In die Wälder...

Laß Dich über alles mögliche aus ...

Moderator: King Heath

Antworten
King Heath
Beiträge: 1815
Registriert: Fr Jan 13, 2006 4:43 pm

In die Wälder...

Beitrag von King Heath »

Wie bereits bemerkt bin ich nicht der riesige Musical Fan (Rockopern liebe ich selbstverständlich) und so war ich etwas angespannt, als mich meine Tochter letzte Woche in die Wälder bzw. Into The Woods schleifte. Ich dachte noch "immerhin Sondheim, der etwas andere Musicalkomponist" und ergab mich meinem Schicksal. Es war großartig! Deshalb an dieser Stelle meine wärmste Empfehlung, sich diesen Film im Kino anzusehen. Es lohnt sich. Die Handlung verbindet die Grimmschen Märchen Rotkäppchen, Rapunzel und Aschenputtel mit Jack and the Beanstalk (nicht Grimmsch, auch wenn's überall kolportiert wird) und setzt noch einen oben drauf. Komplett abgefahren und sehr, sehr komisch ohne albern zu werden. Große Kunst. Auch die Musik vermeidet zum größten Teil die musicaleigenen Stereotypen. Ist natürlich trotzdem Musical but with a twist. Oder tongue in cheek, wie's beliebt. 11 von 10 möglichen Sternchen.

KH
Jack Green
Beiträge: 1529
Registriert: Di Jan 02, 2007 10:45 pm

Re: In die Wälder...

Beitrag von Jack Green »

Komm grad aus dem Film, und bin nicht so sehr begeistert. Es waren ein paar lustige Sachen dabei, aber die Musik war für mich leider durchwegs eintönig und sehr vorhersehbar. Die Gründe für's Singen sind auch immer haarsträubender geworden (diese "was soll ich tun?" oder "wie soll ich mich jetzt fühlen"-Gesänge, die sich dann auch ziemlich ziehen). Das Ende hat mir auch überhaupt nicht gefallen, und die Tode kommen total unmotiviert aus dem Nichts und werden dann einfach von allen akzeptiert.

Ich find es schade, weil ich damit einen Einblick bekommen habe, wie tolles Märchenmaterial heutzutage verarbeitet wird. Hätte den Film sehr gerne gemocht, und er hatte auch einen gewissen Unterhaltungswert, aber die Durststrecken auf dem Weg überwiegen für mich dann doch.
King Heath
Beiträge: 1815
Registriert: Fr Jan 13, 2006 4:43 pm

Re: In die Wälder...

Beitrag von King Heath »

