Andersons Songwriter-Anteil berechnet

Allgemeine Diskussion über Jethro Tull, Neuveröffentlichungen, etc. / General discussion about Jethro Tull, releases, etc.

Moderator: King Heath

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Jack Green
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Andersons Songwriter-Anteil berechnet

Beitrag von Jack Green »

Hallo!

Immer, wenn ich anderen Leuten die Signifikanz von IA für die Band Jethro Tull erklären möchte, sage ich so etwas wie: "Der hat ca. 98% aller Tull-Lieder geschrieben."

So, ich wollte es wissen, damit ich solche Aussagen zumindest für meine MA-Arbeit auch irgendwie fundieren kann. Habe also berechnet, wie es prozentual mit dem Songwriting-Anteil von IA bei Tull aussieht.

Vorgabe (um möglichst keine Unbekannten in die Rechnung mit einzubringen):
- Alle regulären Studioalben mit ihren ursprünglichen Songs werden berücksichtigt
- Keine Singles
- Keine speziellen Tracks auf Compilations, Box-Sets oder so (also Bonustracks, lost Tracks o.ä.), da man da leichter die Übersicht verliert, weil ja viel doppelt und dreifach vorkommt, außerdem ist nicht Vollständigkeit das Ziel, sondern eine repräsentative Prozentangabe;
- Allein die Songwriting-Credits im Textteil der jeweiligen Alben werden gezählt, nicht die Arrangement-Credits oder Sachen wie "Additional musical material by..."

Herausgekommen ist folgendes:

Bei 21 Studioalben, auf denen insgesamt 206 Stücke sind (TAAB und APP gelten jeweils als 1 Stück):

Anderson alleiniger Songschreiber: 178 (~86%)

Andere alleinige Songschreiber (Bandmitglieder, incl. Traditionals u.ä.): 12 (~6%)

Andere gemeinsam mit Anderson: 16 (~8%)

Anderson gesamt: ~185,4 (~90%)

Andere gesamt: ~19,4 (~9%)

Ich behaupte ab jetzt also durchaus fundiert, dass Anderson laut allgemein akzeptierten Informationen ungefähr 90% des grundlegenden Musikmaterials von Tull geschrieben hat.

Einwände?
Lieben Gruß
Jakob
Unisono
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Einwände

Beitrag von Unisono »

Sehr schön - aber: Mir scheint eine solche Berechnung aufgrund einiger Unwägbarkeiten zum Scheitern veruteilt zu sein.

So ist ja letztlich unklar, wie hoch der Anteil der Bandmitglieder am Arrangement und am Klang ist - zwei Faktoren, die im Sektor Rock als wesentlicher Teil des "Werks" anzusehen sind. (Die Reduktion auf Melodie + Gitarrengriffe in den einschlägigen Songbüchern hat keinen Werkcharakter.)

Außerdem gibt es Teile von Stücken, deren Autorschaft gar nicht korrekt angegeben ist. Dass die Einleitung zu "Locomotive Breath" von John Evan komponiert wurde, steht nach meiner Erinnerung nicht in der Primärquelle, also im Album, sondern erschließt sich nur aus sekundären Quellen, sprich diversen Interviews. Auch der Anteil von (damals noch David) Palmer wird oft mit "orchestral arrangements" nur ungenügend benannt. Nach seiner eigenen Aussage stammt ja beispielsweise die ganze Einleitungspassage von "Songs from the wood" von ihm.

Anderson hat zu verschiedenen Zeiten den Anteil der anderen Bandmitglieder recht unterschiedlich dargestellt. Vor 10 bis 20 Jahren hat er immer die Teamarbeit betont: jeder habe Ideen eingebracht, sein Song-Writing (wohl zu verstehen als Text + Melodie + Harmonie + Ideen zum Klang) wurde demnach in der Gruppe fortentwickelt. In den letzten Jahren dagegen stellt er fast ausschließlich seinen eigenen Anteil heraus. (Das mag damit zusammenhängen, dass wohl bei einem Stück wie TAAB2 der Eigenanteil dank Sibelius tatsächlich höher ist.)
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Dietmar
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Re: Andersons Songwriter-Anteil berechnet

Beitrag von Dietmar »

Na ja.... wenn man nicht gerade Erbsenzähler von Beruf ist, dann kann man die Gesamtaussage sicherlich so stehen lassen.... +/- 5% hätte ich auch aus dem Bauch heraus hinbekommen, ohne alle Alben durchzublättern..... :mrgreen:

Klar haben alle Musiker im Laufe der Jahre auch immer ihren "Input" an den finalen Produktionen gehabt - wäre auch schlimm, wenn's anders wäre.... aber auch das ändert nichts an der Kernaussage, dass Jethro Tull eigentlich immer das Produkt von IA und seiner Mi(e)tmusiker war (vielleicht mit Ausnahme des 68er Debut-Albums), und es mich insofern auch nicht pufft, ob er heutzutage mit dem Bandnamen, seinem eigenen oder einer Verschwurbelung aus beidem durch die Lande zieht. Das hat für IA auch allenfalls noch marketingtechnische Gesichtspunkte... :wink:
Whistling Catfish
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Re: Andersons Songwriter-Anteil berechnet

Beitrag von Whistling Catfish »

.......hihihihi. Ein "non-issue" par excellence! ;)

Natürlich ist das so! Das ist Ian's Band ...und das ist Ian's Musik. Und sagen das sagen auch alle die jemals mit ihm gespielt haben. Wenn man dass mal weiterführt: Was ist denn mit den ganzen tollen Musos die z. B. auf Rod Stewards, Joe Cockers.....oder um mal ein paar echte Songwriter zu nennen: Bruce Springsteens, Alice Coopers (haha), Leo Sayers, Neill Youngs, Peter Framptons, Peter Gabriels, Roger Waters' etc. etc. etc Platten gespielt haben. Was ist mit "The Beatles" ....alles nur Lennon/McCartney?....oder den Stones? I. d. R. kriegt niemand "Credits" für ein Solo....oder das Schlagzeug Arrangement...oder die Bass Linie. Was ich allerdings aus erster Hand weiss, ist das die Ex-Tullies insgesamt relativ zufrieden sind mit dem was da so an "Royalties" kommt............und diesbezügl. ist Onkel I. offensichtlich ein sehr fairer Zeitgenosse......Flo und Co. "schreiben" ihre Linien genauso selber, wie es z. B. die Jungs auf einem Madonna Album tun. Das liegt doch in der Natur der Sache, oder? Das Ian Anderson der einzige war, der dem Geschäft "Jethro Tull" in den letzten 45 Jahren sein Gesicht gegeben hat, ist ohnehin unbestritten. Und das er derjenige war, der den Karren überhaupt am Laufen gehalten hat,
wohl auch.

Die Karrieren der genialen Tullies an den den verschiedenen Instrumenten begann mit der Zusammenarbeit mit Ian Anderson......und sie endeten i. d. R. mit dem Ende derselben......zumindest als Performer oder signifikanter Komponist......oder etwa nicht???
I wish I was a Catfish, swimmin' in the deep blue sea....
Jack Green
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Re: Einwände

Beitrag von Jack Green »

Unisono hat geschrieben:Sehr schön - aber: Mir scheint eine solche Berechnung aufgrund einiger Unwägbarkeiten zum Scheitern veruteilt zu sein.

So ist ja letztlich unklar, wie hoch der Anteil der Bandmitglieder am Arrangement und am Klang ist - zwei Faktoren, die im Sektor Rock als wesentlicher Teil des "Werks" anzusehen sind. (Die Reduktion auf Melodie + Gitarrengriffe in den einschlägigen Songbüchern hat keinen Werkcharakter.)
Die Berechnung hatte klare Voraussetzungen, welche bei der Bewertung des Vorganges berücksichtigt werden müssen. Arrangements und einzelne Passagen anderer Musiker wurden bewusst nicht mit einbezogen. Das Ergebnis sagt nicht mehr und nicht weniger aus als dieses: Der Anteil von Ian Anderson an den Songwriting-Credits, welcher ihm in allen Alben-Credits zugesprochen wird.

Der Gedanke dahinter ist, dass die meisten Tull-Songs auch ohne jegliches Bandgefüge rein mit akustischer Gitarre und Gesang möglich sind, und dass die meisten auch auf diese oder ähnliche Weise auf die Welt gekommen sind. Was danach geschah, interessiert in diesem Kontext nicht, da zu diesem Zeitpunkt das Songwriting bereits abgeschlossen ist, alles andere ist Beiwerk. Dieses kann noch so wichtig für das Endprodukt sein, der Song (im Sinne der musikalischen Grundstruktur bzw. der einzelnen Basiselemente dieser) kann trotzdem schon vorher geschrieben worden sein.

Alle Probleme und Unbekannten in einer genaueren Berechnung des genauen Anteils jedes Musikers am gesamten musikalischen Werk, welche nicht nur schwierig, sondern schlicht unmöglich ist, sind mir klar.
Unisono
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Re: Einwände

Beitrag von Unisono »

