Nightcap hat geschrieben:Vielleicht hätte ich vor dem Kauf das Etikett lesen sollen: es schmeckte nämlich nach PFIRSICH!
Was genau Du da getrunken hast, kann ich nicht beurteilen, aber Bier war es sicherlich nicht. Denn, wie der Bayer sagt: "Bier sam Bier!"
Bierhaltige Getränke wie Becks Limone, Jever Fun (kommt ganz ohne Bier aus) oder Oberpfaffenhaimer Strawberry sollte der bewußte Trinker seiner Leber nicht zumuten. Die nimmt das übel. Aber zurück zum Thema englische Biere: die könnte man ganz getrost auch deutsche Biere nennen, denn bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein haben wir davon Hektoliter pro Kopf getrunken - mit Ausnahme der Bayern. Die haben ihr Bier so schnell weg gesoffen, dass es weder lange reifen noch haltbar sein musste. Und der Braumeister, der die heute als Pilsner bekannte Variante in Pilsn erfunden hat, kam auch aus Bayern. Aber der Reihe nach:
Bis ins 20. Jahrhundert hinein war die europäische Bierstadt Nummero Uno die Freie und Hansestadt Hamburg mit bis zu 600 (!) Brauereien. Das Hamburger Bier war weltbekannt, hell- bis dunkelbraun, ohne Bubbles und schmeckte so, wie ein englisches Bitter heute schmeckt (wenn es rein und mit qualitativ hochwertigen Zutaten gebraut wurde) und hatte in der Regel einen Alkoholgehalt um die 3 %. Da man der schlechten Frischwasserqualität wegen in der Regel das Bier schon zum Frühstück trank, war mehr Alkohol auch nicht empfehlenswert. Erst im 20. Jahrhundert wurden die nach Pilsner Methode gebrauten Biere auch in Deutschland populärer, zumal sie sich gut als Grundstock für Lager bzw. Exportbiere eigneten. Obacht, das eben erwähne Lagerbier hat nichts mit der geschmacklosen Substanz zu tun, die von Carling und anderen Mördern des echten Bieres auf den Markt gebracht wird und mittlerweile Generationen vergiftet hat. Vielmehr war es ein schwächer gehopftes Bier mit höherem Alkoholgehalt - was zu besserer Lagerfähigkeit im Fass führte - und das in Kneipen ausgeschänkt wurde. Pilsner gab's vielleicht im Grand Hotel aus der Flasche. Export war zwar, wie es der Name vermuten lässt, zur Reise in ferne Länder gedacht, aber der einheimische Alkoholiker nahm dieses stärkere Gesöff auch gerne zu sich.
Ein paar traditionsbewusste Brauer spielen nun auch wieder mit dem Gedanken, ein echtes Hamburger/Englisches Bier in Deutschland zu brauen. Das sind natürlich Mikrobrauereien - oder wie sie in Hamburg genannt werden: Manufakturen -, die auf dem internationalen Biermarkt keine Rolle spielen und auch nie wieder spielen werden. Aber immerhin ist es ein echtes Naturprodukt und kommt ganz ohne Werbung mit Seen und Wald aus Hubschrauber im Sonnenschein aus. Und sie präsentieren auch keine Fußballspiele.
In England gibt es immerhin noch ein paar Großbrauereien, die sich darauf verstehen, diese Biere herzustellen. 6X in Devizes, allerdings eher mittelgroß, stellt ein exzellentes, sehr individuelles Bier her, mit dem sich jedes Jahr ein paar tausend Leute in Cropredy ein angenehmes Glühen verschaffen. Das von Ulla bereits erwähnte Old Hooky von Hook Norton ist etwas kräftier und vollmundiger als 6X und mehr als zwei Pints kriege ich davon nicht runter. Das erste Glas ist allerdings immer reine Wonne. Und es hat hervorragende Heileigenschaften. Als mich mal eine Wespe in den Arm stach, schüttete ich kurzerhand einen guten Schluck über Insekt und Gliedmaß. Das Tier ertrank und das Gift konnte seine volle Wirkung nicht entfalten. Es bildete sich ein weißer Ring rund um die Stichwunde und nicht für einen Augenblick hatte ich Schmerzen oder gar einen Juckreiz. Fantastisch.
Gerne genommen wird auch immer wieder Bombardier, schon weil es Spaß macht, es zu bestellen. Denn wie spricht man es aus? Ich hatte schon mit so manchem Innkeeper meinen Spaß. Französich mit diä am Ende? Oder Englisch mit einem langen baaar in der Mitte gefolgt von Bambi (also deer - oh dear, I apologise).
Ein ganz hervorragendes Schankbier war auch Brakespear aus dem Themsetal - Henley, wenn nicht alles täuscht. Hat Anfang der 2000er seine Braupfannen eingeschmolzen. Sehr schade. Weiterhin zu empfehlen ist natürlich Spitfire ("No Fokker comes close") und auch London Pride ist nicht zu verachten.
Aus dem schönen Yorkshire kommt Black Sheep, ein eher kräftiges Ale (wie die Landschaft). Die Brauerei ist relativ jung. Ende der 80er Jahre verkaufte Paul Theakston die Familienbrauerei Theakston an einen Großkonzern. Na, wer hat den Tullbezug bemerkt? Voireturdix darf nicht mitspielen, der war da. Wie dem auch sei, zum Ärger des Großkonzerns eröffnete Paul Theakston Anfang der 90er Jahre nur ein paar Schritte von der alten Theakston Brauerei entfernt eine eigene Bierschmelze, aus der das sehr leckere Black Sheep (in diversen Variationen) hervorging.
Da ich meine Bitterkariere bereits im zarten Alter von 14 Jahren begann - wenn auch nur half-pints, darauf bestanden die Erziehungsberechtigten -, ruft jeder Schluck des himmlischen Getränks immer schöne Erinnerungen ins Gedächtnis. Und die Musik von Gerry Rafferty (Baker St.) oder Manfred Mann (Davy's On The Road Again, Martha's Madmen). Das waren die Hits, die ich half-pint in hand in die Jukebox tippte. 10 Pence für zwei oder drei Songs.
Die Marktschreierei vom Reinheitsgebot ist übrigens eine Erfindung des späten 20. Jahrhunderts. Gute Brauer wussten schon immer, dass ein Bier nicht mehr benötigt, als eben Wasser (die Hamburger Pissbrühe - das meine ich wörtlich - hat dem Bier eine besondere Note gegeben), Hopfen (heute nunmehr Hopfenextrakt, kein frischer Hopfen), Malz (also vermaischte Gerste, Weizen oder was immer sich zum Brauen eignet) und Hefe, jener höllisch wichtige Mikroorganismus, ohne den wir schwer angeschissen wären. Und wenn es nicht so klappte mit dem Bier, haben die Brauer immer etwas nachgeholfen. Aber nicht sehr, denn die Grundstoffe waren teuer. Zucker ins Bier? Unmöglich und unbezahlbar. Manchmal haben verbrecherische Brauer Baldrian statt teuren Hopfen benutzt. Das Ergebnis war ein geschmackliches Disaster und ein schwerer Kopf. Prost Mahlzeit.
Und jetzt schenke ich mir ein Glas spanischen Biowein ein. Santé amigo.
KH