The Loudness War

Laß Dich über alles mögliche aus ...

Moderator: King Heath

Stört Dich die gestiegene Lautheit aktueller CD's eher mehr oder eher weniger?

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Dietmar
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The Loudness War

Beitrag von Dietmar »

Tach zusammen..... :D

Dass ich in diesem Forum noch mal ein Thema eröffne, hätte ich auch nicht gedacht..... aber es ist thematisch das naheliegenste (Forum) derzeit.

Worum geht's? Ich hab' nicht nur in Sachen Tull einige Jahre "pausiert", sondern auch in Sachen Musik ganz allgemein. Das hat sich in den letzten Wochen und Monaten dramatisch geändert (temporärer Freizeitzuwachs^^) - zumindest, was den zweiten Halbsatz betrifft..... :wink:

Natürlich hab' ich auch die letzten Jahre hin und wieder mal 'ne CD gekauft, meistens landete die dann im Autoradio und dafür war's auch okay, auch wenn mich musikalisch davon kaum noch was begeistert hat. Seitdem ich aber meine mittlerweile 27 Jahre alte Hifi-Anlage endlich wieder instand gesetzt habe und auch wieder hochwertigen Hifi-Genuss im Wohnsimmer genießen kann, packt mich das nackte Entsetzen. Kann das wirlich sein sein, dass die Musikindustrie jegliche Dynamik "zu Gunsten" billiger Equipments, mp3's, I-Pods und dem ganzen Schrott geopfert hat, nur damit die Musik vermeintlich "lauter" klingt? Hab' jetzt diverse Neuerwerbungen und/oder Remasters getestet und komme zu dem Ergebnis: Ich werde wohl kaum noch Neuerscheinungen käuflich erwerben. Das meiste davon ist klangtechnisch "für die Tonne". Totkomprimierter Klangbrei, fast egal, wo man reinhört..... :(

Hab' mich mit der Materie jetzt ein wenig beschäftigt (bin kein Techniker, nur Konsument^^), aber die Ergebnisse dieser Website lassen wohl keine Zweifel zu (Tipp: mal gewünschten Interpret raussuchen und aufsteigend nach Erscheinungsjahr sortieren):

http://www.dr.loudness-war.info/

Komme mir bei dem Thema gerade vor wie in einem "schlechten Film"..... da der Qualitätsverlust einerseits gravierend ist und "HiFi" in seiner ursprünglichsten Bedeutung ad absurdum führt...... andererseits: vermutlich gehöre ich damit zu einer Minderheit im unteren einstelligen Prozentbereich?..... anders ist eine so einseitige Entwicklung, vor allem in den vergangenen 10 Jahren, wohl nicht zu erklären.

Das musste ich jetzt mal loswerden hier. Eine Diskussion wird sich nur für die lohnen, die selber einen gewissen audiophilen Anspruch haben. Wer die Unterschiede in den Aufnahmen nicht hört, dem dürfte es eh egal sein.

Audiophile Grüße
Dietmar

PS: Gestern vergessen, sehr anschauliches Video zur Problematik "Loudness War", damit auch "Nicht-Hifi-Freaks" zumindest wissen, worum es hier eigentlich geht:

http://www.youtube.com/watch?v=dcKDMBuGodU
Zuletzt geändert von Dietmar am Sa Okt 24, 2015 7:19 pm, insgesamt 2-mal geändert.
Jack Green
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Re: The Loudness War

Beitrag von Jack Green »

Sehr interessant. Danke für den Link.

Ich freue mich immer sehr über ein Klangbild, bei dem nicht nur in der Musik, sondern auch im Pegel etwas passiert. Produktionen, die fürs Radio gemacht sind, kann man da ziemlich vergessen, das ist in der Regle 100% Vorschlaghammer, selbst Balladen sind mittlerweile lauter als laut, auch wenn man durch die vermeintlich zarten Klavier- und Gitarrenklänge oft zuerst nicht den Eindruck hat, vor allem wenn man daran durch ständiges Radiohören oder durch den eigenen Musikgeschmack schon gewöhnt ist.

