hach, was war das für ein toller Tag!
Ulla kam bereits Montag aus Cropredy zurück und bevor wir es uns auf der Terrasse gemütlich machten, erwähnte sie, "ich hab Dir was mitgebracht, wir müssen nochmal zum Auto!" Hurra, nachträgliche Geburtstagsgeschenke .... hm, ne Plastiktüte mit englischem Dosenbier! Lecker! (Hab ich "lecker" gesagt ...?)
Dienstag, der 18.8.2009 war also dann der Tag, an dem meine kleine Lieblingsband das erste mal seit Jahren mal wieder in meiner Wahlheimat Köln, im wunderschönen Tanzbrunnen an den Rheinterrassen spielen sollte.
Üblicherweise baut sich ein schöner Tag ja langsam auf, bis er den Climax erreicht - heute war es ein wenig umgekehrt. Wir nahmen ein spätes Frühstück auf der Terrasse (bei wunderschönstem Sommerwetter und bereits knapp 30°C), lungerten ein wenig herum, um dann den absoluten Höhepunkt des Tages zu genießen: meine mittlerweile ganz passablen Kochkünste am Kugelgrill! Im "Weber 57cm Gold in der Johann Lafer Edition" (von meinen Freunden ehrfurchtsvoll "Johann Lafer Gedächtnis-Kugel" genannt), kredenzte ich ein Hüftsteak vom argentinischen Rind, auf den Punkt medium, sowie eine feurig marinierte Putenbrust, schön saftig aber dennoch zart. Dazu einen knackigen Salat und den heimlichen Star des Tages: Anima Negra 2 (http://www.vinos-online.de/wein/Anima_N ... -4770.html), einen der leckersten und rassigsten Mallorquinischen Rotweine, die man finden kann. "Schwarze Seele" heißt er auf deutsch - und auch Ulla weiß nun, warum!
Der Tanzbrunnen ist von meinem werten Heim ca. 2,5 km entfernt, insofern brauchten wir per Bahn und Pedes keine halbe Stunde, bis wir unsere Plätze im Auditorium einnehmen konnten - nicht ohne alle, teilweise verschollen geglaubten, Familienmitglieder zu begrüßen: das ist immernoch das schöne an Jethro Tull Konzerten, man trifft sich seit Jahrzehnten immer wieder, man hat immer wieder Geschichten zu erzählen und immer wieder ist die Zeit dafür letztlich zu kurz. Manchen werden die Haare grau, manchen gehen sie aus und andere lassen sie sich wieder wachsen, aber eine große (oder auch nicht mehr ganz so große) Famillie werden wir wohl immer bleiben.
Mit einem Bier bewaffnet ging es dann aber wirklich auf die Plätze, denn unser aller Ian Anderson ließ es sich -wie im letzten Jahr- nicht nehmen, den Support Act anzukündigen.
Saori Jo stand dem Wein wirklich in fast nichts nach, außer dem Abgang. Ihrer war zu schnell, also nur ein ganz, ganz knapper Punktsieg für Anima Negra und das Hüftsteak! Letztes Jahr in Bonn fand ich Saori und ihren Gitarristen Miguel schon beeindruckend, dieses Jahr gefielen sie mir noch besser. Gute Songs, feine Performance und vor allem jede Menge Charisma! Die beiden zogen mich und große Teile des Publikums in den Bann, so daß das Beiwerk, nämlich die Gastauftritte insgesamt aller Jethro Tull Musiker, eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre. Schön war es letztlich aber doch, besonders das"Blues-Gitarren-Duell" zwischen Miguel und Martin Barre. Klasse!
