New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

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Moderator: King Heath

Marengo
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von Marengo »

Whistling Catfish hat geschrieben: So Jan 30, 2022 9:56 pm Vllt. ist es aber auch ganz einfach so, das die "Geschichte der Welt" vllt. dann doch etwas viel für ein Rock'n'Roll Album und jemanden wie mich ist. Denn TAABII ist für mich deutlich besser gealtert als HE - zu dem ich EMOTIONAL gar keinen Zugang fand. Sondern nur INTELLEKTUELL....eventuell. ;) Hier auf "TZG" geht es ja vor allem um Menschen - und durchaus zeitgemäße Geschichten in Anlehnung an die Märchen der Bibel.....sodaß mir hier die emotionale Verbindung viel leichter fällt als z. B. bei "Pax Britannica" oder sowas......was ja nun thematisch nicht sonderlich ans Herz geht, schon gar nicht wenn man am Rande des Ruhrgebiets lebt........;)

AND-Festival, Marengo? Im August? Ein letztes Hoorah mit den Insel-Jungs? Du fährst...;).
Mein lieber Katzenfisch,

gestatte mir einige persönliche Anmerkungen. Ich freue mich wirklich sehr für Dich, dass Du Jethro Tull emotional wiedergefunden hast im Sinne einer persönlichen Relevanz von neuem Material. Ich hatte das ganze Wochenende so ein schönes, wohliges Gefühl, als hätte ich den Teddy aus meiner Kindheit beim Aufräumen des Kellers entdeckt. So muss es Dir doch auch gehen. Tull war seit 1976 für mich da. Ich habe neulich das Jacket, das ich bei meinen zweiten Staatsexamen trug, rausgekramt. Da war als Talisman noch der Catfish Rising Button dran. Das ist Tull für mich! Die einzig noch intakte Brücke in meine Jugend, die, wie Du weißt, schon ein paar Jahre zurück liegt. Und TZG mobilisiert all diese latent immer noch vorhandenen Emotionen. Du warst die letzten Jahre etwas entfremdet von den Wurzeln Deiner musikalischen Früherziehung, die 1989 in Köln begann. Das hat mir -für Dich- immer leid getan, da ich ja um Deine Passion und Liebe zu dieser Musik und auch zu IA weiß. Ich kann mich da ganz offen zu bekennen. TZG mobilisiert auf irgendeine wundersame und wunderbare Weise diese tief in uns verankerten Emotionen und legt sie frei. Dich berührt, dass Ian diesmal über Menschen und nicht über irgendwelche Ereignisse aus der englischen Geschichte singt. Mich auch und darüber hinaus holt mich dieser biblische Hintergrund gerade insoweit ab, als ich mich seit einiger Zeit mit meinem eigenen Glauben beschäftige. Glaube, Liebe, Hoffnung, davon ist auf TZG auch und ganz stark die Rede. Neben Verrat, Krieg, Hass, Vergeltung, Auge um Auge. Ein wirklich sehr berührendes Konzept. Diese große Thematik spiegelt die Musik bei allen kleinen Schwächen im Detail wieder. Schön, dass ich meinen Bruder im Geiste und langjährigen Weggefährten wiedergefunden habe. Wir werden uns sicher im Sommer sehen. Aber Du fährst. :lol: :lol: :lol:
Whistling Catfish
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von Whistling Catfish »

Schön, dass ich meinen Bruder im Geiste und langjährigen Weggefährten wiedergefunden habe.
„What would one be without the other?
What would one be without the tale?
Dark narrative of grave and passion,
head on platter, cross and nail.“

:wink:
Das hat mir -für Dich- immer leid getan, da ich ja um Deine Passion und Liebe zu dieser Musik und auch zu IA weiß. Ich kann mich da ganz offen zu bekennen. TZG mobilisiert auf irgendeine wundersame und wunderbare Weise diese tief in uns verankerten Emotionen
„Be it love of spirit, of brothers, lovers, sons or blood heat emotion, burning lava, bright it runs….

