Jethro Tull in Münster 1980

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Moderator: King Heath

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Marengo
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Jethro Tull in Münster 1980

Beitrag von Marengo »

Ich werde hier einmal die lokale Presse -in nicht chronologischer Reihenfolge- über die Tull-Konzerte in Münster sprechen lassen, evtl. mit ein paar Anmerkungen meinerseits. Los geht's mit dem Stormwatch-Konzert am 20.03.1980.

Am 15.03. meldete die lokale Tageszeitung (WN):

Donnerstag, 20. März:

Jethro Tull" gastieren in der Halle Münsterland.
Ian Anderson und seine famose Truppe wieder einmal in Münster.
Achtung: Nach letzten Informationen ist das Konzert restlos ausverkauft. Nichts geht mehr.

Am 19. dann diese Anzeige:

Wer verk. Jethro Tull-Karte? Tel. xxxxxx

Und am 22.03. dann diese euphorische Kritik, die voll und ganz meiner Erinnerung an dieses denkwürdige Konzert entspricht:

Jethro Tull machte Halle zum Tollhaus

Die sechs Mann von der englischen Rockformation Jethro Tull sollten sich einen neuen Namen zulegen: vielleicht Jethro Tollhaus. Denn in ein solches verwandelten sie die Halle Münsterland am Donnerstagabend. Die die Halle bis unters Dach füllende Zuhörerschaft hatte während des Konzertes schon jedem Titel begeistert applaudiert. Als dann die beiden Zugaben angestimmt wurden, stürmte alles nach vorne, stand auf den Stühlen, tanzte und hüpfte herum.

Jethro Tull, schon 1968 gegründet, ist wohl diejenige Gruppe der alten Garde, die das meiste an Ausdruckskraft und Intensität in die 80er Jahre herübergerettet hat. Denn das Konzert besaß alles, was ein erstklassiger Rock-Act besitzen sollte. Kraft, Dynamik, Farbe, Gags, ein wenig Comedy-Show, gut aufgelegte Musiker und vor allem Rock und nochmals Rock, abwechslungsreich und voller Intensität wie eh und je. An der Musik stimmte einfach alles. Diese Mischung aus hartem rhythmisch vertracktem Rock und balladesken Stücken, akustischen und elektrischen Passagen, mitreißend gespielt in einem überzeugenden, homogenen Gruppensound, besitzt immer
noch ihren eigentümlichen Reiz. Auch Ian Anderson ist der alte geblieben. Der wie immer mittelalterlich gekleidete, unumstrittene Mittelpunkt der Band sprang wie ein Derwisch über die Bühne. Er zog alle Register seiner Kunst. Die verrückte Mimik, die dauernd nervös gestikulierenden Hände, der Gesang, unverkennbar, unnachahmlich in seiner Art, seine Songs, sein meisterhaftes Flötenspiel, ebenso das auf der Akustik-Gitarre, kurz gesagt: es beindruckte.

Die fünf Musiker um ihn herum waren keinesfalls nur seine Begleiter. Sie lieferten nicht nur den perfekten Background, sondern stellten auch ihre eigenen Fähigkeiten unter Beweis. Martin Barres harte Gitarrensoli überzeugten. Dave Pegg am Baß, erst seit vorigem Jahr dabei, konnte seine Folkrock-Vergangenheit nicht leug-nen. Einige folkige Instrumentals gingen auf sein Konto. Barrimore Barlow demonstrierte während eines ausgiebigen Schlagzeugsolos Präzision und Virtuosität. Und die beiden Tasteninstrumentalisten David Palmer, der ruhende Pol, auch am Saxofon zu hören, und John Evans, Komödiant und Grimassenschneider, umrahmten das Ganze.

Die Gruppe schöpfte aus dem Vollen ihres umfangreichen Repertoires. Sie spielte vornehmlich Stücke aus den letzten Jahren, dabei sehr lustig dargeboten „Stormwatch", der Titel-song der letzten LP. Besonders gefeiert aber wurden Songs wie „Aqualung", „Thick as a Brick", oder „Locomotive Breath"; alte Stücke, die heutefast anachronistisch anmuten. Zuletzt griff Ian Anderson nochmals zur Gi-tarre,' er sang eine Zeile, grinste hämisch, plötzlich ein Schuß aus der Konfetti-Kanone und das Parkett ver-sank in einem wahren Konfettiregen.

Auch wenn dieses Konzert die letzten Zweifler überzeugte, hier eine der bedeutendsten Rockbands aller Zeiten gesehen zu haben, sollte man sich über eines nicht hinwegtäuschen. Eine musikalische Weiter- oder Andersentwicklung findet bei der Rocklegende Jethro Tull nicht mehr statt. Der höchste Perfektionsgrad der Musik ist erreicht. Und im Hinblick auf ihr Konzert im Mai 78, viel Neues haben sie sich nicht nicht einfallen lassen. GG.
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John Wayne
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Re: Jethro Tull in Münster 1980

Beitrag von John Wayne »

Den Titelsong Stormwatch würde ich gerne mal hören ... :wink:
Manchmal gibt es Dinge, wo ein Mann tut, was ein Mann eben tun muss!
Marengo
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Re: Jethro Tull in Münster 1980

Beitrag von Marengo »

Psst, kannst Du, SW ist gerade beim Mixen :wink:
Ich vermute, dass Dun Ringill gemeint ist, das war in der Tat eine recht lustige Einlage, um der Stormwatch-Block etwas aufzubrechen.
hunting boy
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Re: Jethro Tull in Münster 1980

Beitrag von hunting boy »

Marengo hat geschrieben:Psst, kannst Du, SW ist gerade beim Mixen :wink:
Ich vermute, dass Dun Ringill gemeint ist, das war in der Tat eine recht lustige Einlage, um der Stormwatch-Block etwas aufzubrechen.
Da bin ich aber gespannt, was bei SW dabei herauskommt...
Was Dun Ringill angeht: Ich bin Spätgeborener, also ohne Erfahrung, wie das 1980 ablief: Was für eine lustige Einlage wurde dort geboten?