Ich unterhielt mich auf der Aftershow-Party noch mit Saori und Miguel, übrigens auf französisch, was die beiden sehr erfreute. Schade, daß das Album noch nicht fertig ist, sondern noch gemastert werden muß und dann aber im September erscheinen wird. Die beiden hätten auf der Tour sicherlich einige Exemplare unters Volk bringen können. Also Leute: Augen auf und die Platte zulegen, die beiden haben es sich verdient und ihr hört schlicht wunderschöne Musik! Im Dezember gibt es ein Konzert in Remscheid (am 12.12.2009 im Rotationstheater Remscheid), sie werden zu dritt spielen, es ist noch ein Bassist dabei. Eigentlich ein bischen schade, daß das ein one-off-gig ist. Vielleicht hat ja jemand noch ne Idee für ein Konzert im Köln/Bonner Raum nen Tag vorher ...
Ach ja, ein "Hauptprogramm" gab es ja auch noch! Völlig unspektakulär startete das Jethro Tull Konzert, die Band stand einfach irgendwann auf der Bühne! Voll war es wahrlich nicht, in den Tanzbrunnen (der sonst nur bei Volksmusik-Matineen und ähnlichem bestuhlt ist) passen 12.500 Zuschauer und es werden nicht viel mehr als 1.500 dagewesen sein. Solange die (fast) alle noch nen Fuffi Eintritt abdrücken, scheint sich das ja irgendwie zu lohnen. Ich fand die spärlich besuchte Location schon ein bischen schaurig:

Hinter dem Fotografen stand übrigens: niemand mehr! Zum Konzert selbst: ich mache es kurz, denn stellenweise tut es wirklich verdammt weh. Die Setlist deckte sich im Großen und Ganzen mit dem, was hier in den letzten Tagen gepostet wurde. Ja natürlich, ich kann sicherlich Stellen im Konzert finden, die "super" waren oder "toll gespielt!" oder "tight" oder "mit Punch" oder einfach nur "dufte!". Den größten Unterhaltungswert hatten für mich die neuen Ansagen inklusive offensichtlich guter Laune des Meisters, davon war ich wirklich überrascht, teilweise überwältigt und ja: ich habe laut gelacht! Daß ich das nach teilweise 12 Jahre lang den gleichen Witzen noch erleben durfte, das hat mich wirkklich sehr gefreut!
Leider geht man aber nicht wegen der Ansagen ins Konzert, sondern weil "The Legend goes on ... and on ... and on...". Vielleicht könnte man neue Plakate drucken, auf denen steht "The Legend caricatures himself!", das würde es zu großen Teilen (leider) besser treffen. Was mir musikalisch, bzw. gesanglich vorgesetzt wurde, daß war teilweise wirklich eine Frechheit! Eine Oktave tiefer gesungen: naja! Einen ganzen (!) Ton nach unten transponiert: hm! Einen Song komplett krächzend und schief singend massakriert!? Das ist musikalischer Suizid! Ich hatte bei "Skating Away" Tränen in den Augen, das war das Schlimmste, was ich seit langem auf irgendeiner Bühne gehört habe - einige von mir moderierte Schülerband-Wettbewerbe inklusive. Direkt dahinter: "Heavy Horses". Songs, bei denen Fremdschämen angesagt war - in unseren Reihen, weiter hinten, machten verstohlene Blicke und betretenes Schweigen die Runde. Und das machen leider ein paar musikalische Highlights (Fat Man, Farm On The Freeway, Dharma For One) auch nicht wett.
Das Konzert hätte übrigens fast eine kleine Überraschung erlebt (das muß jemand anders erzählen, ich war zum Dichthalten verdonnert

Nach der Show nahmen wir hinter der Bühne noch ein Beck's auf Kosten des Hauses und hatten ein paar nette Gespräche. John O'Hara, den ich noch gar nicht kannte, ist ein sehr netter Zeitgenosse und mit Doane Perry machte ich den ersten Größenvergleich seit 20 Jahren: ich bin nochmal gewachsen!
Alles in allem: das hat schon sehr geschmerzt und selbst "schön trinken" wollte ich mir bei €4 für ein Kölsch nicht antun. Ich wäre für eine Farewell-Tour und dann aus die Maus. Ich stecke nen Schein ins Phrasenschwein: "Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende". Und jetzt fallt über mich her.
Jehova!
Laufi