I‘ll take what‘s offered - made bold and manifest.“
Zuletzt geändert von Whistling Catfish am Mo Jan 31, 2022 9:37 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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Whistling Catfish
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von Whistling Catfish »

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Ralph Weber
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von Ralph Weber »

Das Cover-Artwork ist hier ja auch schon zur Sprache gekommen.
Ich kann zwar nicht mit euren Super-Vinylboxen mithalten, habe nur die CD, aber auch die sollte ja eine gültige Ausgabe sein. Bevor ich mir die Musik überhaupt anhöre – und darauf freue ich mich – möchte ich ein paar Gedanken zum Cover teilen.
Nur Gernot Hassknecht wäre der Aufgabe gewachsen, Cover und Artwork angemessen zu würdigen. Ich will es aber doch versuchen, wenn mir auch ein wenig die Worte fehlen. In der Tat verkündet das Cover ausschließlich die finstere Seite der Emotionen und keinesfalls auch die guten, von denen Ian in Interviews redet. Ian Anderson-Portraits gab es schon auf vielen Tullplatten, aber ein so mieses noch nie; auf der Vorderseite noch hässlicher als er an sich schon ist, auf der Rückseite verbissen seine Nummern im Blick. OK, aber, warum dann auf den Innenseiten noch weitere Anderson-Portraits? War dies nicht ein Jethro Tull-Album? Wo du auch hinschaust, im Cover oder im Heft: große Anderson-Portraits. Noch eins und noch eins und noch eins. Das pure Gegenteil des Bandgedankens. Kein Bandfoto… Dies ist das erste Jethro Tull-Album seit 18 Jahren (haha..), und kein Bandfoto?? Nur ein paar Minifotos von Sessionspielern, die hinter Notenständern in einer Studio-Tristesse hocken, und selbst hier noch ein extra großes Andersonfoto oben drüber geklebt. Und dann: sein Name unter den Musicians als einziger fett gedruckt! Das gab es ja überhaupt noch nie! Was ist mit ihm los? Geht mit der Wiederbenutzung des alten Bandnamens im Gegenzug eine noch engere Fokussierung auf sich selbst einher? Also zwei gegenläufige Entwicklungen auf einmal? Wie müssen sich diese Mitspieler, die ja tatsächlich schon ewig mit ihm unterwegs sind, eigentlich fühlen, wenn sie dieses Machwerk zu sehen bekommen, sich derart marginalisiert sehen?
Der Einband von dem Heft ist in Farbe, also wie ein Lichtblick. Ich interpretiere die beiden Fotos mal so, dass die Vorderseite die schöne, erhebende, uplifting Seite der Religion, der positiven Emotionen, die sie beherbergt, illustriert, wogegen die Rückseite zeigt, was die negativen Emotionen, eben die Zeloten-DNA, imstande ist, dem Menschen anzutun. Es stößt mir aber sehr auf, das Anderson hier unvermittelt eine Kreuzigungsgruppe als Illustration in einem Rockmusikheftchen gebraucht. Das ist dasselbe wie Trump, als er aus unerfindlichen Gründen vor eine Kirche latschte und eine Bibel in die Kamera hielt: jemand, dessen Verbindung zum Christentum eher lose ist, der aber trotzdem dessen Ausdrucksmittel zur Hand hat, wenn es ihm passt; der ohne eigentliche Beziehung doch frei darüber verfügt.
Es ist gut, dass Ian Anderson über viel Selbstbewusstsein und Hang zum Rampenlicht verfügt, aber mit diesem Cover-Artwork ist die Grenze zum Narzissmus überschritten.
Und dann noch zu den Filmen. Es wird ein hartes Stück Arbeit sein, diese bescheuerten Filme aus dem Kopf zu kriegen. Dieser Scherenschnitt-Quatsch, Licht und Schatten über Papiermännchen, die wie die Mumien von Palermo in der Gegend stehen; das Gefummel und Gegriffel mit dieser ekelhaften Puppe, grausam, penetrant, billig. Und dann diese wilde Jagd der Spermien. Das ist ja wohl das allerletzte! Dass die Zeloten-DNA sich durch Spermien vererbt, dass Gene durch Spermien weitergegeben werden - das ist irgendwie ein letzter Nachhall prüder Sexualkunde der Sechziger. Andersons alte Furcht vor Überbevölkerung im Gewande der Spermophobie.
Mir fällt auf, dass im Zuge des Schreibens der Verriss viel milder ausfällt als ich es vorher im Kopf hatte; liegt vielleicht daran, dass der musikalische und gedankliche Inhalt des Albums doch, auch ungehört, schon wirkt.
Also auf zum Hören – kann ich aber auch erst in ein paar Tagen.
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von Whistling Catfish »

