So, liebe Leute, lieber Lutz…
… wie angekündigt (… angedroht, befürchtet…) bringe ich hier jetzt auch noch mal ein paar Zeilen zu „Still Thick As A Brick“ zu Papier bzw. hier ins Laufi-Board. Und wer mich noch „von früher“ (aus seligen Fanclub-Zeiten) kennt, der weiß: ein paar Zeilen werden bei mir manchmal auch „ein paar Zeilen mehr“. Oder wie ein Bekannter neulich im Netz (anderes Forum/anderes Thema) zu einem nicht mal halb so langen Beitrag schrieb: „Ich les‘ mir das dann mal in Ruhe am Wochenende durch…^^“ Na, wie gut, dass heute schon Freitag ist…
Ich wollte eigentlich auch erst etwas schreiben, wenn ich das Ding „komplett verarbeitet“ habe. Nur möglicherweise haben wir dann Corona bereits hinter uns, bis dahin wollte ich nicht warten. Also wird das hier eher ein „Zwischenfazit“ nach nunmehr einer Woche, in der das Teil im mittlerweile zweistelligen Bereich gedreht hat. Kann also gut sein, dass ich da irgendwann später noch mal was zu ergänze, zumal ich dem Album mit jedem Durchlauf auch immer noch „etwas Neues“ abgewinnen kann bzw. die Scheibe eben auch viele kleine liebevolle Details enthält, über die man sich bei jedem Durchlauf mehr freut…
Um es also vorweg zu nehmen: Ich bin von der Geschichte schon sehr beeindruckt. Passiert mir nicht mehr allzu oft bei musikalischen Neuerscheinungen. Warum jetzt ausgerechnet das hier „meinen Nerv“ trifft, versuche ich jetzt mal etwas auszuformulieren. Der Reihe nach…
Den YT-Trailer, der hier ja schon länger online steht, ist zwar „nett gemacht“, aber so richtig überzeugt hatte er mich zunächst noch nicht. Zum einen waren mir die Soundschnipsel wohl etwas zu kurz, um erahnen zu können, ob und wie das Ganze vielleicht „auf Albumlänge funktioniert“. Zum anderen habe ich generell schon mal Vorbehalte bei jeglicher Art von Neuveröffentlichungen, was in der Regel primär „klangliche Gründe“ hat. Ich kaufe inzwischen so gut wie keine Neuerscheinungen mehr. Wenn, dann alte Sachen, am liebsten „Second Hand CD’s first press“ (gar nicht mal so billig, wenn man da was Bestimmtes sucht) oder wenn vom neuen, mal wieder totkomprimierten AC/DC-/Deep Purple-/Alice Cooper-Album „ein gut gemachter Vinyl Rip irgendwo vom Laster fällt“, dann gerne auch mal den. Von den gekauften CD-Neuerscheinungen der letzten 25 Jahre kann ich heute (etwas überspitzt formuliert) an einer Hand abzählen, was davon musikalisch und klanglich (gehört für mich halt zusammen) den „test of time“ zumindest halbwegs bestanden hat. Und eine generelle Rückkehr zum Vinyl lehne ich aus unterschiedlichen Gründen ab.
Aber nachdem sich hier im Thread die positiven Stimmen mehrten, hat es mich dann doch gereizt. Das war mir den „Spaß“ dann wert, um zumindest mal „mitreden“ zu können. Wie schon gesagt, LP Version eigentlich auch nur deswegen, weil der Aufpreis überschaubar war und mich das Thema „Mastering“ inzwischen immer interessiert. Zumindest heutzutage immer, früher war das alles überhaupt kein Thema für mich, ich war auch nie wirklich „audiophil“, da wurden CD’s einfach gekauft, manche tönten besser, manche schlechter, so what. Aber es war eben nicht dieser „systematische“, erst digital ermöglichte, Klangverfall der letzten 25 Jahre, der mir dieses Hobby auf meiner Abhöre (die im Wesentlichen immer noch auf dem Stand von 1986 ist) über viele Jahre fast ganz verleidet hatte. Zumindest bis zu meinem „musikalischen Wiedereinstieg“ ca. 2012, als ich dann auch endlich Dank Internet rausbekommen hatte, woran das die vielen Jahre davor eigentlich gelegen hatte und wie dieser ganze Kompressionswahn überhaupt mal entstanden ist. Aber zurück zum eigentlichen Thema…
Als das STAAB Vinyl am vergangen Freitagvormittag während des Home Office hier eintrudelte, hat schon mal das Auspacken Freude bereitet. Wirkte alles sehr „professionell“ gemacht. Kleines liebevolles Detail am Rande: Den Vermerk „DDD“ auf einer CD habe ich mindestens auch schon 25 Jahre nicht mehr auf einer Neuerscheinung gesehen, da ja nun schon sehr lange nur noch digital aufgenommen wird. Trotzdem witzig, wenn man sich daran erinnert, wie dieser Zusatz zu Beginn des CD-Zeitalters einen damals immer beeindruckt hatte (wenn auch nicht immer zu Recht). Und der erste Durchlauf der LP am Nachmittag vor einer Woche endete dann zumindest schon mal mit der erfreulichen Erkenntnis: „Hat was!“
Und dieser erste Eindruck hat sich seitdem nicht geändert, sondern mit jedem weiteren Durchlauf sind allenfalls noch weitere „Ausrufezeichen“ hinzugekommen.
