Stormwatch Tour Teil A: 20.03.1980 Münster

Allgemeine Diskussion über Jethro Tull, Neuveröffentlichungen, etc. / General discussion about Jethro Tull, releases, etc.

Moderator: King Heath

Antworten
Marengo
Beiträge: 470
Registriert: Mi Aug 03, 2011 6:19 pm

Stormwatch Tour Teil A: 20.03.1980 Münster

Beitrag von Marengo »

Ich möchte einmal ein paar Gedanken und Informationen zur Stormwatch Tour im März 1980 loswerden anhand von zwei Aufnahmen. Weil es nicht nur um schnödes Tull Audio geht, mache ich mal hier einen Faden auf.

Ich habe mich ja mal launig-verklausuliert zu meiner Urheberschaft im Hinblick auf das Essen-Tape vom 30.03.1980 bekannt (Das wird dann Teil B). Diese legendäre Publikumsaufnahme hat einen kaum bekannten Halbbruder. Das Konzert in Münster war mein zweites Tull-Konzert überhaupt und das erste, das ich aufgenommen habe. Alles vergeben, vergessen und verjährt. Reihe 20 Parkett. Ich war 17 und hatte mir von einem LP-Händler und Musiker einen tragbaren Sony-Recorder mit Dolby B geliehen, der auch für Rundfunkzwecke im Einsatz war. Die genaue Typenbezeichnung weiß ich nicht mehr. Ach ja, er hatte sogar einen Limiter. Preis DM 500,-. Am 20.03. war es bitterkalt, den ganzen Tag über herrschte Permafrost. Das war nicht nur vor der Halle Münsterland bitter beim Warten, sondern schadete auch den Batterien, so dass ich nur 90 Minuten der Show aufnehmen konnte, Aber die haben es in sich. Damals habe ich das aber gar nicht erkannt. Ich fand das Münsteraner Konzert so faszinierend, dass ich mir flugs noch eine Karte für Essen gekauft habe. Dort saß ich links etwa vor DP ca. Reihe zwei. Ich habe in der Folgezeit die Essener Aufnahme bei allen Schwächen, insbesondere der permanenten Übersteuerung, lieber gehört, weil sie so schön direkt klingt und auch vollständiger war. Tull im Wohnzimmer sozusagen. Ich glaube, Tencars hat dann die "Closed Pages" unter's Volk gebracht.

Aber zurück zu Münster. Obwohl ich das Konzert -Essen übrigens nicht minder- umwerfend fand, lag die Cassette herum. Irgendwann in den 90ern habe ich sie mit allen anderen Bändern digitalisiert mittels eines Pioneer CD-Recorders. Da Aufnahmen mit Dolby beim Abspielen auf "fremden" Recordern, also solchen, auf denen die Aufnahme nicht gemacht worden war, immer etwas dumpf klangen und ohne Dolby bei der Wiedergabe naturgemäß rauschten, habe ich diese Cassette (TDK SA 90) mit Dolby und normal Bias abgespielt. Dadurch würden die Mitten und Höhen undifferenziert geboostet. Das Hörerlebnis war nicht so, dass ich diese zur CD aufgewertete Aufnahme jetzt großartig mehr gehört hätte. Mir gefiel aber der Anfang, der schön krachte...

Ich habe dann vor einigen Jahren mich etwas intensiver mit der Digitalisierung von analogen Audioaufnahmen beschäftigt und war recht schnell davon überzeugt, dass 16 Bit quite shitty ist. Also: Sollte ich Cassetten, hunderte davon, die seit ca. 20 Jahren in Schubläden einer Kommode lagen, noch einmal anfassen und abspielen? Womit? Das Thema hatte mich gepackt, so dass ich mir Anfang 2016 zwei Tapedecks besorgte (Marantz und Denon) und ganz aufgeregt war, in welchem Zustand die Tapes wohl sein mochten. Um's kurz zu machen, ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie doch recht gut die Jahrzehnte (bei zum Teil schlampiger Lagerung) überdauert haben. Klar, etwas Höhenverlust und Echo-Effekte durch die Magnetisierung, aber insgesamt recht passabel. In einer Mußestunde habe ich mir Münster 1980 nach dem Überspielen am Rechner in all seiner 24Bit Klarheit angehört und war von den Socken. Das Tape vermittelt exakt den Eindruck eines Tull-Konzerts aus der großen alten Zeit. Der Frequenzgang ist gut, viel spielt sich weit jenseits der 10 K ab, und auch die Tiefen sind da. Ich habe kaum Bearbeitungen vorgenommen, nur die Gesamtbalance mittels Tilt_EQ etwas in Richtung der Höhen "gekippt", um den Höhenverlust durch das lange Lagern zu kompensieren. Und dank der Unaufgeregtheit einer gescheiten Überspielung hat das Ganze sehr viel Charme und ist absolut authentisch. Man hört eine große Halle mit begeisterten ca. 6000 Zuschauern, und man hört eine Band mit dem wohl -neben Strange Avenues-dramatischsten Anfang aller Zeiten.

Dark Ages, faszinierend, wie toll Chris Amson damals einen Kaltstart hinbekam. Bei anderen Bands waren oft die ersten ein oder zwei Stücke von der Balance her Schrott, die Stimme kam nicht durch, die Gitarre war zu leise etc., aber das hier ist großes Kino und tolle handwerkliche Leistung. Alle Instrumente sind in der richtigen Balance und Ian's Stimme dringt durch Mark und Bein. Dieses "Darlings are you ready..." werde ich nie vergessen. Spot on, das ist Bühnenpräsenz.

