Locomotive Breath

Allgemeine Diskussion über Jethro Tull, Neuveröffentlichungen, etc. / General discussion about Jethro Tull, releases, etc.

Moderator: King Heath

Whistling Catfish
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von Whistling Catfish »

Ralph Weber hat geschrieben:Also, an Locomotive Breath stört mich wirklich alles! (Außer dem Song an sich... Der ist, zumindest auf Aqualung, wirklich sehr schön und genial und all das.)
1. Ich hab ihn noch nie gut live gehört.
Heutzutage finde ich schon die klassischen Aufführungen der späten 70er eine totale Fehlinterpretation.
Überzüchtet, brachial, ein Zugaben-Showdown für den Massengeschmack. Später musste es noch immer doller.
Lediglich die Versuche, sich auf den akustischen Charakter des Stückes zu besinnen, also erst so ab 2007, brachten etwas Frische hinein, aber da war natürlich längst die Stimme als treibende Kraft, sowie die Glaubwürdigkeit der Formel Jethro Tull dahin.
2. Ich habe ihn zu oft gehört.
Es ist das Recht einer Band, einen zentralen Hit 1000 mal zu spielen. Aber nicht 4000 mal! Jenseits aller Jas und Neins, jenseits alles Erlaubten, ist hier ein Song ganz einfach totgenudelt, hat wirklich jegliche Würde verloren. Das gleiche gilt natürlich auch für Aqualung, und für Bouree noch mehr, weil das ja noch nicht mal ein an sich tolles Stück ist.
3. Er steht stellvertretend
für die Zwänge, die sich die Band selbst auferlegt, und die in den letzten 20 Jahren die Kreativität abgewürgt haben.
(Selbst jetzt, wo eine Phase der späten Kreativität angebrochen ist, beginnen die alten Hits wieder die Oberhand zu gewinnen, werden eingewechselt und neues hinausgenommen.)
Egal, wie toll auch immer (das wars oft) oder wie überraschend auch immer (das wars manchmal) das Konzert war - am Ende lief es immer auf diesen furchtbaren Strudel hinaus, mit Stücken wie My God, Budapest, Aqualung, wo man jede Note kennt und nur wartet, bis es vorbei ist; und immer war die Botschaft: hier läuft es drauf hinaus, dies ist Jethro Tull. Und immer flippten sie aus, links und rechts, mit immer dem gleichen abgespeist, auf diese Art Ians Tendenz bestätigend, dass neues sich nicht lohnt. Locomotive Breath ist das Schwarze Loch, in dem am Ende immer alles verschwindet.
Das ist wohl mit Abstand der subjektivste Post EVER auf diesem Forum. :) Ich finde das ja durchaus interessant, weil das schon fast in Richtung Psychogramm geht...daher, wenn ich denn mal fragen darf, was ist denn Deiner Meinung nach Jethro Tull? Und wer genau definiert das? Du? Ian? Die jeweilige Band? Das Publikum? Und WAS genau ist Jethro Tull? Was Du dahinter siehst, oder ich, oder Ian, oder Dr. Müller-Lüdenscheid? Ian hat ja jüngst gesagt was ER unter dem Begriff Jethro Tull versteht, wie siehst Du das?

Interessiert,
J.
I wish I was a Catfish, swimmin' in the deep blue sea....
Ralph Weber
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von Ralph Weber »

Gnade!!
Ich hab doch nur ganz sachlich auf deine Frage geantwortet, was wir von Locomotive Breath halten..
Aber gut - was ist Jethro Tull? Natürlich die Vielseitigkeit; und eben die Brillianz und Unverwechselbarkeit überall in dieser Vielseitigkeit.
Ian Andersons Gabe, seine wirklich einzigartige, (in Ermangelung eines besseren Ausdrucks:) keltische Schreibweise,
und die Fähigkeit, diese Musik selbst und mit geeigneten Musikern überwältigend umzusetzen.
Es ist mir klar, dass man in diesem Sinne kein adäquates Jethro Tull Konzert erwarten kann, aber es muss eben auch nicht ins Gegenteil ausarten.
Ich bin wirklich nach 2007 nicht mehr zu Tull gegangen, einfach weil ich um keinen Preis mehr Budapest, Aqualung oder My God hören wollte, oder den immer gleichen Auszug aus Thick as a Brick,
wirklich um keinen Preis! (Dabei krieg ich ja noch nicht mal Geld dafür, sondern muss es zahlen..).
Sei es Müdigkeit, Einfallslosigkeit oder ökonomischer Zwang: Locomotive Breath ist das Symbol für die Selbststrangulierung von Jethro Tull: für das Abwürgen der Kreativität.
Und damit bin ich genau bei deiner letzten Frage. In der Tat bezeichnet Ian neuerdings Jethro Tull als eine Repertoire-Band oder back catalogue band, irgendwie sowas.
Das heißt, er hat Jethro Tull solange totgespielt, bis er selbst daran glaubt, dass hier keine Kreativität zu finden ist.
Wie hab ich das Thick as a Brick I+II Konzert (in Amsterdam) genossen! Endlich wieder Neues, Kreativität!
Selbst Locomotive Breath als Zugabe konnte den Eindruck kaum trüben. Aber mündig, erwachsen, künstlerisch, - souverän! - wäre es, dies einfach wegzulassen.
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Birgit
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von Birgit »