😂😂😂 Geil! Diese Ironie ist unbezahlbar!

Spoiler: Die Kreuzigungsgruppe ist im Booklet weil mind. zwei (eigentlich 3) der Songs sich mehr oder weniger direkt auf den Lattenjupp (to his friends) beziehen und einer auf seine Mutter und seine Tante.

Steht nicht auch irgendwo etwas von Büchern, Einband und Wertung?

Carrying the zealot gene……
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besi
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von besi »

Da bin ich aber ziemlich spät dran, mich zum Album zu äußern.
Ich würde auch viel lieber mit Jogi und Thomas in einer persönlichen Runde d´rüber schwelgen...
Als erstes was ganz wichtiges:
Wenn in meinem Fall, und das gilt für alle Musikveröffentlichungen, ein neues Album nicht gleich zündet, wird es schwierig, später dann doch noch den Zugang zu finden. Aber hier hat es das getan. Schon im ersten Durchgang war ich total angetan.
Aber ich werde hier auf die Schnelle nicht auf Details eingehen, da mir das Schreiben in solchen Fällen irgendwie nicht leicht fällt.
Jedenfalls hätte ich mich an Laufi orientieren sollen, vor der Veröffentlichung die vorab zur Verfügung gestellten Songs nicht übers Internet anzuhören. Denn nun, über die HiFi-Anlage mit dem ensprechenden Medium, klingen auch diese drei Songs sowohl musikalisch als auch tontechnisch entsprechend.
Natürlich habe ich mir die große Box zugelegt und allein das Auspacken war wie immer aufgrund der tollen Haptik erhebend.
Der begleitende Single Malt tat sein übriges...
Zwei Sachen muss ich noch bezüglich der Aufmachung lobend erwähnen:
Die Slipmat als Unterlage für die Platten auf dem Plattenteller ist eine willkommene Beigabe. Das Design gefällt mir so gut, dass ich behaupten möchte, dass das ein wesentlich besseres Cover für das Album gewesen wäre...
Des weiteren freue ich mich als Gitarre Spielender sehr über die abgedruckten Akkorde zu den Songs.
Das gab es, glaube ich, so noch nie.
jan.gast
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von jan.gast »

's Cover Foto (an dem sich hier die ernsten und ironischen Geister scheiden) mit etwas mehr Kontrast
JG

Bild

Quelle: das oben schon verlinkte feature unter https://www.loudersound.com/features/th ... ealot-gene / Image credit: Press
mart
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von mart »

Wie man sieht, teilen sich auch jetzt wieder die Meinungen. Das sei jedem erlaubt. Und der Wiederspruch zwischen dem Anspruch „Bandalbum“ und dem Cover fällt natürlich sofort ins Auge. Trotzdem finde ich das Cover passend und auch mutig - im positiven Sinn. Er gibt mit diesen Songs sein eigenes, persönliches Statement ab, ich glaube aber nicht, daß er irgendjemandem etwas aufzwingen will. Daher macht das harte Portraitfoto Sinn, ebenso die harten Kontraste. Nicht, weil er selber alles schwarz-weiß sieht, sondern weil ihm die Extreme Angst machen oder zumindest sehr beschäftigen. Es soll nicht heißen, daß es für ihn keine Grautöne dazwischen gibt. So verstehe ich es jedenfalls. Deshalb empfinde ich das Cover als durchaus passend. Schön soll es wohl gar nicht sein. Daß es so natürlich eher wie ein Solo-Album aussieht sehe ich auch.
Auf jeden Fall polarisiert es - womit es dann doch wieder passt, oder ?
Whistling Catfish
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von Whistling Catfish »

