Tach Gemeinde...
...lange ist es her seit dem letzten Post an dieser Stelle, aber um jetzt andere OT-Threads nicht mit diesem „Randthema“ unnötig zu shreddern, gibt es heute mal ein paar Anmerkungen auf Zitate von dort. Wer sich von diesem Thema als solches noch und/oder wieder angesprochen fühlt, ist herzlich zur weiteren Diskussion eingeladen, alle anderen können die Zeit sinnvoller nutzen. Man sollte sich von niemandem Probleme „einreden“ lassen, die man selber gar nicht hat…
Zunächst mal zu Laufis Zitaten aus dem „Krautrock“-Thread ( Thema Grobschnitt):
Laufi hat geschrieben:Das Vinyl Mastering ist ja auch nicht "unkomprimiert" und "remastered" heißt nicht automatisch "komprimiert"! Solche schwarz-weiß, bzw entweder-oder Schemata passen nun mal gar nicht
Doch, sie passen, da die meisten CD-Remasters nun mal komprimiert daher kommen, das ist leider Fakt. Wirklich gelungene Ausnahmen waren die frühen MFSL-Sachen von Tull, z.B. TAAB oder LITP (die späteren dann schon nicht mehr , siehe SFTW von 1997/8). Selbiges gilt für die gelungenen Steven Wilson Remixe/Remasters. Bei letzterem sind die Grenzen bekanntlich fließend, aber ich kann beim TAAB-Studiomaster 2015 zum Beispiel keine musikalischen Abweichungen ausmachen, vielleicht deswegen, weil ich es nicht „in- und auswendig kenne“. Das Teil klingt einfach nur klasse und jetzt auch wieder mit der ursprünglichen Dynamik, so wie Wilson es wollte. Dass ihm auf der Box-Version 2012 noch ein „Mastering-Ing“ ins Handwerk gepfuscht hat, ist bedauerlich, aber in der heutigen Zeit eben auch nicht unüblich (mehr dazu weiter unten).
Laufi hat geschrieben:und im Übrigen empfinde ich einige heftig komprimierte Scheiben generell als klasse, wenn das ein Stilmittel ist. "Blood Sugar Sex Magix" mit nem Dynamikumfang von 20dB macht keinen Sinn

Wie im ursprünglichen Thread bereits erwähnt, hat das angesprochene Chili-Album im Original von 1991 einen überragenden Dynamik-Umfang von satten 14 dB (fast schon „zu viel des Guten“), das Remaster kommt dann nur noch auf 9 dB. Wie viel davon jetzt als „Stilmittel“ zu betrachten ist und wie viel dem ganz allgemeinen Lautheits-Trend geschuldet ist, darf jetzt jeder für sich selbst entscheiden. Darüber hinaus gilt das Chilli-Album „Californication“ von 1999 (neben Metallicas „Death Magnetic“) als eines der gruseligsten Beispiele dieser Entwicklung. Das haben sogar vermeintlich Taubstumme als unzumutbar empfunden, wie man im weltweiten Netz nachlesen kann (und wie ich selber mittlerweile auch nachgehört habe).
Laufi hat geschrieben: Aber, da ich mal nerdig sein will .... ich rippe grad "Ernie's Reise" in den CD Versionen von 1989, 1998, 2007 und 2015 und werde auch noch das 1977er original Vinyl rippen und dann sowohl "messen", als auch (besonders!) hören. Mit meiner kleinen Studioabhöre, dann kann ich das alles synchron legen und tatsächlich auch A/B (bzw. A/B/C/D/E) switchen. Kann ich dann hier (oder im Loudness Fred) posten.