Home zum runterkommen, nicht so süßlich wie in der Studiofassung. Fast hart und das Gegenteil dessen, was ausgedrückt werden soll.

Orion, das Intro der Hammer, und das Band gibt das druckvoll und nuanciert wieder, ich höre trotz der Entfernung zur Schallquelle alle Nuancen recht klar. Orion hat m.E. wahnsinnig toll auf der Bühne funktioniert. Borderline Metal.

Dun Ringill und Elegy. By the way, tolles Stereo. DP kam mehr von links. Dann Old Ghosts als folkrockendes Intermezzo und wieder Borderline-Metal in Gestalt von Something's on the Move. War auch Anno 82 im Sommer ein saugeiler Anfang... Hands up everyone who knows this...Aqualung. Usw, usw. Münster ist weniger spektakulär als Essen und ganz klar weiter weg, aber what the fuck: Tull waren ohrenbetäubend laut und haben auch die hintere Hälfte der Halle erreicht. Wenn man sich in die Charakteristik dieser technisch sehr guten Aufnahme (Dolby!) erst einmal hineingehört hat, sitzt man in der proppevollen Halle Münsterland, Parkett Reihe 20.

Warum schreibe ich dies? Ich würde ganz gerne mit Leuten, die selbst gute Mastertapes (70er und 80er Jahre) haben, in Kontakt kommen und mich austauschen und auch tauschen. Vielleicht ist ja jemand hier, der auch meint, dass man Tull's glorreche Zeit hegen und pflegen sollte.

Jedenfalls hat es sich für mich gelohnt, jedes Fitzelchen Information, das nach fast 40 Jahren noch vorhanden ist, aus dieser Cassette zu kitzeln. Münster 80 gefällt mir viel besser, als ich es damals empfunden habe. Klar, Essen ist spektakulär direkt, aber Münster spiegelt auch die Begeisterung des Publikums wieder.

Bald kommt Teil B (über Essen), denn da gibt es auch viel zu berichten. Wer meint, die Closed Pages CDs seien gut, irrt gewaltig. Aber das ist eine ganz lange Geschichte...
Laufi
Site Admin
Beiträge: 3120
Registriert: Di Aug 03, 2004 10:19 am
Wohnort: Cologne
Kontaktdaten:

Re: Stormwatch Tour Teil A: 20.03.1980 Münster

Beitrag von Laufi »

Moin:

sehr schöne Geschichte!

Ich habe einen -grad komplett technisch gewarteten- Nakamichi Dragon samt semiprofesionellem Audiointerface und kann mich ggf. zum Transfer anbieten, falls nötig ;-)

cheers,

Laufi
"Du hast wohl nen nassen Helm auf!"

http://www.laufi.de
Thomas
Beiträge: 175
Registriert: Di Sep 26, 2006 8:51 pm
Wohnort: Leonberg

Re: Stormwatch Tour Teil A: 20.03.1980 Münster

Beitrag von Thomas »

Einen Nakamichi Dragon???

Das war die Crème de la Crème de la Crème fraîche damals. Ein Traum. Radio Barth in Stuttgart hatte so ein Teil,
in den einschlägigen Magazinen war er auch sehr präsent und galt damals als der beste CR weltweit und hat um Die 4000 DM gekostet, was ein Wahnsinnsgeld war.

Bei mir hat es nur zu einem Nakamichi CR4E gereicht, war auch top und kostete nur die Hälfte.

Leider habe ich alle meine guten Sachen Sachen (Thorens TD 320, Onkyo Tuner, und den Nakamichi) Ende der 90er

SAMT MEINER KOMPLETTEN MEHERE 100 STÜCK UMFASSENDEN PLATTENSAMMLUNG !!!

für nen Appel und ein Ei verscherbelt.

Und das beste: inklusive aller Tull-Scheiben (bis auf 2). Weg, alles weg.
Laufi
Site Admin
Beiträge: 3120
Registriert: Di Aug 03, 2004 10:19 am
Wohnort: Cologne
Kontaktdaten:

Re: Stormwatch Tour Teil A: 20.03.1980 Münster

Beitrag von Laufi »

Ja, einen Dragon! Hab den vor rund 10 Jahren für nen sehr ordentlichen Tarif aus der Bucht gefischt, eben um alte Tapes zu überspielen. Letzten Winter persönlich zu TGE nach Essen zur Überholung gebracht, die haben erstmal alle Lötkolben fallen gelassen, mit den Worten, "ist in dem karton drin, was draufsteht?"

Das Ding läuft perfekt und der NAAC ist einfach klasse, grandios, was man da aus alten Tapes so rausholen kann!

Ich habe hiuer ne Wand voller Vinyl und bin echt froh, daß ich nie auf so bescheuerte Idden gekommen bin ;-)
"Du hast wohl nen nassen Helm auf!"

http://www.laufi.de
Thomas
Beiträge: 175
Registriert: Di Sep 26, 2006 8:51 pm
Wohnort: Leonberg

Re: Stormwatch Tour Teil A: 20.03.1980 Münster

Beitrag von Thomas »

Ja, das war wirklich selten dämlich.

Habe mir vor einem Jahr nach 20-jähriger Vinyl-Abstinenz ein neues PVC-Abspielgerät zugelegt und kaufe gerade die alten Sachen nach.
Antworten