Ich bemerke bei mir immer wieder die Neigung zu den "lauten" Alben, oft mag ich diese Soundmauer. Das an Lautheit und fehlender Dynamik ganz krasse "Mescalero" von ZZ Top hat mich immer wieder gerade deswegen fasziniert. Das geht von vorn bis hinten einfach mit einem fetten Pegel durch. "La Futura" ist da sehr ähnlich, wobei es meinem Gefühl nach (und den Messwerten auf deiner verlinkten Seite) etwas weniger schlimm ist als sein Vorgänger.
Wären die Songs der aktuellen Alben von solcher Größe wie auf denen der frühen und mittleren Ära, würde ich mich auch über das Klangbild ärgern. Da es aber alles Songs sind, die ich nicht ständig hören muss, ist es nicht so schlimm. :-)

Übrigens finde ich, dass Locomotive Breath auf der originalen Aqualung (und auch noch immer in der aktuellen Remix-Fassung) mit der Dynamik zu weit geht. Es kann bei nahezu absoluter Stille wunderbar sein, das Klavierintro nur ganz leicht und filigran zu hören und sich dann über den im Vergleich sehr mächtigen Rest des Songs freuen. Aber in den meisten Situationen fahre ich die Lautstärke für den Anfang sehr hoch, nur um sie dann wieder runterzudrehen, weil es sonst zu laut ist.

Naja, so hab ich eben meine Erfahrungen mit dem Dynamikumfang unterschiedlicher Aufnahmen gemacht. Radio hör ich selber nur wenn ich gezwungen werde, aber was ich da an akuellen Produktionen höre kotzt mich eh nur mehr an (oft wirklich nur durch die schrecklichen Produktionsmethoden heute). Die wenigen aktuellen Sachen, die ich mir zulege wie TAAB2 oder La Futura sind Ausnahmen, geben aber interessanterweise genau die zwei Extreme wider: TAAB2 hat den Anspruch, nicht auf den Loudness-Zug aufzuspringen, wogegen La Futura das ständige "in your face"-Muster fährt, das hier durch das Raufziehen und unendliche Komprimieren aller Pegel erreicht wird.
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Dietmar
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Re: The Loudness War

Beitrag von Dietmar »

Danke für das erste interessante Feedback.... :) Dachte mir halt, dass ich im alten Tull-Forum möglicherweise einige audiophil interessierte Gesprächspartner zu dem Thema finde, da ich seit ca. 2005 auch aus allen anderen bis dahin frequentierten Musik-Foren raus bin.

Hab‘ ins Starttopic am Ende noch mal ein Video reingehängt, das die Problematik auch für „Nicht-Hifi-Freaks“ verdeutlicht, für die das Ranking der Datenbank möglicherweise etwas kryptisch ist.

Ich würde auch nicht behaupten, dass die Bewertung der Dynamik IMMER ein sicherer Indikator ist, ob eine CD gut oder schlecht klingt. Das 1987er Album von Flash The Pan „Nights In France“ hat z.B. ein gutes Rating – trotzdem war und ist der Sound dieser Scheibe weitgehend Schrott. Im Gegenzug hat die neue Mike Oldfield „Tubular Beats“ eine laut der DB schlechte Dynamik – ich muss aber zugeben, dass diese sehr elektronischen Variationen seiner Songs auf meiner Anlage sehr gut und druckvoll rüberkommen. Möglicherweise liegt das an der Musik als solches, d.h. elektronische Musik kommt ggfls. mit weniger Dynamik aus.

Im Rockbereich erleide ich derzeit einen „Schiffbruch“ nach dem anderen. Neuerscheinungen von Magnum, Golden Earring, Coppelius, Mostly Autumn, die ich mir im Zuge meiner wiedergewonnenen Hifi-Begeisterung zugelegt habe, klingen alle mehr oder minder grausam. Ein flaches, ermüdendes Klangbild. Während man bei guten, alten Aufnahmen immer wieder das Bedürfnis hat, den Volume-Regler lauter zu drehen –einfach, weil der Sound Spaß macht!- dreh ich bei den neuen Sachen lieber leiser, bevor ich dann vorzeitig ganz ausmache, weil es nur noch nervt - und das liegt NICHT (immer^^) am musikalischen Vortrag.