jan.gast hat geschrieben: Di Feb 01, 2022 3:16 pm 's Cover Foto (an dem sich hier die ernsten und ironischen Geister scheiden) mit etwas mehr Kontrast
JG
Schon besser, finde ich. Schön scary. ;) Meine Frau hat gesagt, das JPC die Box mittlerweile zuhause abgeliefert hat. Mal schauen wie es da so wirkt. Auf dem Digipack jedenfalls sieht es sehr bescheiden aus. Die rechte Seite ist komplett rabenschwarz (nicht mal das Auge kann mehr sehen).
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jan.gast
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von jan.gast »

Whistling Catfish hat geschrieben: Di Feb 01, 2022 4:02 pm Auf dem Digipack jedenfalls sieht es sehr bescheiden aus. Die rechte Seite ist komplett rabenschwarz (nicht mal das Auge kann mehr sehen).
Für die diversen Frontcover ist leider eine überarbeitete Fassung verwendet worden (soll vielleicht Absicht sein – eine gute ist es dann nicht), die rechts halt keine Kontraste mehr besitzt, da gibt es - glaube ich - keinerlei Unterschiede: 2CD/BD Ausgabe ist es identisch.
Wo dieses Foto eigentlich herkommt (es ist offenbar die Basis für die Cover-Adaptionen, bei denen alle Konturen zusätzlich hart freigestellt und auch sonst allerlei zusätzliche Retuschen durchgeführt wurden), ist ansich unklar, denn auf der JT Website in der Rubrik Presse ist es nicht, die Firma InsideOut (D) streut es auch nicht.

JG
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besi
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von besi »

Auf dem Cover der Deluxe Box ist es auch kontrastlos schwarz.
Lutz
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von Lutz »

Anders als bei allen Tull/Anderson-Scheiben zuvor, wollte ich "The Zealot Gene" erst einmal in Ruhe mehrmals(!) auf Spotify anhören, bevor ich es online in einen Warenkorb packe würde. Einerseits hatten mich die zuvor ausgekoppelten Singles nicht überzeugt, andererseits war ich dankbar, nicht zu voreilig mir die aktuellen Alben von anderen Bands wie Yes, Caravan oder Deep Purple bestellt zu haben. Diese hätte ich früher noch blind gekauft...

Nun habe ich mir mehrmals das Fanatiker-Gen in den letzten Tagen in Ruhe angehört. Und das war gut so, denn mein Eindruck nach dem ersten Durchhören war recht enttäuschend und ähnelte ziemlich dem von Unisono.
Aber ich hab dem Album noch einige Chancen gegeben und nun auch meine abschließende Meinung hierzu:

>Mrs. Tibbets<
Für einige im Forum ist der Opener ein Highlight des Albums; dem kann ich mich nicht anschließen. Dafür für finde ich die Gesangslinien bei Strophe und Refrain zu einfallslos. Gerade bei letzterem werden bei der Hälfte und am Schluss wieder mal die üblichen drei sattsam bekannten, aufsteigenden Töne gesungen, die bei Anderson mittlerweile Standard-Gesangs-Phrase sind. Auch der nicht gerade originelle Groove mit Dum-Schack-Dum-Schack-Schlagzeug und entsprechender Bass-Begleitung sowie die gelegentlich eingeworfenen Akkorde der Rhythmus-Gitarre lösen nicht gerade Begeisterung bei mir auf. Am schlimmsten finde ich aber die Synthi-Strings, die den Song flächig wattieren, wie in den 80gern. Und selbst die wenigen Instrumentalparts nach dem zweiten Refrain und am Schluss bestehen aus den typischen bekannten Tull/Andersonschen Versatzstücken. Einen rockigen originellen Einstieg stelle ich mir anders vor...

>Jacob's Tales<
Bluegrass-Folk mit toller Mundharmonika und A-Gitarre und schöner Gesangsmelodie in der Strophe, wobei der Refrain etwas abfällt, aber insgesamt ein gelungener Song, der auch zwischen "This Was" und "Stand Up" hätte erscheinen können.

