Die Stimme - Theorien, etc. über die Ursachen

Allgemeine Diskussion über Jethro Tull, Neuveröffentlichungen, etc. / General discussion about Jethro Tull, releases, etc.

Moderator: King Heath

Marengo
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Re: 30 Jahre Old Grey Whistle Test

Beitrag von Marengo »

John Wayne hat geschrieben: Wenn ich mir das Konzert aus der Songs from the Wood Box anschaue, finde ich da seinen Gesang grandios, aber auch ziemlich extrem in der Beanspruchung seiner Stimme. Von daher war es möglicherweise nur eine Frage der Zeit und weniger des anspruchsvollen Materials. Nach diesem Zusammnbruch Under Wraps hätte er sich in die Hände von Spezialisten begeben müssen und zwar nicht nur für die akute Behandlung.
Da dürfte in der Tat viel zusammen kommen. IA hat, das kann Carsten näher ausführen, fast nie natürlich gesungen. Am ehesten auf APP plus Tour. Weiter hat er die Grenzen seiner Stimmlage ständig überstrapaziert und heftig geraucht. Er selbst hat mal irgendwo erklärt, dass auch der Wechsel zwischen Gesang und Flötenspiel und die damit verbundene unterschiedliche Beanspruchung seinen Tribut gefordert hat. UW war dann der Fehler aller Fehler, aber vermutlich hätte er auch bei angemessener Betreuung heute seine liebe Not. Ich habe IA nie so gut singen hören wie an den drei Abenden in London. Im Nachhinein geradezu gespenstisch: Er erwähnt am ersten Abend seine "Erkältung" und sagt (aus dem Kopf zitiert):
" I'm taking that funny cough medicine and it's better now. Not much. Ask him in the front row, he's been to all the shows..." Krasse Fehleinschätzung, krasser geht es kaum...
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John Wayne
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Re: 30 Jahre Old Grey Whistle Test

Beitrag von John Wayne »

Marengo hat geschrieben:
John Wayne hat geschrieben: ...
... aber vermutlich hätte er auch bei angemessener Betreuung heute seine liebe Not. ..
Vielleicht hast Du da Recht, das lässt sich in der Rückschau heute nicht mehr beweisen. Es ist halt wie es ist. Mir fällt da aber ein positives Beispiel ein. Klaus Meine hatte ein ähnliches Problem und es mit sehr dichter Betreuung bei und nach der Erkrankung in den Griff bekommen. Seine Erkrankung war vor dem Album Blackout und danach kam noch eine Menge ohne großen Verlust.
Manchmal gibt es Dinge, wo ein Mann tut, was ein Mann eben tun muss!
King Heath
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Re: Die Stimme - Theorien, etc. über die Ursachen

Beitrag von King Heath »

Es sollten ein paar grundsätzliche Dinge geklärt werden: Es gibt zwei Arten zu Singen. Die richtige und... wait for it... die falsche! Es gibt den so genannten Kopfgesang, bei dem die Luft mehr oder weniger aus den Bronchien gepresst wird und der ganze Oberkörper angespannt ist. Nicht gut. Stellt euch das so vor, als würdet ihr eine Stunde lang jemanden anschreien und zwar volle Pulle. So in etwa dürfte sich IA nach einem Konzert in alten Zeiten gefühlt haben.

Dann gibt es die Methode, die von richtigen Sängern verwendet wird - und übrigens auch von Flötisten senkrecht und quer -, nämlich die Zwerchfellatmung, bei der eine kontrollierte Luftzufuhr über die Stimmlippe/-bänder geführt wird und diese zum Schwingen bringt, ohne dass wie verrückt gepresst werden muss. Das erfordert Übung. Viel Übung. Und noch ein bisschen mehr Übung. Sowohl IAs Gesang als auch sein frühes Flötenspiel waren im wahrsten Sinne des Wortes reine Kopfsache. Beim Flöten wird einem da schwindelig und beim Singen ruiniert man sich die Stimmbänder. Und wenn man dann noch solche Stunts wie bei den HH Sessions oben drauf setzt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es nicht mehr geht.
IA hat geschrieben:Some of the time, including on the title track, I had a really bad head cold and was sounding rather nasally and gruff. I thought it was so sub-standard that the only thing was to double-track it, but in such a way as it make it look intentional.
Für einen Sänger natürlich eine Unmöglichkeit. Reiner Stimmenselbstmord. Und das hat er offensichtlich nicht nur einmal so gehalten:
IA hat geschrieben:At that point may voice was usually in good shape, and until the mid-1980s I was singing OK. But two or three times a year I'd get some throat or chest infection and they would not be good days on which to record vocals.
Eben. Warum hat er's trotzdem gemacht? Ein paar Tage Ruhe, Inhalieren, Schwitzen und nach nochmal ein paar Tagen Erholung geht's doch gleich viel besser.