Hab‘ die Tage schon gedacht, ob ich Hallus habe oder anderweitig ärztliche Hilfe brauche..... über Jahrzehnte war die Ankündigung „remastered“ für mich ein unumstößliches Qualitätssiegel für einen fast immer verbesserten Sound, mehr Dynamik, mehr räumliche Transparenz, weniger Grundrauschen. Das scheint alles plötzlich nicht mehr zu gelten? Ich bin echt entsetzt.... :?

Um kurz den Bogen zu Tull zu spannen: TAAB2 ist (auch) in diesem Zusammenhang ein wirklich gutes Album! In Sachen Dynamik kann man Anderson da nix vorwerfen – nichts desto trotz finde ich, dass keines der Alben nach „Roots To Branches“ mehr so klngt, wie ein Rockalbum in meinen Ohren klingen sollte. Da fehlt mir einfach die Geradlinigkeit in den Produktionen, die „Crest Of A Knave“ (okay, der Drumcomputer einiger Songs war shit) oder auch „Catfish Rising“ noch zu einem echten Hörerlebnis gemacht haben. Soll aber nur eine Randnotiz sein, da ich hier gar nicht über Tull reden möchte sondern eher um die Entwicklung insgesamt, die ich in höchstem Maße bedenklich finde.

Und da ich glaube (hoffe!), dass sich diese Entwicklung nicht auf Dauer aufrecht erhalten lassen wird, würde ich heute schon prophezeien: vielleicht erleben wir in den nächsten 20 Jahren sogar die umgekehrte Entwicklung? Dann werden die Alben alle sukzessive wieder zuürckgemastered. Nach dem Motto: Die Bank (bzw. Plattenindustrie) gewinnt immer.... :lol:

Wenn’s nicht so kommt, war’s das für mich in Sachen Musik. Dann wird‘ ich mich mit meiner bestehenden CD-Sammlung weitestgehend „bis zum Ende“ begnügen müssen bzw. allenfalls noch ein paar alte Sachen kaufen, da ich das, was der Markt momentan anbietet, nicht weiter finanziell unterstützen werde.
King Heath
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Re: The Loudness War

Beitrag von King Heath »

Dietmar hat geschrieben:http://www.dr.loudness-war.info/
Da ich mir heute abend das "Alan Parsons Live Project" in der Musikhalle gebe, habe ich dies zum Anlass genommen, I Robot parallel zu hören. Soll heißen: in meinem Denon DVD-1930 steckt die alte CD von 1984, in meinem Cambride Audio azur 640c die "neue" CD mit Boni von 2007. Verstärkt werden beide von einem sehr präzisen Rotel RA-1060 Vollverstärker. Die Schallwellen erzeugt ein Paar Bowers & Wilkins 602 Bookshelves, die auf Ohrenhöhe und mit Bluetack vom Regalboden getrennt auf einem Stahlregal stehen, das im Übrigen meine CD Sammlung beherbergt. Die Lautsprecher stehen aber frei und haben sowohl zu den Seiten als auch nach Hinten genug Raum.

Laut oben genannter Dynamikliste soll die '84er CD eine Dynamik von 10 bis 13 besitzen, die von 2007 von 7 bis 11. Ein Handicap beim Parallelhören ist erst einmal der Lautstärkeunterschied - quelle surprise. Die 2007er wuchtet ganz schön brazig auf, die '84er kommt deutlich leiser daher. Wenn man diesen Unterschied mittels Volumenregler (meiner geht natürlich bis 11) ausgleicht, stellt sich schnell das Aha-Erlebnis ein: auf der 2007er wurden beim Titel I Robot einige Spuren deutlich nach oben gezogen bzw. vermutlich mittels Exitern oder ähnlichen Effekten hervor gehoben, die - wenn auch nur wenig - die Gesamtharmonie doch stören.