… an den Ergebnissen wäre ich immer noch sehr interessiert…
Nun zu unserem Katzenfisch aus dem „Ghost“-Thread:
Whistling Catfish hat geschrieben:Ich bin eigentlich kein besonders audiophiler Konsument - obwohl auch ich bei mir beobachtet habe, dass ich einige der modernen, "heiss gemasterten" Platten nicht wirklich geniessen kann. Ein lieber Forumskollege - nennen wir ihn Dynamic D. - ist diesbezüglich ja sehr sensibel und hat sich da tiefgehende Gedanken zu gemacht und mir liebenswürdiger Weise ein paar von ihm nachträglich bearbeitete Referenzen zukommen lassen, die ich zur Zeit versuche für mich zu vergleichen, u. a. (und in der Hauptsache) hat er sich selbstlos auch der drei Alben meiner neuen Lieblingsband aus Schweden angenommen. Und ich will ihm da auch gar nicht vorgreifen - zumal er selber noch nicht mit seinen Versuchen abgeschlossen hat.
Also echte „Referenzen“ waren das bisher leider noch nicht. Ich „arbeite“ an dem Thema „Downmaster“ mittlerweile über ein Jahr, immer mit mehr oder minder auch langen Pausen, wenn ich gerade mal wieder das Gefühl habe, nicht mehr entscheidend weiter zu kommen (was leider schon häufiger der Fall war). Aber in etwa zur gleichen Zeit am 22. September, als J. dieses Statement im OT-Alice-Cooper-Fred schrieb….
Whistling Catfish hat geschrieben:Alice Cooper hat außerdem ein All-Star-Rock'n'Roll Album am Start, zu dem ich mal was schreibe, wenn ich Bock drauf habe es tatsächlich mal durchzuhören (es ist aufgrund der Dynamic Range Debatte quasi unhörbar....

....leider ).
… hatte ich die Arbeiten an dem „Projekt“ gerade mal wieder aufgenommen, nach mehrmonatiger (desillusionierter^^) Pause. Da bot er sich als „Tester“ spontan an, so dass ich ihm neben dem Vampires-Album auch die Ghost-Scheiben „downgemastert“ hatte. Die Ergebnisse waren aber immer noch nicht so, wie auch ich mir das vorstelle, und das hat auch er rausgehört. Insofern glaube ich schon, dass er ein „gutes Ohr“ hat, um so etwas ebenfalls kritisch und (so gut es geht) „objektiv“ zu beurteilen.
Seit diesen letzten Test-CD’s für J. bin ich bereits diverse Qualitätsschritte weiter auf dem Weg zu dem Ziel, das ich eigentlich mal erreichen möchte und das da lautet: „Ein Downmaster soll nicht einfach nur weniger beschissen klingen als das Original – es soll unabhängig vom Original möglichst gut und möglichst natürlich klingen.“ Dieser Weg ist leider äußerst steinig, weil je besser die Resultate werden, desto mehr wachsen leider auch die Ansprüche, wie ich mittlerweile feststelle…
Sollte ich demnächst wirklich mal „Referenzen“ hinbekommen, die sich mit vernünftig gemasterten Alben bis Mitte der 1990er Jahre halbwegs messen können (was auch nur möglich ist, wenn die ursprüngliche Produktion das hergibt), würde ich diese Ergebnisse sehr gerne in diesem Forum zur „Begutachtung“ zur Verfügung stellen (für Interessierte dann nur per PN, da ich hier natürlich keine Bearbeitungen öffentlich hochladen werde). Wann das sein wird, kann ich derzeit nicht abschätzen, aber die Resultate sind mittlerweile auf einem Niveau, die es wert sind, da weiter „am Ball“ zu bleiben. Letztlich ist das Prozedere leider extrem zeitintensiv, insbesondere deswegen, weil der erste Eindruck einer Bearbeitung drei Tage später schon nicht mehr gültig sein muss (Stichworte: „ausgeruhtes Ohr“ oder auch „wachsende Ansprüche“).
Whistling Catfish hat geschrieben:Ich habe eigentlich immer gedacht, das der Produzent einer Schallplatte der Chef an allen Reglern ist und maßgeblich den Sound einer Platte mitbestimmt - je nach dem welche "Macht" oder "Freiheit" ihm die Band z. B. lässt. Insofern ist der Produzent eines Albums ja durchaus als essentieller Bestandteil des "Kreativteams" hinter einer Veröffentlichung zu betrachten. Gleichzeitig dachte ich vor diesem Hintergrund immer, dass der Produzent (meinetwegen in Zusammenarbeit mit dem Recording Engineer) auch für das technische Set-Up (Mikrofonierung etc.) im Studio verantwortlich zeichnet und im Grunde genommen auch den ganzen Aufnahmeprozess leitet, hinterher bearbeitet (z. B. Trigger der ursprünglichen Drums mit Samples / Effekte wählt etc. etc.) und am Ende das ganze auch abmischt und das dann quasi fertige Produkt zum Mastering gibt. Das war zumindest immer meine Vorstellung von diesem Job!
