IA plays The Christmas Jethro Tull
Verfasst: Sa Dez 05, 2009 2:52 pm
Das tullsche Weihnachtsmärchen ist auf Tour und es gibt keinen eigenen Faden? Wir lassen nach.
Nun denn, gestern (4. Dezember 2009) im Theater am Aegi in Hannover. Zugegeben, der Titel der Tour schreckt ab, zumindest mich, und "Ian Anderson Unplugged" käme der Sache näher, aber letztlich kommt es auf den Inhalt an und nicht darauf, was auf der Packung steht. Und der Inhalt hat es in sich. Als Ende der 70er irgendwann mal eine ominöse Ankündigung eines IA Soloalbums die Runde machte, hatte ich auf eine akustische Platte gehofft. Das gestrige Konzert hat dies nun "live" eingelöst. Die Bühne ist simpel gehalten. Rechts ein kleines, aber fett bestücktes Schlagzeug, links ein schwarz verkleidetes Keyboard, in der Mitte drei Hocker, schwarzer Vorhang als Hintergrund, ein paar Funzeln an der Decke, schluss. Kurz vor Beginn kommt "Salamander" aus der PA, was meine Begleitung etwas irritiert zur Kenntnis nimmt ("Der spielt seine eigenen Sachen vorweg?"). Dann wird es dunkel und IA und Florian Opahle kommen auf die Bühne, setzen sich auf ihre Hocker und aus der PA dröhnt leiser Donner (wie eben nur leiser Donner dröhnen kann) und IA spricht eine leicht abgewandelte Einleitung zu "Dun Ringill". Donner und Meeresrauschen bleiben uns auch für den Rest des Stückes erhalten. Innovativ und irgendwie lustig. Danach dann der erste Höhepunkt des Abends: "March The Mad Scientist". Höhepunkt, weil heuer (habe ich von Franz Beckenbauer gelernt) erstmals auf einer Setlist und auch, weil es eines meiner all time favourites ist. Seltsamerweise erklärt IA hinterher, das Stück wäre ein Überbleibsel der "Aqualung" Sessions. Hm. Wird wohl das Alter sein.
Es folgt "Set-Aside" von "Secret Language", was ebenfalls zu meinen all time favourites gehört und eine hübsche Überraschung ist. Was jetzt kommt, ist mir komplett unverständlich, kann aber den Gesamteindruck nur unwesentlich trüben: "Skating Away". Lieber IA: LASS ES SEIN! Du versuchst dich doch auch nicht an Wagner Arien. Mein Begleiter, der Tull zuletzt 1997 auf einer der unzähligen Best Ofs gesehen hat, meinte in der Pause, dass es eine Frechheit gewesen sei, dieses Gejauel als Gesang zu verkaufen. Ich bin während der Darbietung jedenfalls ziemlich tief in meinen Sitz gerutscht (hatten wir nicht mal eine Diskussion übers Fremdschämen?). Schwamm drüber.
Der Rest war nett, um nicht zu sagen, sehr schön. "Tea with the Princess" hat mir live sehr gut gefallen (die Duröhre Version hat mir nicht gefallen).
"A Change of Horses" hingegen war nicht so my cup of tea. Jedenfalls wanderten meine Gedanken hier- und dorthin, wollten aber ums verrecken nicht bei der gebotenen Musik bleiben. Ein "grower"? Pörhäps. Florian O. aus R. bekam Gelegenheit, seine Eigenkomposition "Andantina" (glaube ich) zu präsentieren und beeindruckte mit Virtuosität. Der Rest der Truppe sorgte dann für Lacher (VORSICHT! SPOILER!), als sie sich auf den hinteren Teil der Bühne schlichen, um die Flamencoklatscher zu geben. IA setzte kastagnettenmäßig dann noch einen drauf. Nett.
"Past Time With Good Company" gefiel mir in dieser "unplugged" Fassung noch besser als das diesjährige Tull Arrangement und auch "My God" wurde dank fehlender E-Gitarre zu einem ganz neuen und sehr schönen Erlebnis. Für Konservative vielleicht etwas zu gewöhnungsbedürftig - aber hier lesen ja nur progressive Kräfte.