Die Gesangsstimmen leiden deutlich (Don't Let It Show). Es klingt, als hätte man auf der 2007er versucht, die Stimmen präsenter zu machen. Sollte man dies nicht lieber in einem Re-Mix statt einem Remaster machen? Ich verstehe sicher zu wenig von ausgefeilten Studiotechniken, aber einfach mehr Effekte auf die Stimme zu braten, kann dem menschlichen Organ nur abträglich sein.

Soviel zu meinen ersten Eindrücken nach einem sehr oberflächlichen Parallelhören. Ich werde die Tage noch mal Geräte und CDs tauschen und vielleicht auch noch der sehr geschundenen LP (zu viele Parties) einen Versuch geben.

Dennoch bleibt die Frage nach dem Warum. Wenn wir nicht gerade im Himalaya wohnen und dem nächtlichen Liebesleben der Yaks lauschen, ist unser Hörzentrum wohl vornehmlich damit beschäftigt, den permanenten Lärm herunter zu regeln. Da die Unterbewußtseinsschaltungen in unserem Hirn keinen Unterschied machen zwischen gutem (Musik) und schlechtem (permanenter Gummiabrieb auf Asphalt plus Motorengeräusche, Hupen und Martinshorn) Lärm machen, muss unser Hörzentrum zwangsläufig leiden. Wer dann seine Musik auch noch aus dem Dudelradio (take your pick) bezieht, wird einem nuancenreicheren Klangbild nicht viel abgewinnen können. Die reduzierte Apfeldatei über Ohrenstöpsel tut dann ein Übriges. Ich hatte gerade einen Freund für ein paar Tage zu Besuch, der Musik auch nur im Vorbeihören konsumiert. Der setzte sich auf den perfekten Platz meines Sofas und ich habe, während wir so plauderten, ein bisschen Fairport angemacht (Babbacombe Lee Live). Am Ende eines Stücks kam von ganz links verhalten ein bisschen Applaus und er drehte seinen Kopf automatisch zum Fenster. Dann starrte er mich an und meinte, er hätte gedacht, dass das von draußen gekommen wäre. Ja ja, die Wunder von High Fidelity. Bislang habe ich nur einmal eine Anlage gehört, wo ich beim Hören mit geschlossenen Augen die Quelle wirklich nicht mehr orten konnte. War wirklich weg. Klasse.

KH
King Heath
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Re: The Loudness War

Beitrag von King Heath »

Wer? - Ach, er! hat geschrieben:Da ich mir heute abend das "Alan Parsons Live Project" in der Musikhalle gebe, ...
... und werde es auch ganz bestimmt nicht wieder tun. Furchtbar. Einfach furchtbar.

KH
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Dietmar
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Re: The Loudness War

Beitrag von Dietmar »

Die Frage nach dem "warum?" ist sicherlich berechtigt. Die einzige logische Erklärung bleibt der deutlich gesunkene Stellenwert von Musik bzw. die gesunkene Wiedergabequalität der Geräte als solches. Denn eines kann man nicht bestreiten: "Loudness War" begünstigt schlechtestes Equipment..... :wink:

1. Beispiel: die neue Bowie-CD, an der ich mich an anderer Stelle durchaus löblich (zur musikalischen Qualität) geäußert habe, tönt bei niedriger Zimmerlautstärke (das waren meine ersten zwei Durchgänge) durchaus ansprechend. Gerade bei geringerer Lautstärke hat eine leistungsintensive Anlage normalerweise Probleme, was Volumen & Transparenz der Wiedergabe angeht. Hört man das neue Bowie-Album dann mal lauter (so, wie man das mit Rock-Musik dann und wann gerne mal macht :D ) wird diese fehlende Dynamik rasch unerträglich..... bestes Beispiel die Nummer "Tears"..... das soll ja wohl eine ruhige Nummer darstellen, lärmt aber genauso wie jedes andere Stück auf dem Album - und spätestens nach 45 Minuten ist man dann froh (sofern man es überhaupt durchhält), wenn's vorüber ist.