Nach Durchsicht der Booklets einiger weniger Platten neueren Datums musste ich allerdings feststellen, dass eine nicht wenige Anzahl sagen: "Produced by XY / Mixed by ABC / Mastered by 123"? Manchmal kommt sogar noch "Recorded by someone else"!
Also speziell zum Thema „Mastering“ habe ich dieser Tage erst eine sehr interessante Studienarbeit gelesen, die mir jetzt schon wieder den nächsten „Qualitätsschritt“ bei meiner eigenen Bastelei ermöglicht hat….
https://www.hdm-stuttgart.de/~curdt/Mueller_Steffen.pdf
Die 115 Seiten muss jetzt niemand hier lesen, aber ich bin halt immer wieder gezwungen, diesbezüglich zu recherchieren, wenn ich mit meinen „try & error“-Tests nicht mehr richtig weiterkomme. Ich bin leider kein Toningenieur, bin technisch eh nicht begabt und ich habe auch massiv Verständnisprobleme mit dem ganzen „Fachchinesisch“, das damit verbunden ist. Ich kann lediglich beurteilen, was einigermaßen vernünftig klingt (gemäß meiner Standards), mehr nicht.
Der Link beantwortet aber auch einige Deiner Fragen, J., nach der soundtechnischen Verantwortung einer Produktion. Im Idealfall sind das eben Produzent und Band, so, wie man sich das auch vorstellt. Dass ein Mastering-Ing entscheidend in das Endprodukt eingreift, sollte vielleicht nicht so sein, ist faktisch aber immer häufiger der Fall. In erster Linie wohl sogar „auf Wunsch“ von Produzent und/oder Band. Man darf nicht vergessen: Junge Bands wachsen mit junger Musik auf, d.h. deren musikalische „Referenzen“ bewegen sich überwiegend im Zeitraum der letzten 20 Jahre – und so lange existiert dieser „Loudness War“ bereits, die sind also damit groß geworden und kennen nix anderes mehr, selbiges gilt für die Teens+Twens von heute, die nun mal die primäre Käufergruppe darstellen. Dass darüber hinaus die geldgebende Plattenfirma Einfluss auf das Mastering hat, ist sicherlich ein weiterer Grund, wenn das Endprodukt so klingt wie es klingt. Oder warum wurden z.B. die Wilson-Remixe von „Aqualung“ und „TAAB“ auf den Original-Boxen noch mal gemastert, und zwar so, dass Herr Wilson davon ganz offensichtlich (und zu Recht) nicht wirklich begeistert war?
Das Thema „Loudness War“ ist also weiterhin eines, zumindest, wenn man neue Musik nicht komplett ignorieren will oder kategorisch dem „warm knisternden“ Vinyl den Vorzug geben möchte. Eine „Trendwende“ ist m.E. auch nicht absehbar, einfach deswegen, weil die primäre Käufergruppe das aktuelle „Sounddesign“ bereits mit der Muttermilch aufgesogen hat und darüber hinaus eh nicht mehr über das Equipment verfügt, für das sich weniger geclippte/komprimierte Aufnahmen wirklich lohnen würden. Warum sollte man für die etwas verändern, was sie weder kennen - geschweige denn brauchen? Denn klar ist auch: Je größer der Loudness-Faktor ausfällt, desto weniger ist auch eine vernünftige Produktion erforderlich. Für was denn? Kostet nur Geld und hört am Ende eh keiner raus....
In diesem Sinne
„Turn up your volume!“ (wie Freunde dynamischer Musik zu sagen pflegen)
Gruß „Dynamic D.“ (...besser als „Agent Doppel-D“ …. für „doppelt so dick“…^^)