Es soll natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass das Flöten mit Kopfpuste das Markenzeichen der Band wurde. Und seit dem IA mit Zwerchfellatmung flötet, gefällt's mir nicht mehr so gut. Der Rotz ist weg bzw. wird nur hin und wieder noch mal simuliert. Das Flötensolo vom My God Bootleg war mir immer eins der liebsten.

KHNO
Marengo
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Re: Die Stimme - Theorien, etc. über die Ursachen

Beitrag von Marengo »

Für einen interessierten Laien wie mich bedeutet das im Kern, dass der Kopfgesang über die Jahre ohnehin zu einer Verschlechterung des Gesangs geführt hätte. Verschlimmert wurde diese Tendenz dadurch, dass Krankheitssymptome (HH, Ians Bemerkung in London etc.) ignoriert wurden. Richtig verstanden?
King Heath
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Re: Die Stimme - Theorien, etc. über die Ursachen

Beitrag von King Heath »

Marengo hat geschrieben:Für einen interessierten Laien wie mich bedeutet das im Kern, dass der Kopfgesang über die Jahre ohnehin zu einer Verschlechterung des Gesangs geführt hätte. Verschlimmert wurde diese Tendenz dadurch, dass Krankheitssymptome (HH, Ians Bemerkung in London etc.) ignoriert wurden. Richtig verstanden?
Ja. Es gibt aber nicht wenige Sänger aus dem sängerischen Amateurbereich - wohl aber Profis auf der Rockbühne -, die das irgendwann bemerkt haben. Oben wird Klaus Meine erwähnt. Der war und ist ein Quetscher (merkt man an seiner etwas knödeligen Stimme), der sich aber wohl professionelle Hilfe auch in Sachen Gesang geholt hat. Ein anderes Beispiel ist Ozzy. Der macht heute zwei Stunden vor einem Konzert Stimm- und Leibesübungen, wie es ein professioneller Sänger eben tut. Es gibt nur wenige Sänger, deren Konstitution so gewaltig ist, dass sie mit ein paar gesummten Tonleitern vor der Aufführung den Hagen in der Dämmergötterung geben können, wie z.B. Matti Salminen. Und auch der hatte hin und wieder Probleme. Nebenbei gesagt ist er der einzige Wagnersänger den ich kenne, der seit vierzig Jahren Wagner singt. Den meisten Sängern und Sängerinnen geht da im wahrsten Sinne des Wortes die Puste aus. Peter Hofmann war ein berühmtes Opfer. Gefeierter Heldentenor, zu viel Wagner (vermutlich mit zu schlechter Technik) und aus war's. IA hat in dieser Beziehung keine Alleinmerkmalsstellung inne. Das trifft viele. Kein Wunder, dass Tom Waits so selten auf Tour geht.

Die Screamer und Shouter im Metal sind da übrigens deutlich schlauer. Bruce, der Dicke, wird sicherlich Stimmübungen machen und regelmäßig Gesangsstunden nehmen, sonst hätten Iron Maiden seit langer Zeit einen anderen Sänger. Ronnie James Dio war auch so ein Kandidat für's richtige Singen. Glaube ich jedenfalls, wenn ich ihn höre. Die Tatsache alleine, dass die ihre Stimmen so lange erhalten haben, spricht Bände. Ike Willis (Zappas Band) hatte schon die Körperfülle, die für einen echten Bariton spricht. Ich empfehle "Sy Borg" von Joe's Garage als Hörbeispiel.