2. Beispiel: ich hab' nie eine Nena-CD besessen..... seit einigen Tagen schon, "Definitive Collection", remastered 2003. Ein Mödersound mit einer tollen Dynamik & Transparenz auf meiner Heimanlage, SO hab' ich Nenas alte Klassiker noch nie gehört, aber.... im Autoradio, das bestenfalls "ordentlich" klingt, tönt auch diese CD eher durchschnittlich. Generell sind dort die auf der Heimanlage z.T. eklatanten Unterschiede in Sachen Dynamik & Transparenz nicht annähernd so deutlich wahrzunehmen - und das hat nichts mit Fahrtgeräuschen zu tun sondern ist auch im Parkmodus kaum besser zu differenzieren.

Von daher hat das alles wohl "seine Gründe". Ich hab' mich früher schon über zu viele zu durchschnittlich klingende CD's geärgert, denn letztlich sind DIE der beschränkte Faktor der Hifi-Anlage. Nur früher waren's eben einfach mal schlechte Aufnahmen - heute steckt da "Methode" hinter, da mein persönlicher Klang-Anspruch an CD's (eine Rückkehr zu Vinyl schliesse ich für mich aus) vermutlich nur noch im einstelligen Prozentbereich der Bevölkerung liegt - vor 30 Jahren war das halt anders, da waren Musik & Hifi DAS bestimmende Thema, nicht nur bei einem selbst, sondern (bei mir zumindest) auch im Freundeskreis.

Solange HiFi also keine Renaissance auf breiter Ebene erfährt -danach sieht es momentan ja nicht aus- werden auch die Produktionen weiterhin auf den Mainstream abgestimmt werden; wer will's den Firmen verdenken? Dass es im Klassik- und Jazz-Bereich ja anscheinend weiterhin genügend hochwertige Aufnahmen gibt, zeigt ja, wer dort das Zielpublikum ist. Leider ist die Musik bis heute nicht so meines..... :?
zeppaul
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Re: The Loudness War

Beitrag von zeppaul »

Das warum dürfte wohl v. a.durch Kostengründe und den durch mp3 versauten Hörgewohnheiten der breiten Masse begründet sein.
Wotan
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Re: The Loudness War

Beitrag von Wotan »

Dietmar hat geschrieben:Die Frage nach dem "warum?" ist sicherlich berechtigt. Die einzige logische Erklärung bleibt der deutlich gesunkene Stellenwert von Musik bzw. die gesunkene Wiedergabequalität der Geräte als solches. Denn eines kann man nicht bestreiten: "Loudness War" begünstigt schlechtestes Equipment..... :wink:

1. Beispiel: die neue Bowie-CD, an der ich mich an anderer Stelle durchaus löblich (zur musikalischen Qualität) geäußert habe, tönt bei niedriger Zimmerlautstärke (das waren meine ersten zwei Durchgänge) durchaus ansprechend. Gerade bei geringerer Lautstärke hat eine leistungsintensive Anlage normalerweise Probleme, was Volumen & Transparenz der Wiedergabe angeht. Hört man das neue Bowie-Album dann mal lauter (so, wie man das mit Rock-Musik dann und wann gerne mal macht :D ) wird diese fehlende Dynamik rasch unerträglich..... bestes Beispiel die Nummer "Tears"..... das soll ja wohl eine ruhige Nummer darstellen, lärmt aber genauso wie jedes andere Stück auf dem Album - und spätestens nach 45 Minuten ist man dann froh (sofern man es überhaupt durchhält), wenn's vorüber ist.