>Mine Is the Mountain<
Dramatischer, spannungsvoller Aufbau mit klassischen Piano und überzeugenden Gesang - bis auf die gelegentlichen Einwürfe mit dünner, jammernden Kopfstimme. Doch wenn das Delay des Doublers vom Gesang genommen wird, klingt Andersons Gesang in dieser Abmischung plötzlich matt und kraftlos, wie zwischen Minute 4:00 und 4:19, was durch das plötzlich Fehlen einer ausgeprägten Raumatmung auch noch besonders auffällt. Doch bis auf diese Schwäche im Mix ist es eine gute, abwechslungsreiche, interessant arrangierte Komposition, die sogar als einzige Prog-Charakter aufweist.

>The Zealot Gene<
Ich hatte von dem Song vorab eine wenig überzeugende Live-Version auf Facebook gehört und ihn als banalen Schunkel-Mitklatsch-Song abgeheftet. Aber nach ein paar Mal Hören im guten Sound, muss ich zugeben, dass sich mir die anfangs etwas dödlig erschienende Gesangsmelodie mittlerweile erbarmungslos als Ohrwurm in meine Gehörgänge gekrallt hat. Nun finde ich den Titeltrack gut. Allerdings erschließt sich mir nicht der Sinn des kurzen Intros und Outros mit der üblichen Stakkato-Flöte, die ja mittlerweile so oder so ähnlich auf vielen Tull/Anderson-Stücken zu finden ist (wie beispielsweise beim Song zuvor...). Hier klingen Intro und Outro einfach nur rangeklatscht, weil sich nichts davon im eigentlichen Song wiederfindet.

>Shoshana Sleeping<
Als ich den Song als Vorab-Single hörte, fand ich ihn mit dem zum Sprechgesang tendierenden Vocals auf die Dauer zu langweilig. Aber auch hier hat sich meine Meinung nach mehrmaligen Hören geändert. Nun stört mich die Monotonie des Gesangs nicht mehr und dieses schräge, marschierende Flöten-Thema hat schon was Groteskes. Merkwürdiger, aber guter Song.

>Sad City Sister<
Exzellent arrangierter Folk-Song mit schönen Flötenthemen. Der Gesang ist dagegen nicht ganz so originell. Aber dennoch, netter Song.

>Barren Beth, Wild Desert John<
Stilistisch recht unterschiedlich unterteilter Song: Schönes Folkintro (erinnert mich an "Pan Dance"), rockige rifflastige Strophen, Refrain mit Weihnachtslied-Charakter. Passt aber trotzdem.
Nur die wiederholten Worte in den Strophen sind wieder mal zu matt und leise geraten, klingen wie bei einer Demo-Aufnahme und nehmen dem Part den Biss.

>The Betrayal of Joshua Kynde<
Hier wirkt nun der komplette Gesang zu matt und zu leise, als ob das Ganze für Anderson zu tief eingesungen wurde.
Sonst ein gelungener, relaxter Song mit fast jazzig-swingendem Groove, hätte auch auf "Benefit" verortet sein können.
Übrigens klingt das Schlagzeug beim Intro mit seinem schlichten Drumlauf, der kurz darauf noch einmal exakt genauso wiederholt wird, wie von einem ambitionierten Schlagzeugschüler nach drei Monaten Unterricht gespielt.

>Where Did Saturday Go?<
Schönes, akustisches Kabinettstückchen in bester Tradition Tullscher Akustikgitarrensongs aus den 70ern - mein Highligt des Albums.

>Three Loves, Three<
Auch ein netter Folk-Song.

>In Brief Visitation / The Fisherman of Ephesus<
Selbst nach mehrmaligen, aufmerksamen Hören wollen mir die beiden Songs nicht gefallen. Zu beliebig sind mir die melodischen Themen. Die folk-rockigen Zutaten stimmen, aber das Ganze plätschert für mich ziellos vor sich hin.