Jack Green hat geschrieben:Der Gedanke dahinter ist, dass die meisten Tull-Songs auch ohne jegliches Bandgefüge rein mit akustischer Gitarre und Gesang möglich sind, und dass die meisten auch auf diese oder ähnliche Weise auf die Welt gekommen sind. Was danach geschah, interessiert in diesem Kontext nicht, da zu diesem Zeitpunkt das Songwriting bereits abgeschlossen ist, alles andere ist Beiwerk.
das ist eben die Frage: In welchem Maße gehört auch die "Instrumentation" untrennbar zum Ganzen? Ist eine Beethoven-Symphonie noch eine Symphonie, wenn man ein Klavier-Arrangement davon spielt? Ich denke, das "Werk" (wie wir Erbsenzähler sagen) ist das, was auf dem Album erscheint, das Songwriting ist nur die Skizze dazu.
Jack Green hat geschrieben:Alle Probleme und Unbekannten in einer genaueren Berechnung des genauen Anteils jedes Musikers am gesamten musikalischen Werk, welche nicht nur schwierig, sondern schlicht unmöglich ist, sind mir klar.
Ich wollte deine schöne Berechnung auch gar nicht miesmachen, sondern mit der Frage nach ihren Grenzen die der möglichen Ausweitung stellen: Es muss ja zu den einzelnen Liedern urheberrechtliche Vereinbarungen geben. Ian Anderson sagte mal in einem Interview, dass John Evan in jedem Jahr einen Scheck von ihm bekomme. Ich nehme an, dass es sich dabei um Tantiemen für Anteile an einzelnen Kompositionen handelt (fürs bloße Mitspielen müsste er ja wohl schon bezahlt worden sein). Auf welcher Basis das wohl berechnet wird?

Ich weiß, auf diese Frage gibt es auch keine Antwort.
Jack Green
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Re: Einwände

Beitrag von Jack Green »

Unisono hat geschrieben: Ich denke, das "Werk" (wie wir Erbsenzähler sagen) ist das, was auf dem Album erscheint, das Songwriting ist nur die Skizze dazu.
So sehe ich das auch.
Wotan
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Re: Andersons Songwriter-Anteil berechnet

Beitrag von Wotan »

Unisono hat geschrieben:das ist eben die Frage: In welchem Maße gehört auch die "Instrumentation" untrennbar zum Ganzen? Ist eine Beethoven-Symphonie noch eine Symphonie, wenn man ein Klavier-Arrangement davon spielt? Ich denke, das "Werk" (wie wir Erbsenzähler sagen) ist das, was auf dem Album erscheint, das Songwriting ist nur die Skizze dazu.

na ja, bei Beethoven ist das ziemlich klar. Er hat Note für Note geschrieben..Und somit sind s und bleiben es einzig und allein seine Werke.
In einer Rockband sieht das vielleicht ein wenig anders aus.

Wotan
-Zitat--- Wir sind aus solchem Stoffe, aus dem die Träume sind… Sinngemäß aus: „Der Sturm“, 4. Akt, 1. Szene / Prospero, William Shakespeare ---Zitatende---
Unisono
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Re: Andersons Songwriter-Anteil berechnet

Beitrag von Unisono »

Wotan hat geschrieben:In einer Rockband sieht das vielleicht ein wenig anders aus.
Eben! Genau darauf wollte ich ja hinaus: Der Songwriter-Anteil ist nur die musikalische Substanz. Am fertigen "Werk" aber ist hier das ganze Team beteiligt. Ob und in welchem Maße dieser Teil des Entstehungsprozesses urheberrechtlich (und tantiemenmäßig) Beachtung findet, weiß ich nicht.

Beethoven hat die Instrumentation natürlich selbst festgelegt. Dagegen stammt z.B. Musicals die Instrumentation meist von einem (bezahlten) Arrangeur, gleichwohl steht auf dem Theaterzettel nur "Musik von Irving Berlin" oder was auch immer. Steht nicht auch auf einzelnen Tull-Alben "Arrangement bei Jethro Tull"? Das müsste dann beim Anteilberechnnen einbezogen werden ...
Jack Green
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Re: Andersons Songwriter-Anteil berechnet

Beitrag von Jack Green »

Wird sicher auch. Zumindest habe ich es mir immer so vorgestellt, dass zum großen Teil genau nach diesen Angaben auf den Alben berechnet wird, wer welchen Anteil an was hatte.

In diversen Interviews sagt Martin Barre z.B., dass er es zwar schade findet, dass es keine Credits für Gitarrensoli gibt, aber dass diese auch nicht essentiell für den Song seien.
Unisono
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Re: Andersons Songwriter-Anteil berechnet

Beitrag von Unisono »

In dem langen Interview zu Beginn der Homo-erraticus-DVD spricht Anderson (beginnend etwas vor Minute 13) auch über den Anteil früherer Tull-Mitglieder an der musikalischen Substanz der Alben und die daraus folgenden "writing credits". Er nennt, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, explizit Songs from the wood (aka SFTW) als ein Beispiel für besonders viel "input". Ist recht aufschlussreich, der Passus.

Übrigens wird in den Interviews ganz nebenbei ein neues Album angekündigt, das bereits im Entstehen sei: Tull-Klassiker in neuen Arrangements mit Streichquartett.
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