2. Beispiel: ich hab' nie eine Nena-CD besessen..... seit einigen Tagen schon, "Definitive Collection", remastered 2003. Ein Mödersound mit einer tollen Dynamik & Transparenz auf meiner Heimanlage, SO hab' ich Nenas alte Klassiker noch nie gehört, aber.... im Autoradio, das bestenfalls "ordentlich" klingt, tönt auch diese CD eher durchschnittlich. Generell sind dort die auf der Heimanlage z.T. eklatanten Unterschiede in Sachen Dynamik & Transparenz nicht annähernd so deutlich wahrzunehmen - und das hat nichts mit Fahrtgeräuschen zu tun sondern ist auch im Parkmodus kaum besser zu differenzieren.

Von daher hat das alles wohl "seine Gründe". Ich hab' mich früher schon über zu viele zu durchschnittlich klingende CD's geärgert, denn letztlich sind DIE der beschränkte Faktor der Hifi-Anlage. Nur früher waren's eben einfach mal schlechte Aufnahmen - heute steckt da "Methode" hinter, da mein persönlicher Klang-Anspruch an CD's (eine Rückkehr zu Vinyl schliesse ich für mich aus) vermutlich nur noch im einstelligen Prozentbereich der Bevölkerung liegt - vor 30 Jahren war das halt anders, da waren Musik & Hifi DAS bestimmende Thema, nicht nur bei einem selbst, sondern (bei mir zumindest) auch im Freundeskreis.

Solange HiFi also keine Renaissance auf breiter Ebene erfährt -danach sieht es momentan ja nicht aus- werden auch die Produktionen weiterhin auf den Mainstream abgestimmt werden; wer will's den Firmen verdenken? Dass es im Klassik- und Jazz-Bereich ja anscheinend weiterhin genügend hochwertige Aufnahmen gibt, zeigt ja, wer dort das Zielpublikum ist. Leider ist die Musik bis heute nicht so meines..... :?

Ich höre "privat" fast nur noch Jazz oder auch Klassik. Das ist dieser Krach bislang kein Thema und wird es wohl auch nicht werden. Diese Art von Musik lebt von ihrer eigenen kompositorischen Dynamik. In diesem grauenhaften, unter aller Sau daherkommenden Mp3 Sound, geht auch die Dynamik hoffnungslos unter. Für mich ein Zeichen: Die "Welt" ist insgesamt lauter geworden. Der Lärm nimmt überall zu. Die Papageier im Regenwald erzeugen mittlerweile alle von ihnen wahrgenommenen Geräusche, wie Motorsäge , Flugzeug , Autoklappern usw. Warum sollte der Mensch anders reagieren als ein Papagei?
-Zitat--- Wir sind aus solchem Stoffe, aus dem die Träume sind… Sinngemäß aus: „Der Sturm“, 4. Akt, 1. Szene / Prospero, William Shakespeare ---Zitatende---
folkfreak
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Re: The Loudness War

Beitrag von folkfreak »

Das Format Mp3 hat nichts mit der Dynamik des Materials zu tun.
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Dietmar
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Re: The Loudness War

Beitrag von Dietmar »

folkfreak hat geschrieben:Das Format Mp3 hat nichts mit der Dynamik des Materials zu tun.
Das zwar nicht..... aber es hat etwas mit der Qualität der (mehrheitlich verwendeten) Wiedergabegeräte zu tun. Insofern ist die Kausalität der Entwicklung nicht wirklich abwegig..... :wink:
Jack Green
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Re: The Loudness War

Beitrag von Jack Green »

Aber es scheint zumindest ein bisschen mehr in Richtung Qualität auf dem mp3-Sektor zu gehen. Habe mir letztens notgedrungen auf Amazon 2 Tracks als mp3s gekauft, und habe schon die 128 kbps gefürchtet. 256 waren es dann tatsächlich, und das ist immerhin etwas. Damals, als Steve Jobbs den iPod vorgestellt hat, präsentierte er die 128 kbps als "high quality" Hörvergnügen, und ich glaube, dass man über iTunes auch mal nur in der Qualität einkaufen konnte (ich hab da leider keinen Überblick, wie das heute ist). Da schaudert es mich, merkt man bei 128 nun wirklich einen krassen Unterschied in Klangtiefe und sowieso und überhaupt. 320 klingt sehr gut, trotzdem hab ich meine Tull- und IA-Sammlung als FLAC auf dem PC und höre mir wenn auf dem PC dann das an.
King Heath
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Re: The Loudness War

