Barlow

Allgemeine Diskussion über Jethro Tull, Neuveröffentlichungen, etc. / General discussion about Jethro Tull, releases, etc.

Moderator: King Heath

Nicht der Ian
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Beitrag von Nicht der Ian »

Laufi hat geschrieben: Gibt es Zeitzeugen, die ein bischen was über die 1976er Konzerte erzählen können? Was ging wie ab, etc. Anyone? Liebe "alten Säcke", erzählt nem Jungspund mal, wie die "glory days" so waren, würde mich brennend interessieren :-).
So was kann man nur höchst unzulänglich beschreiben, so was muß man erlebt haben, dank der Gnade der frühen Geburt.

Geht heute auf ein Ärzte- oder ich weiß nicht was fürn Konzert einer Band, die absolut "in" ist. Die Stimmung wie sie dort ist, war genauso damals (weil die heutigen Studienräte noch Studenten waren .. :lol: ). Während heute eher der Anspruch auf das konzertante/künstlerische im Vordergrund steht, war es früher rockiger, lebhafter, lauter und die Stimme natürlich kräftiger.
Whistling Catfish
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Beitrag von Whistling Catfish »

Nicht der Ian hat geschrieben:Während heute eher der Anspruch auf das konzertante/künstlerische im Vordergrund steht.....
Da sagst Du aber mal was sehr wahres und interessantes. Das kann ich ohne Vorbehalt unterschreiben, daß eben heutzutage genau dieser konzertante Anspruch ganz oben steht. Und ganz ehrlich, mir ist das sogar sehr recht.

Ich gehe ja nebenher noch auf dies oder das andere Konzert von unterschiedlichen Leuten, die noch immer diese Rock'n'Roll Attitüde fahren (...und deren musikalisches Werk auch zugegebener Maßen nichts anderes zulässt) und muss an mir feststellen, daß mir dieses ganze Remmidemmi und "noise & lights" Gedönse mittlerweile auf Dauer eher auf den Wecker geht, als das es mich noch nachhaltig begeistert. Oder sagen wir besser ich finde z. B. einen rockigen Abend mit meinetwegen Alice Cooper, Dream Theater oder was weiss ich wem nach wie vor fein und spaßig, aber in gewisser Art und Weise auch unbefriedigend. Weil mir viel zu viel Wert auf Äußerlichkeiten und Attitüde gelegt wird. Da lob' ich mir doch einen schönen, konzertanten Vortrag, der über die Konzertdauer moduliert wird, wo man die Feinheiten oder meinetwegen auch kleinen Unzulänglichkeiten heraushört und die man dann für sich allein, oder auch in einem derartigen Forum schön erörtern kann. Bei den meisten richtig lauten Konzerten, mit viel Pulverdampf und wo es hauptsächlich nur noch auf die sprichwörtliche 12 geht, bleibt mir mittlerweile zu viel vom wesentlichen auf der Strecke.....(obwohl es zwischendurch immer noch Spaß macht... :wink: )

....ich werd' womöglich langsam alt.....oder weise....lach!

Viele Grüße,
J.
I wish I was a Catfish, swimmin' in the deep blue sea....
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Carsten
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Beitrag von Carsten »

Nicht der Ian hat geschrieben:
Laufi hat geschrieben: Gibt es Zeitzeugen, die ein bischen was über die 1976er Konzerte erzählen können? Was ging wie ab, etc. Anyone? Liebe "alten Säcke", erzählt nem Jungspund mal, wie die "glory days" so waren, würde mich brennend interessieren :-).
So was kann man nur höchst unzulänglich beschreiben, so was muß man erlebt haben, dank der Gnade der frühen Geburt.

Geht heute auf ein Ärzte- oder ich weiß nicht was fürn Konzert einer Band, die absolut "in" ist. Die Stimmung wie sie dort ist, war genauso damals (weil die heutigen Studienräte noch Studenten waren .. :lol: ). Während heute eher der Anspruch auf das konzertante/künstlerische im Vordergrund steht, war es früher rockiger, lebhafter, lauter und die Stimme natürlich kräftiger.
Alta Sack berichtet:

Da Tull 76 nur drei Doitschland Konzerte gemacht haben, musste ich (16 Jahre jung und im Vollbesitz meiner Matte) von meinem ersparten Taschengeld nach Hamburch ins CCH. Wer das CCH kennt weiß, dass dort Konzerte noch nie wie bei einem Konzert der besten Band der Welt (natürlich aus Berlin: Ärzte) waren oder jemals sein werden. Also: es wurde gepflegt im Sessel konsumiert. Ich teile auch nicht die Ansicht von anderen alten Säcken, dass die Konzerte damals von der Publikumseite mehr abgingen. Im Gegemteil, es waren immer bestuhlte Konzerte (auf Ian's Wunsch), meist mit nummerierten Plätzen. Stimmung kam da selten auf, sollte wohl auch nicht. Man sollte andächtig lauschen. Aufstehen strrääängstens untersagt!!!

Was die musikalische und optische Darbietung angeht, feuerten sie damals allerdings wirklich meist aus vollen Rohren.

Zum eigentlichen Event HH 1976:

Ich war natürlich, wie damals immer, begeistert. Doch: Nach der Brick Tour 73 und Warchild Tour 75 fiel das 76er Konzert deutlich ab. Zum ersten empfand ich das Fehlen von Jeffrey als ziemlich schmerzlich. Er war einfach ein optischer Höhepunkt in der verschrobensten Manier. Ich glaube er hatte auch auf die anderen Tulls eine sehr inspirierende Wirkung, wenn auch nicht unbedingt ausschließlich musikalisch. John Glascock wirkte dagegen für mich sehr blass und irgendwie "Mainstream". Wie man sich halt einen normalen Rockmusiker vorstellt. Und genau dieser Vorstellung widersprachen Tull sonst immer, was auch ihre Faszination ausmachte.