Whistling Catfish hat geschrieben:
Ralph Weber hat geschrieben:Also, an Locomotive Breath stört mich wirklich alles! (Außer dem Song an sich... Der ist, zumindest auf Aqualung, wirklich sehr schön und genial und all das.)
1. Ich hab ihn noch nie gut live gehört.
Heutzutage finde ich schon die klassischen Aufführungen der späten 70er eine totale Fehlinterpretation.
Überzüchtet, brachial, ein Zugaben-Showdown für den Massengeschmack. Später musste es noch immer doller.
Lediglich die Versuche, sich auf den akustischen Charakter des Stückes zu besinnen, also erst so ab 2007, brachten etwas Frische hinein, aber da war natürlich längst die Stimme als treibende Kraft, sowie die Glaubwürdigkeit der Formel Jethro Tull dahin.
2. Ich habe ihn zu oft gehört.
Es ist das Recht einer Band, einen zentralen Hit 1000 mal zu spielen. Aber nicht 4000 mal! Jenseits aller Jas und Neins, jenseits alles Erlaubten, ist hier ein Song ganz einfach totgenudelt, hat wirklich jegliche Würde verloren. Das gleiche gilt natürlich auch für Aqualung, und für Bouree noch mehr, weil das ja noch nicht mal ein an sich tolles Stück ist.
3. Er steht stellvertretend
für die Zwänge, die sich die Band selbst auferlegt, und die in den letzten 20 Jahren die Kreativität abgewürgt haben.
(Selbst jetzt, wo eine Phase der späten Kreativität angebrochen ist, beginnen die alten Hits wieder die Oberhand zu gewinnen, werden eingewechselt und neues hinausgenommen.)
Egal, wie toll auch immer (das wars oft) oder wie überraschend auch immer (das wars manchmal) das Konzert war - am Ende lief es immer auf diesen furchtbaren Strudel hinaus, mit Stücken wie My God, Budapest, Aqualung, wo man jede Note kennt und nur wartet, bis es vorbei ist; und immer war die Botschaft: hier läuft es drauf hinaus, dies ist Jethro Tull. Und immer flippten sie aus, links und rechts, mit immer dem gleichen abgespeist, auf diese Art Ians Tendenz bestätigend, dass neues sich nicht lohnt. Locomotive Breath ist das Schwarze Loch, in dem am Ende immer alles verschwindet.
Das ist wohl mit Abstand der subjektivste Post EVER auf diesem Forum. :).
Ich bitte Dich! :lol:
Chequered Flag
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von Chequered Flag »

LOCO ist ein geniales Musikstück!
Ich bin mit diesem Titel herangewachsen! In der Disco (ca. 1980) gab es immer eine Rockviertelstunde. Ich wartete sehnsüchtig auf Tull um meinen Haaren den freien Lauf zu gewähren. Betitelt wurde ich mit etlichen Attributen, doch habe ich es nie bereut.
Die Jahre gingen ins Land. Ian kam oft, sehr oft und immer spielte er das Kommerziellste, warum nur? Ich wusste, er kann mehr.
Ich begann diesen Song zu meiden, wollte ich ihn doch nicht hassen! Ich denke, dass Ian ständig unter Kleingeldmangel leidet und wie der Pied Piper immernoch versucht Jugend an sich zu binden! Das klappt mit den Handyterorristen eh nicht mehr.
Sauer stösst mir auch auf, daß auf jedem Sampler Loco auftreten muss, oje!
Mein Sohn kennt meine Vorlieben und letztens bat er mich Tull aufzulegen,nicht das Lied mit der Locomotive, hat er zuoft gehört!
Eine knappe Einschätzung, man kann eine Doktorarbeit darüber schreiben!
LG
(Was wollte der Junge hören?)
There´s no double-lock defence, there´s no chain on my door.
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Jack Green
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von Jack Green »