KH
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Heavy Horse
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Re: Die Stimme - Theorien, etc. über die Ursachen

Beitrag von Heavy Horse »

Guten Abend (Äh... Morgen)!
Ich kann King Heath nur zustimmen, was Andersons Stimme und singen an sich betrifft, aber ich wollte mich auch zu diesem Thema äussern... Ich bin seit über 20 Jahre professioneller Sänger im Bereich Pop- Rock- und Irischer Volksmusik tätig und seit drei Jahren als Frontmann bei “Thick as a Brick” unterwegs.

Da meine Stimme in ihrem natürlichen Umfang fast genau wie die von Ian Anderson ist, dachte ich es würde mir relativ leicht fallen Lieder zu singen, die ich ohnehin seit 40 Jahre in- und auswendig kenne, aaaaber... als ich mich damit auseinandersetzte, merkte ich ganz schnell, dass ich tierisch aufpassen musste. Ich versuchte Anfangs unser Vorbild nachzumachen, indem ich seine „Technik“ anwandte, aber es war nicht nur anstrengend: nach einer Probe, war meine Stimme einfach weg! Ich habe schnell umgedacht, und fing an das Programm richtig zu singen. Letztes Jahre habe ich mit TAAB und diversen anderen Projekte über 100 Auftritte absolviert, ohne Probleme mit der Stimme zu haben (abgesehen von Erkältungen oder virusbedingten Halsentzündungen).
Inzwischen kenne ich meine Stimme und ihre Grenzen und merke sofort wenn was nicht stimmt, aber auch ich bin kein natürlicher Sänger. Der Unterschied ist, dass ich, vom Anfang meiner Karriere an, immer sehr sorgsam mit meiner Stimme umgegangen bin: Lieder werden transponiert, wenn sie zu hoch sind, viel Wasser (na, gut - auch andere Flüssigkeiten!) wird getrunken, ich trete nur noch in Rauchfreier Umgebung auf. Ian Anderson hat einfach los gebrüllt und, obwohl ein junges, elastisches Stimmorgan damit fertig wird, wir wissen alle was später passiert ist. Das beste/ abschreckenste Beispiel für seine falsche Technik (das mir gerade einfällt) ist „Queen and Country“. In dem Stück geht er so hart mit seiner Stimme um, dass es mir Weh tut! Er singt ohne jegliche Unterstützung nur durch seinen Hals, benutzt eine Art strapazierende, künstliche Verzerrung und zwingt den höchsten Ton (fis) durch eine völlig verspannten Luftröhre.
Es ist sicherlich eine Tragödie. Eine weitere Tragödie ist aber, dass er es nicht zugibt, und das Live-Singen sein lässt.
Marengo
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Re: Die Stimme - Theorien, etc. über die Ursachen

Beitrag von Marengo »