Machte einen 1973 die Brick Performance einfach durch die Komplexität und den damals in unseren Breitengraden recht unbekannten Monty
Python-mäßigen Quatsch sprachlos, knallte einem 1975 der wahnsinne Sound, das neue Outfit und die Showeinlagen (Steich Quartet, Jeffreys Zebra Einlagen, Bunny Assistentin Shona, Bomben, Rauch etc.) die Birne weg.

1976 kam Ian (bis auf Lederjacke bei 2old2) im gleichen Outfit wie 75 auf die Bühne, die Songs waren mehr eine normale Abfolge aus alt und neu und nicht so verschroben verschachtelt wie in den Jahren zuvor. Optisch und showmäßig hielt sich das auch sonst in Grenzen. Kleine Gags waren Ian's Gitarre im Kinderwagen und der Wagen mit den Konsumgütern (Staubsauger, TV, etc.), die Ian am Ende von Quizz Kid zertrümmerte (wie im TV Special). Es war also der erste Schritt zurück Back to the Roots.

Ab und zu kam David Palmer als Gastkeyboarder mit auf die Bühne, so z.B. während "Requiem" in Mönchskutte.

Die Setlist in Hamburg war übrigens wie zuvor in Rotterdam (jedoch leider ohne Bad-eyed und Rainbow Blues) und nicht wie später in den bekannteren München und Zürichaufnahmen. Siehe:
http://www.ministry-of-information.co.uk/setlist/76.htm
Rotterdam 05.05.76

Unvergesslich wie Ian damals am Ende die Schlussätze von "Back-door Angels" knieend solo sang: Think I'll sit down and invent some fool...
Da war er wirklich der wissende Hofnarr, als der er später immer wieder von der Presse totgeschrieben wurde. Es hatte absolut nichts mit Mittelalter, Feen und Elfen zu tun, sondern für einen 16-jährigen wie mich, eher mit den zwei Anzugsheinis vom CCH die sich das, im Kontrast zu der Figur auf der Bühne, ungläubig und verständnislos vom Bühnenrand anguckten.

Nach der Show konnte ich mit Ian noch ein paar Sätze wechseln. Das letzte Mal, dass man ihn als "den alten" sehen konnte: sehr lange Haare, ganz in schwarz, mit Bikerjacke und Becks-Pulle in der Hand. Im Laufe des Jahres wurden die Haare kürzer und die Klamotten gediegener. Tja, keiner entgeht dem Ehejoch...smile mit Zwinker (ich mag Smilies nicht sonderlich).

Viele Grüße
Carsten
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Beitrag von Whistling Catfish »

Danke, Carsten, für diese Schilderung.....genauso hab' ich mir das gewünscht....und was die Sessel angeht auch fast gedacht.....lach!
Carsten hat geschrieben:1976 kam Ian (bis auf Lederjacke bei 2old2) im gleichen Outfit wie 75 auf die Bühne,
Aha......ich hatte eigentlich immer gedacht, auf der Too old...Tour hätte er diesen komischen, blauen "Space-Cadett" Anzug angehabt!?!?!? Oder kam das dann erst später???? Wisst Ihr welchen ich meine???

Viele Grüße,
J.
I wish I was a Catfish, swimmin' in the deep blue sea....
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Carsten
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Beitrag von Carsten »

Whistling Catfish hat geschrieben: Aha......ich hatte eigentlich immer gedacht, auf der Too old...Tour hätte er diesen komischen, blauen "Space-Cadett" Anzug angehabt!?!?!? Oder kam das dann erst später???? Wisst Ihr welchen ich meine???
Ja, den Blaumann (und den ordentlichen Fassonschnitt) hatte er erst in der zweiten Jahreshälfte auf der US Tour. In Europa das Warchild Outfit (allerdings nur die Jacke, nicht den langen violetten Mantel). Falls Du den Fotoband von Didi Zill hast, kannst Du Dir da die Aufnahmen von München 76 anschauen. So wars.

Gruezi
Carsten
Nicht der Ian
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Beitrag von Nicht der Ian »

Carsten hat geschrieben:
Im Gegemteil, es waren immer bestuhlte Konzerte (auf Ian's Wunsch), meist mit nummerierten Plätzen. Stimmung kam da selten auf, sollte wohl auch nicht. Man sollte andächtig lauschen. Aufstehen strrääängstens untersagt!!!

Machte einen 1973 die Brick Performance einfach durch die Komplexität und den damals in unseren Breitengraden recht unbekannten Monty
Python-mäßigen Quatsch sprachlos, knallte einem 1975 der wahnsinne Sound, das neue Outfit und die Showeinlagen (Steich Quartet, Jeffreys Zebra Einlagen, Bunny Assistentin Shona, Bomben, Rauch etc.) die Birne weg.

Im Laufe des Jahres wurden die Haare kürzer und die Klamotten gediegener. Tja, keiner entgeht dem Ehejoch...
Zur Bestuhlung: bis einschl. `72 unbestuhlt aber immer "sit down or the band stop to play". Nur die Stühle - so Grugahalle - taten der Stimmung keinen Abbruch, so daß man zum Schluß entweder zur Bühne "durfte" oder man stellte/hüpfte auf den Stühlen und machte den dynamischen Biegetest.

Das mit den kürzen Haaren schien 1977 auch mit dem Eintritt ins 4. Lebensjahrzehnt zu korrespondieren. Nur soundmäßig, Showeinlagen und wie grazil mit barockem Kratzfuß er sich beim Publikum "bedankte" war siebzigerjahremäßig
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