Jack Green hat geschrieben:Komm grad aus dem Film, und bin nicht so sehr begeistert.
Schade.
Jack Green hat geschrieben:Es waren ein paar lustige Sachen dabei, aber die Musik war für mich leider durchwegs eintönig und sehr vorhersehbar.
Das kann ich teilweise nachvollziehen, denn es ist so gewollt. Sondheim benutzt großzügig Techniken der Minimal Music und das finde ich sehr effektvoll. Natürlich hat das zur Folge, dass sich die Sachen wiederholen (und damit vorhersehbar werden), aber die hypnotische Wirkung finde ich faszinierend. Mir ging z.B. dieses wirklich blöde "I want to go to the festival" tagelang nicht aus dem Kopf.
Jack Green hat geschrieben:Die Gründe für's Singen sind auch immer haarsträubender geworden (diese "was soll ich tun?" oder "wie soll ich mich jetzt fühlen"-Gesänge, die sich dann auch ziemlich ziehen).
Kann es sein, dass Du eine synchronisierte Fassung gesehen hast? Ich hatte schon befürchtet, dass sich der Film nicht synchronisieren lassen wird. Im Original spielen alle Schauspieler ihre Rollen so, als wüssten sie (und natürlich das Publikum), dass es eben nur eine Rolle bzw. ein Märchen ist. Deshalb hat Sondheim diesen irrwitzigen Märchenkontext gewählt. Diese Art des "wissenden" Schauspiels hat etwas mit der Tradition der "Pantomime" (nicht Marcel Marceau an unsichtbarer Wand) oder kurz "Panto" zu tun, die in der Vorweihnachtszeit die britischen Kinder erfreut, ähnlich unseren Weihnachtsmärchen. Die Ironie des "was soll ich tun" oder "wie soll ich mich jetzt fühlen" liegt darin, dass sie keine Wahl haben. Der Verlauf der Geschichte und insbesondere von Grimm'schen und anderen Märchen ist in Erz gegossen.
Jack Green hat geschrieben:Das Ende hat mir auch überhaupt nicht gefallen, und die Tode kommen total unmotiviert aus dem Nichts und werden dann einfach von allen akzeptiert.
Wie soll ich es sagen ohne zuviel zu verraten (denen, die es noch nicht kennen)? Es gibt gewissermaßen ein Ende und noch eins. Vor dem ersten kann alles nur akzeptiert werden (siehe oben), danach bricht alles auf. Nicht dass jemand stirbt wird hinterfragt, sondern wessen Handlungen aus dem Teil vor dem ersten Ende, also aus den prädestinierten Märchen, zu diesen Konsequenzen geführt haben. Das in Stein gemeißelte "happy ever after" der Märchenwelt besteht den Realitätscheck nicht. Ich sage nur: "Bäckersfrau und Prinz".
Jack Green hat geschrieben:Ich find es schade, weil ich damit einen Einblick bekommen habe, wie tolles Märchenmaterial heutzutage verarbeitet wird. Hätte den Film sehr gerne gemocht, und er hatte auch einen gewissen Unterhaltungswert, aber die Durststrecken auf dem Weg überwiegen für mich dann doch.
Vielleicht gibst Du den Wäldern noch eine Chance, wenn die DVD mit Originalfassung erscheint. Es würde mich nicht wundern, wenn Du Deine Meinung bei einem zweiten Versuch änderst.

KH
Jack Green
Beiträge: 1529
Registriert: Di Jan 02, 2007 10:45 pm

Re: In die Wälder...

Beitrag von Jack Green »

Es wurden nur die gesprochenen Teile synchronisiert, die Gesänge mit Untertiteln versehen. Das hat allerdings erstaunlich gut funktioniert, das haben sie finde ich sehr gut gemacht (was ich nicht erwartet hatte).
King Heath
Beiträge: 1815
Registriert: Fr Jan 13, 2006 4:43 pm

Re: In die Wälder...

Beitrag von King Heath »

Jack Green hat geschrieben:Es wurden nur die gesprochenen Teile synchronisiert, die Gesänge mit Untertiteln versehen. Das hat allerdings erstaunlich gut funktioniert, das haben sie finde ich sehr gut gemacht (was ich nicht erwartet hatte).
Mit Synchronisation meine ich den gesprochenen Teil. Ich möchte Dein Urteil nicht in Frage stellen, aber der letzte gut synchronisierte amerikanische Film, den ich gesehen habe, stammt vermutlich aus den 1980er Jahren und die damaligen Synchronisationen waren auch schon sehr fragwürdig. Das ist ein leidiges Thema und ein sehr weites Feld. Heutzutage wird im Schnellverfahren mit Phrasen übersetzt und es sind immer die gleichen Sprecher. Das da mehr als einiges auf der Strecke bleibt, liegt auf der Hand. Eine gute Synchronisation braucht viel Zeit und noch mehr Geld. In den Anfangsjahren der Synchronisation ist man soweit gegangen, die deutschen Sprecher mit Schauspielern zu besetzten, die den englischen oder amerikanischen oder französischen oder italienischen Schauspielern ähnlich sahen, weil man vermutlich davon ausging, dass mit der deutschen Stimme auch ein bestimmtes Gesicht assoziiert wird. Erst vor kurzem habe ich eine merkwürdige deutsche SF-Serie aus den 1970ern im Fernsehen gesehen, in der der deutsche Synchronsprecher von Mr. Spock mitspielte. Was soll ich sagen. Der sah Leonard Nimoy ähnlich. Allerdings mit Bart. Spock's Beard gewissermaßen. OmU ist leider oft keine Alternative mehr. Auch die Untertitel leiden unter schnell und billig erstellten Übersetzungen. Da musste ich schon so manche haarsträubende Erfahrung machen. Es ist ein Dilemma.