Vergeblich hatte ich darauf gehofft, dass "Aqualung" nicht in diesem hübschen Adventskalender versteckt gewesen sei. Die diesjährige Variation des 95er "Divinities" Arrangements ist in meinen Ohren Stückwerk und geht mir, mehr oder weniger, am Arscherl vorbei. Nicht, dass ich es fürchterlich schlecht finde, aber es zieht sich halt in die Länge und macht nicht so richtig Sinn, auch wenn es zwischendrin nett kracht. Gleiches gilt für "Locomotive Breath". IA singt die erste Strophe zur akustischen Gitarre und und lässt auf Interessantes hoffen, dann ist plötzlich Schluss und John O'Hara spielt die Pianoeinleitung. Danach ist dann mehr oder weniger alles wie gehabt, außer dass es akustisch bleibt. Sicherlich interessant, aber auch hier bleibt bei mir der Eindruck von Stückwerk zurück. Ich sollte es wohl nochmal hören. Wer weiß. Vielleicht setzt sich diese Art von "Tull" ja durch und ich komme nochmal in den Genuss.
Denn abschließend bleibt zu vermelden, dass mir (also ganz persönlich, ich, mein Ego) dieses Konzert deutlich besser gefallen hat, als Jethro Tull Konzerte der letzten Zeit. Mark Mondesir ist ein fantastischer Schlagzeuger und ich würde mir mehr Auftritte mit ihm wünschen. Die elektrische blieb konsequent im Koffer, wofür ich sehr dankbar bin, und Goodiers Bass kommt im akustischen Rahmen deutlich besser zur Geltung, als im vermeintlich lauten Umfeld eines üblichen Tull Konzertes. Einzig "the German squeezy thing" hätte mehr Pausen verdient gehabt. Ich bin dem Akkordeon sehr wohl zugetan, aber hier bekam es zu viel Aufmerksamkeit.
Es stellt sich unvermeidlich die Frage, warum IA nicht konsequent auf diese Art der Aufführung setzt. In fast jedem Interview der letzten Jahre hat er immer wieder darauf hingewiesen, dass er eigentlich ein "akustischer" Musiker sei - und er hat recht. Ich wünsche ihm den Mut, auch die richtigen Schlüsse aus dieser Erkenntnis und den Stecker zu ziehen. Und wenn wir mit uns ehrlich sind, dann müssen wir uns eingestehen, dass die Zeit für Jethro Tull, so wie wir sie kennen und lieben, längst gekommen ist. Zu IA in musikalischer Höchstform und der leistungsfähigkeit seiner Stimme angepasstem, dezentem Rahmen würde ich jederzeit auch längere Anfahrtswege in Kauf nehmen.
Und hier noch die Abteilung Trainspotter:
Dun Ringill
March The Mad Scientist
Set-Aside
Skating Away (sollte besser nicht sein)
Jack-In-The-Green
We Five Kings
Christmas Song
Holly Herald
Another Christmas Song
Tea With The Princess
Bourée
Pause (eine Zichte, eine Cola, kein Austreten, da zu volle Klos)
God Rest Ye Merry Gentlemen
Birthday Card At Christmas
Andantina (Florian Opahle)
A Change of Horses
Past Time With Good Company
My God
Aqualung
Locomotive Breath
Keine Ballons
Schönadventnoch
KH
P.S.: Ein P.S. ist noch angebracht. An die Dauerfotografierer aus der dritten Reihe: wer hat euch eigentlich ins Hirn geschissen? Den gesamten Abend damit zu verbringen alle zehn Sekunden die Digitalkamera in die Luft zu halten um immer wieder das gleiche Motiv zu fotografieren? Es gab kaum Lichtwechsel, IA stand mal hier mal dort in üblicher Pose, Gott wie spannend. Ich kann nur wünschen, dass ihr beim Betrachten der Bilder nicht vor Langeweile tot vom Stuhl kippt. Habt ihr es schon mal mit Vögeln versucht? Also nicht mit Frauen (dass euch das fremd ist, habt ihr bereits bewiesen) sondern denen, die draußen rumfliegen. Da habt ihr doch hübsche Motive ohne Ende und ihr müsst keinen Eintritt bezahlen. Und noch viel besser: ihr geht anderen Konzertbesuchern nicht deratig auf den Sack.