Beitrag von King Heath »

Wotan hat geschrieben:Warum sollte der Mensch anders reagieren als ein Papagei?
Spontan fiele mir dazu ein: weil der Mensch ein Mensch ist, wie schon weiland Herr Brecht bemerkte. Und um dies zu unterstreichen, erfand Herr Eisler dazu eine passende Melodie, ohne sich wie ein Papagei an den Geräuschen des (Großstadt)Dschungels zu bedienen.

KH
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Dietmar
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Re: The Loudness War

Beitrag von Dietmar »

Jack Green hat geschrieben:Aber es scheint zumindest ein bisschen mehr in Richtung Qualität auf dem mp3-Sektor zu gehen. (...)
Das ist natürlich völlig richtig. MP3's in bestenfalls 320 kbps oder eben FLAC - beides ist klanglich vom Feinsten.... :D .... den dort noch messbaren Unterschied der Formate untereinander bzw. der Unterschied zum Original ist m.E. nicht mehr hörbar. Auf meiner Anlage klingt beides top!

Nur.... was hilft das, wenn das Grundmaterial immer besch.... gemastered wird? :? Oder ums mal mal plastisch auszudrücken: eine gute CD-Aufnahme klingt als mp3 mit 192 kbps (m.E. eigentlich nicht optimal) trotzdem immer noch besser als ein schlechtes Mastering in bester MP3- oder gar FLAC-Qualität. Das ist heute die Wahrheit. Und das Mastering vieler Neuerscheinungen dieser Tage (TAAB2 ist da noch eine der wenigen löblichen Ausnahmen, die mir zuletzt ins Regal gekommen ist), zeigt ja, dass das "so gewollt" ist. Und da nützt es einem am Ende nix, dass das Format mp3/FLAC es an sich sehr viel besser kann (bzw. könnte).

Long story short: Es hat mit der Komprimierung an sich nichts zu tun. Es geht in der Tat um die Produktion von "Lärm" (wie weiter oben geschrieben). Lauter sein als die Konkurrenz; im Küchen- und/oder Autoradio präsenter sein.... und wie gesagt: auf "mäßigem Equipment" oder auch bei geringer Lautstärke hat dieses Loudness-Mastering in der Tat auch gewisse Vorzüge, das kann man nicht abstreiten, wenn man sich damit mal beschäftigt. Nur hat das mit Hifi-Genuss im eigentlichen Sinne, so, wie ich damit groß geworden bin, leider nicht mehr viel zu tun. Es geht nur noch ums "berieseln".....
Wotan
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Re: The Loudness War

Beitrag von Wotan »

King Heath hat geschrieben:
Wotan hat geschrieben:Warum sollte der Mensch anders reagieren als ein Papagei?
Spontan fiele mir dazu ein: weil der Mensch ein Mensch ist, wie schon weiland Herr Brecht bemerkte. Und um dies zu unterstreichen, erfand Herr Eisler dazu eine passende Melodie, ohne sich wie ein Papagei an den Geräuschen des (Großstadt)Dschungels zu bedienen.

KH
Obwohl wie du hier http://www.youtube.com/user/DG5FU?v=jxOfykT7vPQ sehen kannst ( 1.02 bis 1.07) sind die Übergänge fließend.

Wotan
-Zitat--- Wir sind aus solchem Stoffe, aus dem die Träume sind… Sinngemäß aus: „Der Sturm“, 4. Akt, 1. Szene / Prospero, William Shakespeare ---Zitatende---
Whistling Catfish
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Re: The Loudness War

Beitrag von Whistling Catfish »

Dietmar hat geschrieben:
Jack Green hat geschrieben:Aber es scheint zumindest ein bisschen mehr in Richtung Qualität auf dem mp3-Sektor zu gehen. (...)
Das ist natürlich völlig richtig. MP3's in bestenfalls 320 kbps oder eben FLAC - beides ist klanglich vom Feinsten.... :D .... den dort noch messbaren Unterschied der Formate untereinander bzw. der Unterschied zum Original ist m.E. nicht mehr hörbar. Auf meiner Anlage klingt beides top!