Ein Beispiel noch zum Schluss: auf arte läuft zur Zeit eine neue englische Serie mit dem Titel "Peaky Blinders", die ich vor einiger Zeit auf DVD geschenkt bekommen habe. Die Serie handelt von einer kriminellen Bande in Birmingham kurz nach dem 1. Weltkrieg. In einer durch Klassen zerissenen Gesellschaft wie der britischen zu dieser Zeit spielen Akzente und Dialekte eine große Rolle, die die Handlung unterstreichen und einen Subkontext schaffen. Die kann man natürlich nicht übersetzen (ich erinnere an die deutsche Fassung von My Fair Lady mit Rex Harrison und Audrey Hepburn, in der Hepburns' im Original unsägliches Cockney durch Berlinern ersetzt wurde. Schauderhaft!) und Serien wie "Peaky Blinders" wird durch den Übersetzungsversuch eine ganze Erzählebene entzogen.

Fazit: ich wage zu bezweifeln, dass die ironischen Untertöne in "Into The Woods" eine deutsche Synchronisation überleben. Aber ich warte gerne die DVD ab und lasse mich eines Besseren belehren.

KH

P.S.: Na gut, nicht wie aus dem Gesicht geschnitten, aber eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden.

Bild

KH
Jack Green
Beiträge: 1529
Registriert: Di Jan 02, 2007 10:45 pm

Re: In die Wälder...

Beitrag von Jack Green »

Das Problem mit den Synchros kenne ich nur zu gut, und ich bin da eigentlich sehr bewusst oft am Vergleichen. Aber ich schau weder viele Serien, noch bin ich ein passionierter Filmschauer, daher bin ich grad bei einfachen Unterhaltungsfilmen da nicht so genau. Gerade ältere Komödien (z.B. Klassiker wie die Monty Python-Sachen oder so Geschichten wie Die Nackte Kanone) haben in beiden Sprachen ihre Plus- und Minuspunkte, wobei (kommt mir vor) damals noch sehr kreativ bei der Synchronisationsarbeit vorgegangen wurde. Sieht man auch bei einigen Spencer/Hill-Filmen.
King Heath
Beiträge: 1815
Registriert: Fr Jan 13, 2006 4:43 pm

Re: In die Wälder...

Beitrag von King Heath »

Jack Green hat geschrieben:Sieht man auch bei einigen Spencer/Hill-Filmen.
Ach ja, das Rainer-Brandt-Syndrom. Selbst von den eh schon witzig gemeinten Spagetthi Western von Enzo Barboni (aka E.B. Clutcher) wurde in den 1980ern nochmal eine noch witzigere Fassung gemacht. Wobei man bei Italo-Western natürlich grundsätzlich gar nicht von Synchronisation sprechen kann. Denn der Italo- war auch gleichzeitig fast immer ein Hispano-, Franco- (nein, nicht Nero) und Germano-Western. Internationale Co-Produktionen mit internationaler Besetzung und in den meisten Fällen sprach jeder Schauspieler seine Sprache, da eh nicht mit Originalton gedreht wurde. Leone ließ bei "Spiel mir das Lied vom Tod" schon beim drehen Morricones Filmmusik laufen, damit die Schauspieler in die von ihm gewünschte Stimmung kamen. Da hätte sich der Originalton sicher etwas seltsam angemutet.

Dass Synchronisationen funktionieren können zeigt sicherlich "Monty Pythons wunderbare Welt der Schwerkraft". Für die Zuschauer der Serie in GB war der Film eh nur ein Aufguss bekannter Sketche, aber für die Deutschen (inkl.icke) war die deutsche Fassung eine Offenbarung.

In diesem Sinne: "Ich wärrde diese Schollplotte niiicht kaufen, sie ist zärrkratzt!"

KH
Jack Green
Beiträge: 1529
Registriert: Di Jan 02, 2007 10:45 pm

Re: In die Wälder...

Beitrag von Jack Green »

Glaub, das wird hier in dem Forum nicht so oft verwendet, aber: LOL!

Ich hatte so etwas in dieser Richtung (nicht einheitliche Set-Sprache) schon mal aus irgendeinem Grund bei irgendwelchen Filmen vermutet, aber mich nie wirklich informiert. Da haben wohl früher einfach viel weniger Standards wie heute (?) existiert, und das macht dann eigentlich die echte Vielfalt aus, die ich bei heutigem Kino in der Regel vermisse.

