Hallo zusammen,
zunächst mal vielen Dank an die bisher beitragenden "Disktutanten" zu diesem "Appreciation Thread"! Ich finde das zwischendurch mal sehr erfrischend, wenn sich die
Insassen dieses Forums mal wieder auf ihre Gemeinsamkeiten besinnen anstatt immer nur kontrovers zu aktuellen Entwicklungen zu diskutieren und die Gegensätzlichkeiten
in der jeweiligen Wahrnehmung herausarbeiten...

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Und - wie soll es auch anders sein - kommt auch hier wieder die Unterschiedlichkeit der subjektiven Wahrnehmung zum Vorschein. Ich muss vorrauschicken, dass ich (vllt. Gott-sei-Dank)
offensichtlich nicht sonderlich audiophil bin und ich eigentlich soundmäßig nie wirklich etwas zu meckern hatte an den Alben die post 1969 erschienen sind. (Ok - die Ausnahme ist sicherlich
Aqualung - aber das ist ja bekannt und spätestestens durch den Wilson Remix ausgemerzt).
Ich schrieb ja zuvor, das ich einige Jahre gebraucht habe um TOTRNR in seiner vollen Schönheit schätzen zu lernen. Die Schönheit des Albums liegt für mich - neben dem nachvollziehbaren
Konzept - vor allem in der Tatsache, dass TOTRNR ein im Vergleich eingängiges Album ist, wenn man es denn mal mit den Vorgängern vergleicht. Die Songstrukturen viel einfacher als die auf Minstrel, die Arrangements zwar ausgefeilt, aber keineswegs überladen wie z. B. auf WarChild und die Prog-Rock Extravaganzen von TAAB und APP sind für meine Begriffe MEILENWEIT von
diesem kleinen, feinen, im blues- und (ja.....ich glaube das ist zutreffend) Pop verwurzeltem, Rockalbum entfernt. Ich glaube die Musik (und auch der lyrische Inhalt) von TOTRNR und die Tatsache, dass dieses Album seinen Ursprung in der Konzeption eines Bühnenmusicals hatte, rechtfertigen die Pop-Einordnung. Die Songstrukturen der wichtigsten Songs unterstreichen dies meiner Meinung nach ebenfalls. Wenn TOTRNR rockt, rockt es für mein Empfinden beschwingt und gutgelaunt (Quizz Kid, Big Dipper), während MITG vor allem "heavy" war. Wenn es besinnlich und balladesk ist, ist es kalkuliert emotional - fast ein wenig klischeehaft ohne aber jemals die Grenze zur Kitschigkeit zu überschreiten. Ein weiteres "Alleinstellungsmerkmal" im zeitgenössischem Katalog (und das betrifft sowohl die Alben die davor, als auch danach kamen) ist die Tatsache, das es keinerlei ausgedehnte Soli gibt! Weder Gitarrensoli, noch Flötensoli! Es ist ein durch und durch songorientiertes Ensemblealbum. Geschaffen um zu unterhalten. Das ist auch einer der Gründe, warum ich auch glaube, das TOTRNR ein sehr selbstbewusstes Album ist. Denn hier war eine Band am Werk, die sich in diesem Augenblick nichts mehr zu beweisen hatte! Stattdessen hat man ein eher Tull-untypisches Album vorgelegt aus dem Abfallprodukt eines ambitionierten aber abgebrochenem Projekt (das Musical). Und das Ergebnis ist ein völlig unverkrampftes, leichtfüssiges und warmes Album. Ich kann leider den Zeitgeist zu dieser Zeit nicht einschätzen - aber aufgrund meiner Erfahrung mit IA war das sicherlich auch ein gewisses Kalkül - denn Zufälle gibt es m. E. bei ihm nicht, wenn es um sein Geschäft geht.
Langer Rede, kurzer Sinn: Ein Album was ich seit einigen Tagen ganz verstärkt höre! Ein klassisches Tull-Album, was eigentlich nicht so richtig in die Schubladen passt, in die die goldene Mid-Seventies-Era Jethro Tull's so gerne eingeordnet wird. Denn TOTRNR ist weder 'Prog' noch "Folkrock". Es ist in der Tat ein 70er Rock'n'Roll Album. Die Flöte dient eher 'dekorativen' Zwecken und ist zu keiner Zeit "Lead". Ich kann meinen Finger nicht exakt drauflegen und sagen warum - aber aktuell ist es das Album, welches im aus dem Backkatalog am liebsten höre. Vllt. weil wir jetzt wieder so Folkproggig und verhältnismäßig ernst und heavy unterwegs sind! Ist TOTRNRTYTD ein Meisterwerk? Keine Ahnung und es ist auch völlig egal. I just love it!

I wish I was a Catfish, swimmin' in the deep blue sea....