.S.: Man mag nun über die Shadows denken, was man möchte, aber ohne Hank Marvin hätten weder Martin Barre noch Richard Thompson ihren Sound gefunden. Das stelle ich gerne zur Diskussion.
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