Die Diskussionen hier um das Gefallen und Nicht-Gefallen des neuen Albums sind doch völlig normal. Im Großen und Ganzen lese ich aber aus allen Beiträgen mindestens irgendwie geartetes Wohlwollen heraus. Das würde vmtl. unter Nicht-Tullianern ganz anders aussehen, obwohl man in der Fanschaft sicherlich nochmal ein wenig kritischer ist. Aber auf eine andere, durchaus differenziertere Weise. Trotzdem gibt es "da draußen" scheinbar eine Masse an Fans und Musikhörern, die dieses Album wirklich gut finden.
Und jeder JT-Fan hat seine eigene Vorlieben, was die Schaffensphasen innerhalb der langen Spanne von 54 Jahre Bandgeschichte angeht. Es gibt da eine Gruppe von Fans, für die ist allein Aqualung wichtig. Alles andere darum herum ist scheinbar Beiwerk. Eine gefühlt große Masse hängt eben den klassischen Lineups zwischen 1969 und 1979 an. Weil natürlich genau in dieser Zeit die wohl besten Alben (außer BATB
) produziert wurden und die Touren samt Performance wirklich ganz großes Kino waren und ihresgleichen suchten. JT waren im Rockbiz wirklich ganz groß. Aber auch in dieser Zeit fabrizierte IA seine Kontroversen, die nicht von jedem gut aufgenommen wurden. Denken wir mal an APP, Warchild oder TOTRRTYTD. Unter den Fans dieser Gruppe gibt es einen Gutteil, der sagt, dass es mit dem Ende des klassischen Lineups 1979 auch kein Band JT mehr gibt. Und alles was danach produziert wurde findet in der Regel bei denjenigen eh keinen Zugang mehr. Hier im Forum habe ich allerdings noch keinen dieser Fans bewusst erlebt. Aber im FB-Forum schon.
Und genau dieser letzte Punkt polarisiert die Fans am meisten: Das A-Album mit dem Eintritt in die schwierigen 80er und 90er Jahre, in der der Meister wieder mit einigen Kontroversen auffiel, zB dem Lineupwechsel und seinen Elektronikexperimenten. Aber eben auch mit den eklatanten Stimmbänderproblemen. Diejenigen, die irgendwann zwischen 1980 und 1989 Fan geworden sind (dazu zähle ich) haben eine ganz andere Art der Herangehensweise an die Lieblingsband. Für mich ist, neben der Tatsache dass nichts über BATB geht, auch COAK ein bedeutendes und klassisches JT-Album. Und gerade bei diesem trat die sieche Stimme des IA zum ersten Mal studiotechnisch in Erscheinung. Vielen erschien sie tatsächlich stark verfremdet. Mark Knopfler/DS wurden als Vergleich herangezogen, auch was die Musik angeht.
Die ganz aktuelle Kontroverse ist diese sinnbefreite Rumeierei des IA um den Bandnamen seit 2012. Aus meiner Sicht hat er sich mit diesem Unfug doch ein Stück weit unglaubwürdig gemacht. Entweder er führt den Namen konsequent weiter oder lässt es, dann aber auch konsequent. Allerdings war der Umschwung zu einem Soloprojekt geschäftlich vmtl. eher ein Desaster und aus meiner Sicht ein schwerer Fehler. Deswegen auch die merkwürdigen Tourennamen.
Der Umgang mit der Lieblingsband unterliegt zum Einen eben stark den individuellen Gefühlen und Empfindungen, durchaus auch stark vergangenheitsbezogen. Zum Anderen kommen natürlich auch Stil, Produktion und Arrangement der Musik hinzu. Nicht alles gefällt jedem gleich gut. Lasst uns da gegenseitige Toleranz üben.
Fakt ist, dass allenthalben dem Meister und damit auch JT als Band mehr Wohlwollen entgegen gebracht wird, wenn er Neues produziert und eben nicht mehr nur seine endlosen Best-Of-Sonst-Was-Years-Touren durchführt. Er hätte da noch wahnsinnig was aufzuholen, obwohl die Zeit natürlich knapp wird - da machen wir uns mal nichts vor.