Ich geh jetzt gleich ins Kino, schaue mir den neuen "Brenner"-Film mit Josef Hader ("Das Ewige Leben") an, und das waren immer schon Filme, die ich auch im Kino sehr genossen habe. Auf der einen Seite recht typische österreichische Produktion, in Bild und Ton recht ehrlich und schnörkellos, aber mit viel Sinn für das makabere Potenzial alltäglicher Szenerien und Orte. Und der Film spielt auch noch in meiner Heimatstadt, Graz, und mein treues Moped, die Puch DS50, hat auch eine wichtige Rolle. Es gibt wenig Filme in letzter Zeit, auf die ich mich wirklich freuen konnte, daher hat der Abend heute irgendwie was besonderes.
King Heath
Beiträge: 1815
Registriert: Fr Jan 13, 2006 4:43 pm

Re: In die Wälder...

Beitrag von King Heath »

Jack Green hat geschrieben:Ich geh jetzt gleich ins Kino, schaue mir den neuen "Brenner"-Film mit Josef Hader ("Das Ewige Leben") an, und das waren immer schon Filme, die ich auch im Kino sehr genossen habe. Auf der einen Seite recht typische österreichische Produktion, in Bild und Ton recht ehrlich und schnörkellos, aber mit viel Sinn für das makabere Potenzial alltäglicher Szenerien und Orte. Und der Film spielt auch noch in meiner Heimatstadt, Graz, und mein treues Moped, die Puch DS50, hat auch eine wichtige Rolle. Es gibt wenig Filme in letzter Zeit, auf die ich mich wirklich freuen konnte, daher hat der Abend heute irgendwie was besonderes.
Na dann viel Spaß. Der Film scheint ja ganz lustig zu sein. Läuft der auch in deutschen Kinos und hat es eigentlich Sinn, sich den Film im Original ohne Untertitel... na ja, mäßig komisch, wobei ich vor Jahren einen Film im TV gesehen habe, der im Wiener Milieu spielte und dem man senderseits Untertitel verordnet hatte. Zu recht. Wenn das Ohnsorg Theater mal im Originalton und nicht in der entschärften Version senden würde, gäbe es wohl notwendigerweise auch Untertitel.
King Heath redet Unfug hat geschrieben:Wobei man bei Italo-Western natürlich grundsätzlich gar nicht von Synchronisation sprechen kann.
Dieser Satz ist natürlich kompletter Blödsinn. Gerade bei meinen geliebten Spaghetti-Western muss man von Synchronisation bzw. Nachvertonung reden.

KH
Jack Green
Beiträge: 1529
Registriert: Di Jan 02, 2007 10:45 pm

Re: In die Wälder...

Beitrag von Jack Green »

Der Film war gut, aber lag für mich ein bisschen hinter den Erwartungen. Allerdings wurde mir gesagt, dass der Film sich sehr an das Buch hält (von Wolf Haas stammen die Brenner-Romane), also kann ich das nicht wirklich dem Film anlasten. Die bisherigen drei Brenner-Filme haben sich um ziemlich kranke Verbrechen in typisch österreichisch-morbider Weise gedreht, mit großem Ekelfaktor. Der aktuelle Film verfolgt viel mehr diverse Details aus Brenners früherem Leben, und behandelt kein wirkliches Verbrechen, sondern eher eine private Tragödie durch Dummheit, aus der dann in der Handlung diverse Morde passieren. Atmosphäre hat aber gut gepasst, ich denke ich kann den Film vor allem deswegen empfehlen. Das Haus, in dem Brenner zwangsweise hausen muss, hab ich z.B. ganz großartig in Szene gesetzt gefunden. Außerdem hat mich der Tobias Moretti wieder positiv überrascht, ein österreichischer Schauspieler, der auch kürzlich erst in "Das finstere Tal" eine sehr düstere, aber tolle Rolle gespielt hat (die witzigerweise auch mit Nachnamen Brenner heißt, seh ich gerade).

Ich bin eigentlich kein besonderer Freund des österreichischen oder deutschen Films, aber ein paar Ausnahmen gibt es, und die Reihe gehört dazu.
Antworten