Die meisten Songs finde ich recht gelungen, auch wenn das Album für mich nicht an die Tullschen Meisterwerke bis 1980 heranreicht. Doch in Ära der Tull/Anderson-Alben nach 1985 belegt es bei mir die vorderen Plätze.

Der Stereo-Mix klingt auf den Spotify-Files mit bester 320Kbps Ogg-Vorbis-Komprimierung bis auf die oben erwähnten Mängel bei einigen Gesangsparts recht ausgewogen. Komisch, dass diese Anderson, der ja den Stereo-Mix durchführte, beließ.
Auch ich finde das Cover - zumindest was das Front- und Backcover-Foto der CD betrifft, die ich bislang im Internet anschauen durfte, sehr unglücklich, wobei ich das Seiten-Portrait noch abstoßender finde. Außerdem passen die Fotos so gar nicht zur Musik. Iggy Pop würde ich so etwas für ein punkiges Alterswerk zutrauen oder irgend einer Hardcore-Band. Aber die Musik auf "The Zealot Gene" klingt überwiegend warm und teilweise fröhlich, manchmal auch etwas feingeistig, zuweilen auch ungewöhnlich, aber überhaupt nicht aggressiv. Ganz ehrlich, ein wütendes Album stelle ich mir anders vor! Nun singt Anderson auch nicht ansatzweise so dreckig wie auf "Aqualung" oder "Crosseyed Mary". Diese Zeiten sind lange vorbei. Auch wenn er sich auf dem Album gesanglich wacker schlägt, hört man doch seine stimmliche Limitierung, besonders wenn der Mix dies zuweilen schlecht kaschiert. "The Zealot Gene" sollte ja ein "Rockalbum" werden, aber richtig rockig ist es nicht ausgefallen, da fehlt der entsprechende Druck in den Arrangements. Das einzige Mal, dass ich wirklich rockiges Tull-Feeling verspürte, war bei "Barren Beth, Wild Desert John" zwischen Minute 1:56 2.13 beim E-Gitarrensolo (leider nur für 17 Sekunden...). Dass erinnerte tatsächlich noch an gute alte Zeiten mit Martin Barre. Symptomatisch für den fehlenden Punsch, ist auch, dass gerade bei diesem rockigen Teil John O'Hara wieder Synthi-Steicher spielt! Mit einer angezerrten Hammond á la John Evan(s) würde es weitaus mehr rocken. Diese fehlt als ganz wichtiges Stilmerkmal der 70er-Tull auf dieser Produktion leider völlig. Da hätte ich mir wesentlich lieber statt John O'Hara einen Andrew Giddings an den Tasteninstrumenten gewünscht, der ist großartiger Rock-Keyboarder und nicht nur ein verkappter Pianist. Und auch Scott Hammond an den Drums halte ich für ein unglückliche Wahl. Bereits auf STAAB2 fand ich sein Spiel nicht gerade einfallsreich.
Aber letztendlich ist die Besetzung nur die bisherige umetikettierte Ian Anderson Band. Damit habe ich grundsätzlich kein Problem, aber leider hat diese Besetzung nicht das Niveau, der früheren Jethro Tull lineups, egal welcher (den Meister natürlich einmal ausgenommen, obwohl vom Gesang her gesehen...)

Wie auch immer, nach einigen Ehrenrunden habe ich mich mit dem Album angefreundet und das Mediabook soll am Donnerstag geliefert werden. Dann werde ich mir mal in Ruhe den Surround-Mix vorknöpfen. Ich bin ja schon von Laufi vorgewarnt - und auch von jan.gast bezüglich des Mediabooks. Für das Gebotene finde ich den Preis von knapp 50 Euro auch sehr happig, gerade wenn ich Ausstattung und Preis mit den Mediabook-Ausgaben der Tullschen 40th anniversary edition vergleiche. Wahrscheinlich würde auch nur die normale CD reichen. Da kann ich den Tull-Fan im tiefsten Innern nicht verleugnen – und das Mediabook passt auch besser zu der Tullschen 40th anniversary edition! :mrgreen:
jan.gast
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von jan.gast »

