Wortlaut:
Wie ein Derwisch Monopoly spielt...
Wattenscheid - Entspannte Atmosphäre an den Bierständen, ein paar Sonnenstrahlen kämpfen sich hartnäckig durch die Wolkendecke, Flötenmusik aus meterhohen Boxen, der Konserve. Aber gute! 30 Jahre Rockgeschichte sollen hier gleich zelebriert werden. Und entsprechende Jahrzehnte sind vertreten: Die 70er mit langer Matte und Seitenscheitel, die 80er "Fokuhilas" und aus den 90ern der Nachwuchs mit lässig gebundenem Kopftuch. Und dann endlich, kurz nach 20 Uhr, kommen sie ganz still auf die Bühne: Jethro Tull.
Schon bei "Monopoly" galt die Parkstraße als angesagte Adresse. Die Wattenscheider Parkstraße (Freilichtbühne) haben Ian Anderson, Martin Barre (dieses Mal mit modernstem Gitarrensound, trotz verletzter Hand), Andrew Giddings (Keys, Akkordeon), Doane Perry (Drums, Bongos) und Jonathan Noyce (Bass) dank der Bochumer Symphoniker am Samstag wiederholt ausgewählt. Gut so, denn intimer geht's kaum. Anderson zum Greifen nahe, keine Massenveranstaltung, bei der man seine Idole nur auf Mega-Würfeln erkennt.
Was die Tull"er dann auch mit einem gleichbleibend hochwertigem Querschnitt aus 37 Jahren Karriere belohnen. Los geht es bluesig mit "My Sunday feeling" und Beggar"s farm" vom 1. Studioalbum "This was". Folkiger wirds mit "Jack in the green" oder "In the grip of stronger stuff". Dann der erste Höhepunkt, das erste Mal die müden Arme des Ü-40-Publikums dauerhaft oben: bei "sick as a brick". 1972 soll Anderson das Gedicht "Dumm wie Bohnenstroh" des 12-jährigen Wunderknaben Gerald Bostock vertont haben. Es brachte schon damals Erfolg.
Von da an wirds rockig auf der Bühne. Anderson fegt wie ein Derwisch darüber. Mit seien 58 Lenzen unglaublich beweglich. Unglaublich stimmgewaltig, unglaublich souverän an der Querflöte. Wie gewohnt. Und auch, wenn er nur über eine Oktave verfügt: Die singt er so brillant und klar, dass den Fans die Spucke wegbleibt. Spielerische Balladen, höfische Klänge, schottische Volksweisen gepaart mit hartem Rocksound und klassischen Einlagen a la Bach. Ein Ohrenschmaus! Zwei Stunden lang. Bis Anderson die Fans erlöst mit der einzigen Zugabe, die den Abend noch toppen kann: "Locomotive breath". - Ina Retkowitz
Wer hat es gemerkt? Mindestens drei Fehler sind der Dame unterlaufen.