Hab letztens noch mal sehr aufmerksam das Original gehört. Was für eine geile Nummer.
Thomas
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von Thomas »

Wenn mich nicht alles täuscht, sind die Neuaufnahmen von LB und AL von 1974.
folkfreak
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von folkfreak »

Es gibt keine Neuaufnahmen, nur andere Mixe/Takes
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John Wayne
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von John Wayne »

Locomotive Breath ist das, was der Nichtfan gemeinhin mit Jethro Tull verbindet. Meistens kennen die dann auch nur diesen Song von Tull. Damit steht Loco aber in der besten Tradition von vielen großartigen Bands, mit denen das Mainstreampublikum ebenfalls oft nur einen bekannten Knallersong verbindet, z.B. Paranoid, Satisfaction, Another Brick in the Wall ... to be continued. Loco ist das Tor zum größeren Publikum, die sich nur mit Hits und nicht mit der Band auseinandersetzen wollen, aber trotzdem in der Vergangenheit immer Geld für Musik ausgegeben haben.
Was habe ich manchen solcher Leute erklärt, dass Tull viel mehr als Loco ist und auch versucht, mal was vorzuspielen. Zu kompliziert und nicht sofort eingängig waren die Worte, die ich für meine Versuche geerntet habe. Ich habe es vor vielen Jahren aufgegeben.
Was mich mehr freut, sind die Worte meines Sohnes: "Ich habe es ja nicht zugeben wollen, aber die machen verdammt coole Musik ..."
Manchmal gibt es Dinge, wo ein Mann tut, was ein Mann eben tun muss!
folkfreak
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von folkfreak »

Also Ich für meinen Teil kann nur sagen: Wäre Locomotive Breath der erste Tull song gewesen, den ich gehört hätte, hätte ich mir nie im Leben nochmal was anderes von denen angehört.
Gottseidank waren One Brown Mouse und Weathercock meine ersten Tull songs.
banff
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von banff »

Ich finde es schon verdammt interessant wie unterschiedlich die Geschmäcker sind.
Und trotz aller Unterschiede haben wir alle unsere eigene Begeisterung für IA / JT.

Ich glaube da gibt es über die Jahrzehnte gesehen nicht mehr viel was so viele Menschen mit solch unterschiedlichen Ansichten und Geschmäckern "vereint", oder?
Laufi
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von Laufi »

Moin:

LB war tatsächlich mein erster JT-Song, dem dann zügig das komplette Aqualung Album folgte.

Trotzdem ich die Nummer live schon seit Jahren nicjt mehr hören kann, habe ich mich am Wochenende nochmal mit nem guten Rotwein auf Hörposition gesetzt und den SW 5.1 Mix ordentlich laut gemacht. Als IAs Stimme so wunder bar im Raum stand, wußte ich wieder, warum ich jethro Tull Fan geworden bin ...

cheers,

Laufi
"Du hast wohl nen nassen Helm auf!"

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zeppaul
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von zeppaul »

Bei mir war es genauso, dass LB einer der ersten Titel war, die ich beim "Jugendtanz" (so hieß das damals im Osten) gehört und geliebt habe. Ich mag sicher die etwas härteren Sachen, aber auch sehr die "Balladen". Insofern gibt es für mich nicht den einen perfekten Tull-Song, sonst wäre ich nicht seit ca. 40 Jahren Fan. Aber LB höre ich mir heute eigentlich nur noch in den älteren (live)-Versionen an wie überhaupt Konzerte nur bis Anfang der 90er, da war noch (auch stimmlich) Power dahinter. Heute ist das nur noch mehr oder weniger Krampf, auch wenn ich TAAB 2 noch gut fand.
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Birgit
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von Birgit »

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John Wayne
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von John Wayne »

Diese Version kannte ich noch nicht ...
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Concert of Kings
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Re: Locomotive Breath

Beitrag von Concert of Kings »

... kommt richtig gut. Geil wie man hier die Original-Gesangsspur "trocken" zu hören bekommt - und ein Stich ins Herz, wenn man heute hört, was noch von der Stimme übrig ist...

Cheerio!

CoK
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