Hunting Boy
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Marengo
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Re: Jethro Tull in Münster 1980

Beitrag von Marengo »

hunting boy hat geschrieben:
Marengo hat geschrieben:Psst, kannst Du, SW ist gerade beim Mixen :wink:
Ich vermute, dass Dun Ringill gemeint ist, das war in der Tat eine recht lustige Einlage, um der Stormwatch-Block etwas aufzubrechen.
Da bin ich aber gespannt, was bei SW dabei herauskommt...
Was Dun Ringill angeht: Ich bin Spätgeborener, also ohne Erfahrung, wie das 1980 ablief: Was für eine lustige Einlage wurde dort geboten?

Hunting Boy
Dazu muss ich ein wenig ausholen in der Hoffnung, es Dir vermitteln zu können. Die Stormwatch-Konzerte waren so aufgebaut, dass nach dem "Stormwatch-Block" von (in Deutschland) sieben Stücken und etwa 35 Minuten Dauer erst die Begrüßung durch Ian und dann "Aqualung" kam, d.h. die Zuschauer mussten fast die ganze neue LP am Stück ohne das kleinste Wort "ertragen". Damals ging das noch, da das Material -der bombastischen Stimmung nach zu urteilen- bekannt war. Zumindest in Münster. Die Dramaturgie war ausgefuchst und genial:

Warm Sporran vom Band (noch bei Hallenbeleuchtung)
Licht aus
Intro-Tape
Dark Ages
Home
Orion
Dun Ringill
Elegy
Old Ghosts
Something's on the Move
Begrüßungsansage
Aqualung
etc.

Gerade der Anfang mit "Dark Ages" war voller Dramatik, zusammen mit dem 89er Anfang (Strange Avenues) das Beste, was ich jemals auf irgendeiner Bühne gesehen habe. Wagner hätte seine Freude gehabt. Das sollte großes Kino sein und wirkte durchaus, auch textlich, apokalyptisch. "Home" dann zum Runterkommen, allerdings viel weniger "süßlich" als auf der LP, "Orion" war Borderline-Metal vom Allerfeinsten, mit einer ersten lustigen "Gesangseinlage" von John E. im Anschluss an das Hammer-Instrumentalintro (während des eingespielten Gesangsintros zum Stück selbst, live kam dann die Wiederholung mit voller Wucht und Instrumentierung). Da wurde es dann wieder schwermetallisch im Refrain und melancholisch in den Strophen. Bei "Dun Ringill" kam dann der Spaß mit voller Wucht zurück. John Evan durfte während des eingespielten Francis-Wilson-Intros mit einem Zeigestock und der Wetterkarte mit großen Gesten hantieren, dann von links nach rechts Barrie mit kleinem Damen-Schirmchen, Peggy, Ian auf einem Schemel sitzend und Martin daneben stehend, allerliebst. Es gab Konfettiregen beim Donner und John E's großen Auftritt am Schluss, wenn die Möwen schreien, mit Pappmöwe auf einem Besenstil. Vaudeville lässt grüßen. "Elegy" baute dann wieder musikalische Spannung auf, "Old Ghosts" war wirklich schöner Folk-Rock mit dramatischem Übergang zum hart rockenden "Something's on the Move". So schloss sich dann der Kreis nach atemberaubenden 35 Minuten.

Tja, besser hätte man dieses doch eher düstere Album imo nicht präsentieren können. Das ganze noch mit einem Ian Anderson, der ja genau wusste, das dies die letzten Tage und Wochen der "klassischen Besetzung" sein sollten, zwischen "moody" und "over the top". Gesanglich und von der Performance her unerreicht. Shaking the dead...

Zum Nachhören empfehle ich Dir meine Essen-Aufnahme vom 30.03.1980.

https://www.youtube.com/watch?v=ShH-JZDCis8

Richtig gescheit gefilmt wurde die Stormwatch Tour wohl nicht. München 1980 gibt in Ermangelung ordentlicher Kameraführung die Show nicht wirklich adäquat wieder. Dark Ages hätte man auch nicht schneiden dürfen, Orion auch nicht. Aber allemal besser als nix...
clasp
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Re: Jethro Tull in Münster 1980

Beitrag von clasp »

Hier gibt's ein Video, wo die von dir geschilderten Details kurz zu sehen sind- ab 1:52 min, in Stockholm.
Sorry vorab für die Qualität.
https://www.youtube.com/watch?v=JTwKZoBpgvo
Marengo
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Re: Jethro Tull in Münster 1980

Beitrag von Marengo »

Cool. Martin hatte andere Klamotten in Münster an. Ist das Dein Youtube-Kanal?
hunting boy
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Re: Jethro Tull in Münster 1980

Beitrag von hunting boy »

Das mit dem Ablauf der Konzerte war mir bekannt, aber die optischen Einlagen bisher nicht. Danke fürs Einstellen!

Hunting boy
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