Wo waren eigentlich die verdammten Ordner, wenn man sie mal braucht?
Angefressen
KH
Nun denn, gestern (4. Dezember 2009) im Theater am Aegi in Hannover. Zugegeben, der Titel der Tour schreckt ab, zumindest mich, und "Ian Anderson Unplugged" käme der Sache näher, aber letztlich kommt es auf den Inhalt an und nicht darauf, was auf der Packung steht. Und der Inhalt hat es in sich. Als Ende der 70er irgendwann mal eine ominöse Ankündigung eines IA Soloalbums die Runde machte, hatte ich auf eine akustische Platte gehofft. Das gestrige Konzert hat dies nun "live" eingelöst. Die Bühne ist simpel gehalten. Rechts ein kleines, aber fett bestücktes Schlagzeug, links ein schwarz verkleidetes Keyboard, in der Mitte drei Hocker, schwarzer Vorhang als Hintergrund, ein paar Funzeln an der Decke, schluss. Kurz vor Beginn kommt "Salamander" aus der PA, was meine Begleitung etwas irritiert zur Kenntnis nimmt ("Der spielt seine eigenen Sachen vorweg?"). Dann wird es dunkel und IA und Florian Opahle kommen auf die Bühne, setzen sich auf ihre Hocker und aus der PA dröhnt leiser Donner (wie eben nur leiser Donner dröhnen kann) und IA spricht eine leicht abgewandelte Einleitung zu "Dun Ringill". Donner und Meeresrauschen bleiben uns auch für den Rest des Stückes erhalten. Innovativ und irgendwie lustig. Danach dann der erste Höhepunkt des Abends: "March The Mad Scientist". Höhepunkt, weil heuer (habe ich von Franz Beckenbauer gelernt) erstmals auf einer Setlist und auch, weil es eines meiner all time favourites ist. Seltsamerweise erklärt IA hinterher, das Stück wäre ein Überbleibsel der "Aqualung" Sessions. Hm. Wird wohl das Alter sein.
Es folgt "Set-Aside" von "Secret Language", was ebenfalls zu meinen all time favourites gehört und eine hübsche Überraschung ist. Was jetzt kommt, ist mir komplett unverständlich, kann aber den Gesamteindruck nur unwesentlich trüben: "Skating Away". Lieber IA: LASS ES SEIN! Du versuchst dich doch auch nicht an Wagner Arien. Mein Begleiter, der Tull zuletzt 1997 auf einer der unzähligen Best Ofs gesehen hat, meinte in der Pause, dass es eine Frechheit gewesen sei, dieses Gejauel als Gesang zu verkaufen. Ich bin während der Darbietung jedenfalls ziemlich tief in meinen Sitz gerutscht (hatten wir nicht mal eine Diskussion übers Fremdschämen?). Schwamm drüber.
Der Rest war nett, um nicht zu sagen, sehr schön. "Tea with the Princess" hat mir live sehr gut gefallen (die Duröhre Version hat mir nicht gefallen).
"A Change of Horses" hingegen war nicht so my cup of tea. Jedenfalls wanderten meine Gedanken hier- und dorthin, wollten aber ums verrecken nicht bei der gebotenen Musik bleiben. Ein "grower"? Pörhäps. Florian O. aus R. bekam Gelegenheit, seine Eigenkomposition "Andantina" (glaube ich) zu präsentieren und beeindruckte mit Virtuosität. Der Rest der Truppe sorgte dann für Lacher (VORSICHT! SPOILER!), als sie sich auf den hinteren Teil der Bühne schlichen, um die Flamencoklatscher zu geben. IA setzte kastagnettenmäßig dann noch einen drauf. Nett.
"Past Time With Good Company" gefiel mir in dieser "unplugged" Fassung noch besser als das diesjährige Tull Arrangement und auch "My God" wurde dank fehlender E-Gitarre zu einem ganz neuen und sehr schönen Erlebnis. Für Konservative vielleicht etwas zu gewöhnungsbedürftig - aber hier lesen ja nur progressive Kräfte.