Heavy Horse hat geschrieben:Guten Abend (Äh... Morgen)!
Ich kann King Heath nur zustimmen, was Andersons Stimme und singen an sich betrifft, aber ich wollte mich auch zu diesem Thema äussern... Ich bin seit über 20 Jahre professioneller Sänger im Bereich Pop- Rock- und Irischer Volksmusik tätig und seit drei Jahren als Frontmann bei “Thick as a Brick” unterwegs.
(...)
Ian Anderson hat einfach los gebrüllt und, obwohl ein junges, elastisches Stimmorgan damit fertig wird, wir wissen alle was später passiert ist. Das beste/ abschreckenste Beispiel für seine falsche Technik (das mir gerade einfällt) ist „Queen and Country“. In dem Stück geht er so hart mit seiner Stimme um, dass es mir Weh tut! Er singt ohne jegliche Unterstützung nur durch seinen Hals, benutzt eine Art strapazierende, künstliche Verzerrung und zwingt den höchsten Ton (fis) durch eine völlig verspannten Luftröhre.
Es ist sicherlich eine Tragödie. Eine weitere Tragödie ist aber, dass er es nicht zugibt, und das Live-Singen sein lässt.
Sehr schön, das alles einmal von Dir und King Heath fachkundig und für einen Laien verständlich aufbereitet zu bekommen. Wo Du "Queen and Cunt-tree" (Sorry) erwähnst, bei dem Track fand' ich als Jugendlicher den Gesang immer unglaublich ansprechend, gewaltig eben im allumfassenden Wortsinn, wie ich generell auch über die Stimme und nicht die Flöte zu Tull gekommen bin. IA ist sozusagen, das ist wirklich tragisch, als Sänger grandios gescheitert, jedenfalls was die Bühne anbelangt. In Schönheit auf der UW-Tour gestorben. Es gab ein Zeitfenster, das sich durch den jahrelangen Raubbau und die desaströse Fehleinschätzung 1984 leider allzu schnell geschlossen hat. Dass er dennoch weiter gemacht hat, finde ich persönlich grundsätzlich richtig. Mit 37 Jahren berufsunfähig zu sein, wäre ein allzu hartes Schicksal gewesen. Es gab ja auch nach dem "Stimmbruch" noch gesanglich einigermaßen ansprechende Konzerte. 1989 und 1995 möchte ich hervorheben. Selbst in diesem Jahrtausend hat mir z.B. 2003 auch noch gut gefallen, teilweise auch 2008. Schön, dass ein Profi-Sänger einmal sagt, dass IAs "gesangliche" Darbietungen heutzutage fachlich indiskutabel sind. Es wurde ja hier im Forum teilweise die allenfalls durch alternative Fakten zu belegende Auffassung vertreten, als sei die Stimme anno 2018 sozusagen seit 30 Jahren "im Arsch". "Im Arsch" ist aber sehr relativ. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt konnte ich da noch "drüber weghören", insbesondere wegen Martin Barre. Das geht jetzt aber nicht mehr, zumal da eine Operettenband auf der Bühne steht, die von den musikalischen Fähigkeiten her absolut Gas geben könnte, es aber nicht darf.
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John Wayne
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Re: Die Stimme - Theorien, etc. über die Ursachen

Beitrag von John Wayne »

King Heath hat geschrieben:
Marengo hat geschrieben:Für einen interessierten Laien wie mich bedeutet das im Kern, dass der Kopfgesang über die Jahre ohnehin zu einer Verschlechterung des Gesangs geführt hätte. Verschlimmert wurde diese Tendenz dadurch, dass Krankheitssymptome (HH, Ians Bemerkung in London etc.) ignoriert wurden. Richtig verstanden?
Ja. Es gibt aber nicht wenige Sänger aus dem sängerischen Amateurbereich - wohl aber Profis auf der Rockbühne -, die das irgendwann bemerkt haben. Oben wird Klaus Meine erwähnt. Der war und ist ein Quetscher (merkt man an seiner etwas knödeligen Stimme), der sich aber wohl professionelle Hilfe auch in Sachen Gesang geholt hat. Ein anderes Beispiel ist Ozzy. Der macht heute zwei Stunden vor einem Konzert Stimm- und Leibesübungen, wie es ein professioneller Sänger eben tut. Es gibt nur wenige Sänger, deren Konstitution so gewaltig ist, dass sie mit ein paar gesummten Tonleitern vor der Aufführung den Hagen in der Dämmergötterung geben können, wie z.B. Matti Salminen. Und auch der hatte hin und wieder Probleme. Nebenbei gesagt ist er der einzige Wagnersänger den ich kenne, der seit vierzig Jahren Wagner singt. Den meisten Sängern und Sängerinnen geht da im wahrsten Sinne des Wortes die Puste aus. Peter Hofmann war ein berühmtes Opfer. Gefeierter Heldentenor, zu viel Wagner (vermutlich mit zu schlechter Technik) und aus war's. IA hat in dieser Beziehung keine Alleinmerkmalsstellung inne. Das trifft viele. Kein Wunder, dass Tom Waits so selten auf Tour geht.

Die Screamer und Shouter im Metal sind da übrigens deutlich schlauer. Bruce, der Dicke, wird sicherlich Stimmübungen machen und regelmäßig Gesangsstunden nehmen, sonst hätten Iron Maiden seit langer Zeit einen anderen Sänger. Ronnie James Dio war auch so ein Kandidat für's richtige Singen. Glaube ich jedenfalls, wenn ich ihn höre. Die Tatsache alleine, dass die ihre Stimmen so lange erhalten haben, spricht Bände. Ike Willis (Zappas Band) hatte schon die Körperfülle, die für einen echten Bariton spricht. Ich empfehle "Sy Borg" von Joe's Garage als Hörbeispiel.

