Whistling Catfish hat geschrieben:Jetzt hab' ich aber doch nochmal eine Frage an die forumseigenen Lehrkörper: Ist Latein eigentlich immer so eine Auslegungssache??? Ich mein' wenn man so ein Zitat googelt findet man zahlreiche, unterschiedliche Übersetzungen. Nehmen wir mal unser Beispiel hier: "nach Besserem streben" und "dem besserem Rate gehorsam" oder "dem Besseren folgen" sind für mich doch einigermaßen unterschiedliche Bedeutungen?!?!? Ich dachte immer Latein wäre die Sprache der Wissenschaft....also präzise!
Ich gehöre zwar keinem Lehrkörper an, fühle mich aber dennoch berufen, da ich das Thema angesprochen habe:
Die beiden Übersetzungen sind so verschieden, weil die ältere, die von Johann Heinrich Voß (1751-1826) stammt, versucht, die Versstruktur der Vorlage zu erhalten. (So hat Voß das auch bei seinen bis heute verbreiteten "klassischen" Übersetzungen von Homers Illias und Odyssee gemacht.) Da muss er dann zwangsläufig etwas zurechtmogeln, freier mit dem Text umgehen als die zitierte neuere Übersetzung, die wortgetreu sein will und die Versstruktur daher aufgibt. Doch auch abgesehen von diesem unterschiedlichen Ansatz liest sich eine Übersetzung aus dem 19. Jahrhundert zwangsläufig anders, "altmodischer". (So wie eben eine heutige Bibelübersetzung anders klingt als die von Luther.)
Wie schwierig es ist, zu übersetzen, sieht man ja nicht zuletzt an den verbreiteten Übertragungen der Texte Andersons. Wenn sie am Originaltext bleiben, lesen sie sich meist recht holprig, sobald sie freier mit dem Text umgehen, treffen sie den Tonfall des Originals oft besser, sind aber in Gefahr, den Inhalt ungenau wiederzugeben. (Dieser Hinweis kam jetzt gerade noch rechtzeitig, um die Platzierung dieses Themas im hiesigen Forum wenigstens einigermaßen zu rechtfertigen ...)
Und wiederum angesehen davon: Wissenschaft besteht auch erst einmal zu einem guten Teil aus Thesen und Spekulationen. Die werden dann bewiesen oder widerlegt oder (in den meisten Fällen) ignoriert und vergessen.