Lutz hat geschrieben: Di Feb 01, 2022 5:38 pm (...)
Auch ich finde das Cover - zumindest was das Front- und Backcover-Foto der CD betrifft, die ich bislang im Internet anschauen durfte, sehr unglücklich, wobei ich das Seiten-Portrait noch abstoßender finde. Außerdem passen die Fotos so gar nicht zur Musik. Iggy Pop würde ich so etwas für ein punkiges Alterswerk zutrauen oder irgend einer Hardcore-Band. Aber die Musik auf "The Zealot Gene" klingt überwiegend warm und teilweise fröhlich, manchmal auch etwas feingeistig, zuweilen auch ungewöhnlich, aber überhaupt nicht aggressiv. Ganz ehrlich, ein wütendes Album stelle ich mir anders vor! Nun singt Anderson auch nicht ansatzweise so dreckig wie auf "Aqualung" oder "Crosseyed Mary". Diese Zeiten sind lange vorbei. Auch wenn er sich auf dem Album gesanglich wacker schlägt, hört man doch seine stimmliche Limitierung, besonders wenn der Mix dies zuweilen schlecht kaschiert. "The Zealot Gene" sollte ja ein "Rockalbum" werden, aber richtig rockig ist es nicht ausgefallen, da fehlt der entsprechende Druck in den Arrangements. Das einzige Mal, dass ich wirklich rockiges Tull-Feeling verspürte, war bei "Barren Beth, Wild Desert John" zwischen Minute 1:56 2.13 beim E-Gitarrensolo (leider nur für 17 Sekunden...). Dass erinnerte tatsächlich noch an gute alte Zeiten mit Martin Barre. Symptomatisch für den fehlenden Punsch, ist auch, dass gerade bei diesem rockigen Teil John O'Hara wieder Synthi-Steicher spielt! Mit einer angezerrten Hammond á la John Evan(s) würde es weitaus mehr rocken. Diese fehlt als ganz wichtiges Stilmerkmal der 70er-Tull auf dieser Produktion leider völlig. Da hätte ich mir wesentlich lieber statt John O'Hara einen Andrew Giddings an den Tasteninstrumenten gewünscht, der ist großartiger Rock-Keyboarder und nicht nur ein verkappter Pianist. Und auch Scott Hammond an den Drums halte ich für ein unglückliche Wahl. Bereits auf STAAB2 fand ich sein Spiel nicht gerade einfallsreich.
Aber letztendlich ist die Besetzung nur die bisherige umetikettierte Ian Anderson Band. Damit habe ich grundsätzlich kein Problem, aber leider hat diese Besetzung nicht das Niveau, der früheren Jethro Tull lineups, egal welcher (den Meister natürlich einmal ausgenommen, obwohl vom Gesang her gesehen...)
(...)
Vielen Dank, sehr treffende Einschätzung (auch was die einzelnen Stücke betrifft), die ich fast 1:1 unterschreiben kann. Hab's jetzt auch mehrmals mit ›goodwill‹ gehört, finde einiges sehr gelungen, anderes (das meiste) nicht. Flötenspiel durchweg sehr gut, vornehm, leicht - insofern volle Zustimmung, was den irritierenden Widerspruch zur Aufmachung betrifft. Alles in allem, ich muss es leider so einschätzen: es packt mich nicht. Ob sich dieses Gefühl mit noch weiteren Hör-Durchläufen ändern wird? Ich bin nicht sicher...

JG
Kwyjibo
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von Kwyjibo »

Kurzer Radiobeitrag bei WDR 4

https://www1.wdr.de/radio/wdr4/musik/al ... k-100.html

Lied lief auch um 18:42
mart
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Re: New „Jethro Tull“ Album - The Zealot Gene

Beitrag von mart »

Zweifellos hätte man an diesem Album vieles besser machen können, mehr als an jedem Album zuvor. Doch dahinter verbergen sich Songs, die sich zu entdecken lohnen. Versucht’s mal unter diesem Aspekt. Es lohnt sich. Hat auch nichts mit rosaroter Brille zu tun… Man tut dem Album Unrecht, wenn man sich nur auf das konzentriert, was man besser hätte machen können.
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