Und was „hat“ es nun genau? Dazu muss ich vorweg sagen: Zum einen bin ich kein Musiker, kann also „technische Aspekte“ der Geschichte nur bedingt beurteilen. Zum anderen bin ich kein „Progger“, d.h. längst nicht jedes Prog-Rock-Album findet meine Zustimmung. Vieles ist mir dann oftmals zu „verfrickelt“ und/oder zu „kopflastig“. Stattdessen darf es heute auch gerne mal ein gutes „Post Punk/New Wave“-Album der frühen 80er sein, das ich damals vielleicht verpasst habe. Bei Tull war das immer anders, da war dieser „Prog“ nur ein Teil des großen Ganzen und es hatte dann trotzdem immer noch diesen „Flow“, der mich musikalisch mitgenommen hat.
Und genau diesen „Flow“ hat nun eben auch „Still Thick As Brick“. Und das finde ich dann das eigentlich Faszinierende. Wie Lutz und seine Mitstreiter es geschafft haben, diese „Stimmung“ des Original-Albums (das ich nicht „live“ miterlebt habe, da ich 1972 gerade mal 5 Jahre alt war) hier zu reproduzieren, obwohl es sich ja nun nachweislich um keine „Cover Version“ handelt sondern allenfalls mehr oder minder ausgeprägte „Zitate“ des Originals verwendet. Ansonsten ist das ein eigenständiges Werk, und diese Eigenständigkeit wächst nun mit jedem Durchlauf, so das irgendwann zwar dieser „Tull Spirit“ immer noch über der Geschichte schwebt, man das Ganze aber dennoch zunehmend „für sich“ und immer weniger mit Quervergleichen zum Original hört. Zumindest geht mir das so.
Hinzu kommt, dass ich die dramaturgische Steigerung innerhalb dieser 48 Minuten sehr gelungen finde. Während das Album so im „ersten Drittel“ manchmal noch nicht so richtig weiß, wo es (mit mir, oder ich mit ihm) hin will, werden die Konturen im zunehmenden Verlauf dann immer ausgeprägter, bis es dann in der zweiten Hälfte phasenweise ja „richtig abgeht“, bis hin zum „Grande Finale“, wenn dann auch noch diese Dudelsäcke einsetzen. Sehr geil.
Also ich muss sagen: das halte ich für „große Kunst“. Und wenn das in der Umsetzung dann so einfach wäre, hätten das andere auch schon getan, wenn ich abseits von Anderson mal an Musiker wie Mike Oldfield oder Jean-Michel Jarre denke, deren Fortsetzungsversuche ihrer Erfolgsalben mir nur in leidlich guter Erinnerung sind. Kurzum: ich find’s rundum gelungen! Ich könnte auch sagen: „Vielleicht das beste Tull/IA Album, das Tull/IA selbst nicht gemacht haben?“
Auch den Sänger, zu dem es hier ja geteilte Meinungen gab, finde ich für die Geschichte großartig besetzt. Sicher, ähnlich dem jungen IA, was ja gewollt ist, trotzdem keine Kopie und vom Timing perfekt passend zur musikalischen Umsetzung. Alles etwas weniger „aggressiv“ als im Original, was mir aber vor dem Hintergrund des jeweiligen Alters der Musiker absolut stimmig erscheint. In einem der offiziellen Reviews stand ja auch sinngemäß, dass man dieses Album zeitlich irgendwo zwischen TAAB und TAAB2 „einsortieren“ könnte.