KH
Bruce Dickinson war bei Markus Lanz. Aus meiner Sicht eines der besseren Interviews, obwohl Lanz keine Ahnung von Rockmusik hat und sich offensichtlich ausschließlich über Bruces Autobiografie informiert hat. In diesem Interview äußert sich Bruce zum Thema Singen. Das gesamt Interview mit ihm beginnt ab Minute 48, zum Singen äußert er sich ab 1 Stunde und 1 Minute.

https://www.zdf.de/gesellschaft/markus- ... 8-100.html
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Kwyjibo
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Re: Die Stimme - Theorien, etc. über die Ursachen

Beitrag von Kwyjibo »

Im Nachhinein ist das einfach zu sagen, aber ich frage mich, wie sehr Anderson der Thematik bewusst war, was das Singen angeht. Er sagt immer wieder selbst, dass er kein großer Sänger sei und keine Ausbildung hatte, dennoch halte ich für einen intelligenten Menschen, dem es ja auffallen wird, dass die Art und Weise zu singen, auf Dauer zu anstrengend oder zu strapaziös ist. Vor allem wenn man jedes Jahr auf Tour geht mit zig Konzerten weltweit. Denkt man darüber weniger oder gar nicht nach, wenn es Abend für Abend klappt und solange es einem gut geht? Irgendwann muss doch die Erkenntnis kommen, dass es nicht so weiter gehen kann und das hätte spätestens 84 der Fall sein müssen.

Ich finde übrigens, dass man auch in den Jahren davor immer wieder heraushört, dass er seiner Stimme zu viel zumutet. Hier liegt die Wurzel allen Übels begraben, auch wenn wir besonders diese Phase schätzen.

Ich glauche nach 84 hätte es dann wirklich was gebracht, wenn das Touren 87,88 weniger exzessiv ausgefallen wäre. Man merkt hier deutlich einen erneuten Wandel der Stimme. Gleiches gilt von 89-91. Letztens wurde ein Konzert von 90 hochgeladen auf Youtube, was im Vergleich zu 89 erneut einen Unterschied darstellt.

Dann haben wir Catfish, auf dem Anderson meiner Meinung seine Stimme wieder zu Leistungen zwingt, die für die Stimme wieder nicht gut gewesen sind.
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Re: Die Stimme - Theorien, etc. über die Ursachen

Beitrag von Marengo »

Kwyjibo hat geschrieben: Dann haben wir Catfish, auf dem Anderson meiner Meinung seine Stimme wieder zu Leistungen zwingt, die für die Stimme wieder nicht gut gewesen sind.
Was man dann live wieder gehört hat. Mir gefiel 1989 besser.
Marengo
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Re: Die Stimme - Theorien, etc. über die Ursachen

Beitrag von Marengo »

Kwyjibo hat geschrieben:Im Nachhinein ist das einfach zu sagen, aber ich frage mich, wie sehr Anderson der Thematik bewusst war, was das Singen angeht. Er sagt immer wieder selbst, dass er kein großer Sänger sei und keine Ausbildung hatte, dennoch halte ich für einen intelligenten Menschen, dem es ja auffallen wird, dass die Art und Weise zu singen, auf Dauer zu anstrengend oder zu strapaziös ist.
Ob das etwas mit der zweifelhaft vorhandenen formalen Intelligenz von IA zu tun hat, muss bezweifelt werden. Wie kann ein intelligenter Mensch sein Leben auf's Spiel setzen, um ein paar Konzertabsagen (1996) zu vermeiden? Oder einen Privatkrieg mit der gesamten Musikpresse wegen ein paar vielleicht gar nicht mal so unberechtigter Kritiken anzetteln? Oder sich von einem Weggefährten (Martin Barre) in so schäbiger Weise trennen? Doch, auch und gerade intelligente Menschen bringen sowas locker. Ich halte mich auch für intelligent und bin es wohl auch :wink: , habe aber z.B.jahrzehntelang heftig geraucht, bis es gesundheitlich nicht mehr ging, weil ich gedacht habe, die Probleme haben die anderen. Das ist m.E. weniger eine Frage der Intelligenz als der Persönlichkeitsstruktur.
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Re: Die Stimme - Theorien, etc. über die Ursachen