Nur.... was hilft das, wenn das Grundmaterial immer besch.... gemastered wird? :? Oder ums mal mal plastisch auszudrücken: eine gute CD-Aufnahme klingt als mp3 mit 192 kbps (m.E. eigentlich nicht optimal) trotzdem immer noch besser als ein schlechtes Mastering in bester MP3- oder gar FLAC-Qualität. Das ist heute die Wahrheit. Und das Mastering vieler Neuerscheinungen dieser Tage (TAAB2 ist da noch eine der wenigen löblichen Ausnahmen, die mir zuletzt ins Regal gekommen ist), zeigt ja, dass das "so gewollt" ist. Und da nützt es einem am Ende nix, dass das Format mp3/FLAC es an sich sehr viel besser kann (bzw. könnte).

Long story short: Es hat mit der Komprimierung an sich nichts zu tun. Es geht in der Tat um die Produktion von "Lärm" (wie weiter oben geschrieben). Lauter sein als die Konkurrenz; im Küchen- und/oder Autoradio präsenter sein.... und wie gesagt: auf "mäßigem Equipment" oder auch bei geringer Lautstärke hat dieses Loudness-Mastering in der Tat auch gewisse Vorzüge, das kann man nicht abstreiten, wenn man sich damit mal beschäftigt. Nur hat das mit Hifi-Genuss im eigentlichen Sinne, so, wie ich damit groß geworden bin, leider nicht mehr viel zu tun. Es geht nur noch ums "berieseln".....
Ich glaube das hat viel weniger mit den heute gängigen Digitalformaten oder "billigem" Equipment zu tun, sondern vielmehr ist das ein "Geschmackphänomen". Die meisten Leute empfinden diese "neue" Loudness beim ersten hören schlicht als besser. Was natürlich bei aufmerksamen Zuhören auf Dauer nicht mehr stimmt. Aber beim Durchschnittskonsumenten ist das momentan nunmal so. TAAB2 ist auch deswegen eine löbliche Ausnahme, weil sich die Leute, die das erschaffen haben nicht wirklich darum geschert haben ob das nun zeitgemäß klingen wird, oder erfolgreich sein wird. Das ist m. E. ein Album, welches entstanden ist, weil der Künstler es machen WOLLTE. Und nicht nicht weil er es machen musste. Am Ende des Tages entscheiden ja doch noch diejenigen darüber wie ein Album zu klingen hat, die es tatsächlich machen. Steven Wilson, Ian Anderson und etliche andere bevorzugen auch heute noch ein schönes, natürlich klingendes Klangbild, andere hingegen - ganz krass Metallica's letzter Streich mit Rick R. an den Reglern - lassen das Ding so krachen das es schrebbelt. Und zwar auf hochwertigen Anlagen, wie auch im Küchenradio. Ich denke, dass ist in erster Linie eine Modeerscheinung.....die, so hab ich neulich mal irgendwo gelesen, sogar schon langsam auf Neuerscheinungen von klassischer Musik abfärbt. Aber am Ende ist es m. M. nach immer noch die Entscheidung der Produzenten und Künstler....man kann es mögen, oder auch nicht. Ich mag' es nicht, und viele andere auch nicht. ABER: Das Thema ist ja nicht neu.....sondern wird bereits seit der Jahrtausendwende immer weiter ans Limit getrieben. Und neuerdings ist diese Diskussion entbrannt, was ich mal als Zeichen deute, dass jetzt auch allmählich wieder zurückgedreht werden wird, weil der Bogen an manchen Stellen mittlerweile überspannt wird.
I wish I was a Catfish, swimmin' in the deep blue sea....
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