Apropos Reviews…wer es bisher noch nicht getan hat und sich von dem Geschreibsel hier bzw. bisher immer Board immer noch nicht richtig „inspiriert“ fühlt, dem empfehle ich,
auch da noch mal reinzuschauen, zumal viele der Kritiken auch im deutschen Original mit verlinkt sind. So gekonnt "auf den Punkt" kann ich hier halt nicht formulieren. Aber auch das kennen einige hier noch von früher von mir....^^
Zum Thema LP/CD-Mastering hat Lutz ja schon etwas geschrieben. Dass die CD „vielleicht etwas druckvoller“ klingt als die LP, war mir auch aufgefallen. Aber das war’s dann eben auch; warum das so ist, hat er ja oben selbst beschrieben. Ansonsten klingen die Instrumente auf beiden Medien eben ähnlich gut, und wenn das so ist, dann bevorzuge ich nach wie vor auch eine digitale Version, da mein analoges Set-Up auch nicht ganz die Qualität und Trennschärfe besitzt, die ich von guten (alten) CD’s gewohnt bin. Und wenn es jetzt NUR nach mir ginge, könnte das Album auch gerne noch etwas mehr Dynamik bzw. Tiefe vertragen, aber ich bin da inzwischen Realist und weiß: „Mehr“ kann man anno 2021 nicht mehr ernsthaft erwarten. Die wenigen guten neuen Alben der letzten Jahre betreffs Sound (beispielsweise von Yello) bewegen sich da in einem ähnlichen Dynamik-Bereich, so gesehen: alles bestens! Allerdings: ein echtes „Plus“ der LP ist die erzwungene Pause (zum Glück nur eine statt der sonst heute üblichen drei) zum Umdrehen der Platte. Finde ich rein „dramaturgisch“ an der Stelle sehr passend. Hatte schon überlegt, mir eine gerippte CD Version inkl. dieser Pause zu brennen… ^^ (…Tom Petty hatte den Gag ja tatsächlich mal gebracht, falls sich wer erinnert…)
Zur DVD hatte ich auch schon kurz etwas gesagt. Die Visualisierung ist genauso liebevoll gemacht wie das gesamte Projekt und wenn man dazu dann die deutschen Untertitel laufen lässt, ist das sehr gelungen (dazu jetzt noch die nachträglich veröffentlichte deutsche Übersetzung ist ebenfalls ein schönes Bonusmaterial). „Hi Res Stereo“ halte ich persönlich beim „Endverbraucher“ für eher entbehrlich, die mögliche Klangqualität der guten alten CD lässt sich m.E. nicht wirklich steigern (dass eine höhere Auflösung in der Aufnahme-/Mix-Phase durchaus sinnvoll ist, ist mir aber auch bekannt). Und „5.1“ ist dann mal komplett an mir vorbeigegangen, ich fand früher schon „Surround“ im Kino oder privat beim Kumpel „eher nervig“, so dass mir „gutes Stereo“ immer gereicht hat. Aber Laufi könnte zur 5.1-Umsetzung ja vielleicht noch was hier schreiben, wenn er mag?
Soweit also mal dieses kleine Zwischenfazit. Man merkt diesem Album an, dass es mit sehr viel Herzblut entstanden ist, mit viel Liebe zum Detail und dem Bestreben, das Ganze dann auch noch möglichst perfekt umzusetzen, was musikalische Besetzung, Produktion, Artwork bis hin zum Versand angeht. Nicht zu vergessen der überaus nette persönliche Email-Kontakt mit Lutz im Nachgang, aber auch das passt dann eben noch, wenn so eine Geschichte „rund“ ist.
Was würde also IA zu dem Album sagen? Wäre vielleicht interessant zu erfahren. Nur wenn ich mich richtig erinnere, hat er nie wirklich „Musik gehört“ sondern stattdessen lieber immer selbst musiziert. Von daher bleibt das wohl eine hypothetische Frage.
Und was beschert uns „die Zukunft“ vom REFLECTION CLUB? Ich weiß es nicht. Und ich vermeide es auch, an dieser Stelle einen Tipp abzugeben – geschweige denn, einen „Wunsch“ zu äußern. Ich halte dieses Album ganz offensichtlich für sehr gelungen. Problem: Die „Fallhöhe“ wird dann mit dem nächsten Projekt (zu dem es ja anscheinend bereits Ideen gibt) größer, das ist leider immer die unangenehme Kehrseite so eines Erfolgs. Ob also ein „Still Aqualung“ oder ein „Another Passion Play“ ähnlich gut gelingt (bzw. mir persönlich dann ähnlich so zusagt), vermag ich nicht wirklich abzuschätzen. Dafür wird man dann eben nur einmal im Leben „musikalisch entjungfert“, um dieses nette Eingangs-Zitat von Carsten zum Schluss noch mal aufzugreifen, das möglicherweise recht gut umschreibt, warum dieses Album vielleicht dann so geworden ist wie es geworden ist.
In diesem Sinne, allen weiterhin viel Freude mit der Scheibe,
Grüße Dietmar