Beitrag von Unisono »

King Heath hat geschrieben:Es sollten ein paar grundsätzliche Dinge geklärt werden: Es gibt zwei Arten zu Singen. Die richtige und... wait for it... die falsche! Es gibt den so genannten Kopfgesang, bei dem die Luft mehr oder weniger aus den Bronchien gepresst wird und der ganze Oberkörper angespannt ist. Nicht gut.
pardon, aber so etwas habe ich ja noch nie gehört! Singen, sprechen, Flöte oder anderes Instrument blasen - das geht alles nur übers Zwerchfell. Mit guter Stütze (dann hat man eine sichere Intonation) oder mit schlechterer (dann wackelt der Ton) aber ganz ohne geht rein anatomisch nicht. Und IAs spezifische Art Flöte zu spielen hat nichts mit der Atmung, sondern mit dem Ansatz am Instrument zu tun.
King Heath
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Re: Die Stimme - Theorien, etc. über die Ursachen

Beitrag von King Heath »

Unisono hat geschrieben:Singen, sprechen, Flöte oder anderes Instrument blasen - das geht alles nur übers Zwerchfell.
Da hast Du ohne Zweifel recht. Ohne Zwerchfell geht gar nichts. Wenn aber das Zwerchfell nicht trainiert ist und demzufolge nicht richtig eingesetzt wird, ist das sowohl für's singen - zumal in größerer Lautstärke - als auch für's Blasen schlecht.
Unisono hat geschrieben:Und IAs spezifische Art Flöte zu spielen hat nichts mit der Atmung, sondern mit dem Ansatz am Instrument zu tun.
Das eine schließt das andere nicht aus. Der Ansatz alleine war's aber sicherlich nicht. Beim "frühen" IA wackelte der Ton reichlich, es sei denn er hat mit viel Luft (Nase rein, Mund raus) ordentlich Druck aus Lunge und Bronchien gegeben. Das wilde Prusten und Pusten hat nichts mit einer geübten Zwerchfellatmung zu tun, was man auch an seiner schnellen Atmung ablesen konnte, die diesen tollen Effekt hatte. Das macht er heute nicht mehr. Ich bin selbst ein schlechter Flöter und kenne den Unterschied zwischen Blasen mit Zwerchfellkontrolle und ohne ziemlich gut. Für Atemübungen war ich nämlich immer zu faul.

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Re: Die Stimme - Theorien, etc. über die Ursachen

Beitrag von Marengo »

http://www.tullpress.com/nme23oct71.htm

Ich hatte diesen Artikel unter allen möglichen Gesichtspunkten auf dem Schirm, nicht aber in Bezug auf die Stimmdiskussion. Neben mangelnder Gesangstechnik und allen hier angesprochenen Punkten war es auch "Raubbau" mit dem eigenen Körper. "The occasional bad gig" war IA wohl schon ganz früh wichtiger, als auf die Signale seines Körpers zu hören. Bloß keine Konzertabsagen. Das rächt sich halt irgendwann.
Kwyjibo
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Re: Die Stimme - Theorien, etc. über die Ursachen

Beitrag von Kwyjibo »

Im Eclispe Interview zum 50. gabs auch zu diesem Thema eine interessante Aussage:

Zur Under Wraps sagt er:"
Zudem ist dies das Album, das den Höhepunkt meiner Gesangsleistungen markiert. Bei Opernsängern würde man sagen, das war sein Gipfel in puncto Erfahrung und Können, danach wurde es für mich gerade auf der Bühne viel schwerer. Darauf habe ich sogar hohe Gs gesungen, obwohl das meiste im Jethro Tull-Katalog wie bei Locomotive Breath hohe Es sind, und auch damit muss ich mich heutzutage bei einem langen Konzert vorsichtig operieren. Trotzdem ist es befriedigend, dass ich das heute überhaupt noch kann"
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