Vergeblich hatte ich darauf gehofft, dass "Aqualung" nicht in diesem hübschen Adventskalender versteckt gewesen sei. Die diesjährige Variation des 95er "Divinities" Arrangements ist in meinen Ohren Stückwerk und geht mir, mehr oder weniger, am Arscherl vorbei. Nicht, dass ich es fürchterlich schlecht finde, aber es zieht sich halt in die Länge und macht nicht so richtig Sinn, auch wenn es zwischendrin nett kracht. Gleiches gilt für "Locomotive Breath". IA singt die erste Strophe zur akustischen Gitarre und und lässt auf Interessantes hoffen, dann ist plötzlich Schluss und John O'Hara spielt die Pianoeinleitung. Danach ist dann mehr oder weniger alles wie gehabt, außer dass es akustisch bleibt. Sicherlich interessant, aber auch hier bleibt bei mir der Eindruck von Stückwerk zurück. Ich sollte es wohl nochmal hören. Wer weiß. Vielleicht setzt sich diese Art von "Tull" ja durch und ich komme nochmal in den Genuss.
Denn abschließend bleibt zu vermelden, dass mir (also ganz persönlich, ich, mein Ego) dieses Konzert deutlich besser gefallen hat, als Jethro Tull Konzerte der letzten Zeit. Mark Mondesir ist ein fantastischer Schlagzeuger und ich würde mir mehr Auftritte mit ihm wünschen. Die elektrische blieb konsequent im Koffer, wofür ich sehr dankbar bin, und Goodiers Bass kommt im akustischen Rahmen deutlich besser zur Geltung, als im vermeintlich lauten Umfeld eines üblichen Tull Konzertes. Einzig "the German squeezy thing" hätte mehr Pausen verdient gehabt. Ich bin dem Akkordeon sehr wohl zugetan, aber hier bekam es zu viel Aufmerksamkeit.
Es stellt sich unvermeidlich die Frage, warum IA nicht konsequent auf diese Art der Aufführung setzt. In fast jedem Interview der letzten Jahre hat er immer wieder darauf hingewiesen, dass er eigentlich ein "akustischer" Musiker sei - und er hat recht. Ich wünsche ihm den Mut, auch die richtigen Schlüsse aus dieser Erkenntnis und den Stecker zu ziehen. Und wenn wir mit uns ehrlich sind, dann müssen wir uns eingestehen, dass die Zeit für Jethro Tull, so wie wir sie kennen und lieben, längst gekommen ist. Zu IA in musikalischer Höchstform und der leistungsfähigkeit seiner Stimme angepasstem, dezentem Rahmen würde ich jederzeit auch längere Anfahrtswege in Kauf nehmen.
Und hier noch die Abteilung Trainspotter:
Dun Ringill
March The Mad Scientist
Set-Aside
Skating Away (sollte besser nicht sein)
Jack-In-The-Green
We Five Kings
Christmas Song
Holly Herald
Another Christmas Song
Tea With The Princess
Bourée
Pause (eine Zichte, eine Cola, kein Austreten, da zu volle Klos)
God Rest Ye Merry Gentlemen
Birthday Card At Christmas
Andantina (Florian Opahle)
A Change of Horses
Past Time With Good Company
My God
Aqualung
Locomotive Breath
Keine Ballons
Schönadventnoch
KH
P.S.: Ein P.S. ist noch angebracht. An die Dauerfotografierer aus der dritten Reihe: wer hat euch eigentlich ins Hirn geschissen? Den gesamten Abend damit zu verbringen alle zehn Sekunden die Digitalkamera in die Luft zu halten um immer wieder das gleiche Motiv zu fotografieren? Es gab kaum Lichtwechsel, IA stand mal hier mal dort in üblicher Pose, Gott wie spannend. Ich kann nur wünschen, dass ihr beim Betrachten der Bilder nicht vor Langeweile tot vom Stuhl kippt. Habt ihr es schon mal mit Vögeln versucht? Also nicht mit Frauen (dass euch das fremd ist, habt ihr bereits bewiesen) sondern denen, die draußen rumfliegen. Da habt ihr doch hübsche Motive ohne Ende und ihr müsst keinen Eintritt bezahlen. Und noch viel besser: ihr geht anderen Konzertbesuchern nicht deratig auf den Sack.
Wo waren eigentlich die verdammten Ordner, wenn man sie mal braucht?
Angefressen
KH