Jethro Tull, Köln 27.7.2023 - mein (geplant) letztes JT Konzert
Vorneweg: ich werde sicherlich ein paar Dinge erwähnen, die wir in den letzten (wohl zwanzig) Jahren schon oft genug diskutiert haben und eigentich auch nicht weiter durchkauen müssen. Aber verschweigen muss dann auch nicht sein.
Nach ein paar Dutzend Konzerten, endlosen Best Of Touren und einem (für mich) enttäuschenden Konzert auf der TAAB2 Tour, hatte ich eigentlich beschlossen, das mit den Liveshows sein zu lassen und in Erinnerungen und Re-Issues zu schwelgen. Die Ankündigung eines Konzertes vor dem Weltkulturerbe Kölner Dom, also nicht nur "um die Ecke", sondern auch in atemberaubender Kulisse (ich hatte da vor ein paar Jahren Patti Smith gesehen, das war großartig! (Von Frank Sinatra 1993 ganz zu schweigen!)) rang mir dann vor ein paar Monaten doch kurzfristig die Entscheidung ab, "ein allerletztes Mal" meine Lieblingsband "ever" live zu sehen. Ich ergatterte tolle Plätze in der Mitte, 3. Reihe (unter meinem Stuhl verlief tatsächlich der Kabelkanal zum FOH) und zudem sollte meine Holde auch wenigstens einmal live sehen, was sie sonst nur beiläufig aus meinem Musikzimmer kannte. Den Preis für die Tickets (90 Euro) fand ich noch akzeptabel (gerade im Vergleich zu anderen Acts, die für vergleichbare Plätze teilweise beim Doppelten angelangt sind).
Ich hatte tatsächlich für den Tag noch einen Job reinbekommen, gottseidank war der aber zeitig durch, so dass ich mit Faltrad von Ossendorf zum Dom gesprintet um 19:50 Uhr gerade noch pünktlich ankam. Es hat den ganzen Tag teils heftig geregnet, für die Zeit des Konzertes war "wenig" Regen (2mm) angesagt. Sicher nicht gemütlich, aber WTF? Rock and Roll!
Wir nahmen unsere Plätze ein und pünktlich um 20:00 Uhr ging es dann los.
Zunächst mal die positiven Dinge: die Location war (natürlich) völlig erhaben, auch wenn der Blick auf den Dom an nem lauen Sommerabend mit nem Bier in der Hand sicherlich schöner gewesen wäre. Die Veranstaltung war gut organisiert (es handelt sich um eine Konzertreihe mit Konzession für insgesamt drei Konzerte bis jeweils 22:00 Uhr, übrigens ohne zusätzliche Lautstärkeeinschränkungen, d.h. es dürfen m.W. 99 dB gefahren werden (in Bonn am Kunstrasen sind das z.B. nur 92dB mit direkter Abschaltung bei Überschreitung, was den Spaß massiv verdirbt)). Nette Ordner, unkomplizierter und zügiger Einlaß (wegen des Wetters sind viele Zuschauer natürlich erst kurz vor knapp gekommen). Große, hohe Bühne (für JT offensichtlich links und rechts verkleinert) mit amtlicher Licht und P.A.-Anlage incl. ausreichender Front- und Sidefills. Professionelle Umstände für einen gelungene Rockabend! Was ich nicht so erwartet hätte: es gab zwar noch Tickets, aber das Konzert war tatsächlich sehr gut besucht - das hat mich überrascht.
Ausgesprochen gut gefallen haben mir tatsächlich die Arrangements von "Aqualung" und "Locomotive Breath", die Nummern, bei denen wir früher immer Bier holen waren. Das Geshuffle zum Schluss von Loco hatte fast nen Groove und die verhallten Snare Schläge sowie die kurzen Soloeinlagen fand ich clever und spaßig.
Die (insgesamt vier) neuen Tracks von TZG und RF haben mir gefallen, einzig die hohe Stimme bei "Mine Is The Mountain" hat genervt. Sonst war das ziemlich solide. Und ich fand es schön, dass ein Oldie-Act vier neue Tracks (von 16) spielt. Das toppt nur Peter Gabriel, der spielt 10 neue Songs, von denen 8 noch nicht veröffentlicht sind
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Und der Rest? Naja. Über die Stimme wollten wir nicht mehr groß diskutieren, aber erwähnen muss ich das schon. Es war direkt in der ersten Nummer ("Nothing Is Easy") schlimm und bemitleidenswert, mit IA zu hoffen, dass er die Töne wenigstens halbwegs trifft. Ich wusste, was mich erwartet, ich war aber -trotz tatsächlicher Vorfreude- einigermaßen konsterniert und das ließ im ersten Teil des Konzertes auch nicht nach und wurde durch einen ziemlich unangemessenen Sound noch verstärkt. Die ersten drei Songs waren maximal auf Soundcheck Niveau. Da stimmte nicht viel, ein ziemlich unbalancierter Mix, dazu ohne jeglichen Druck - und das lag nicht an irgendwelchen Einschränkungen (siehe oben). Es wurde dann wenigstens etwas besser, allerdings immernoch fernab von "gut", wobei mir der Basssound dann irgendwann gefiel. Der fehlende Druck schien aber auch genauso von der Bühne zu kommen - das klang wie ein Kofferradio mit etwas Bassfundament über das IA sehr präsent gelegt wurde. "Rockmusik" definiert sich wohl anders (ja, auch im Alter!). Der Gitarrist (Joe-James?) ist definitiv ein sehr versierter Musiker, allerdings war sein Sound einfach grottig, das kann ich leider nicht anders sagen, und seine Bühnenpräsenz quasi nicht vorhanden (er hat zweimal aufgeschaut und zum Schluß seinen Körper ein paar mal von links nach rechts und zurück bewegt). Mietmusiker ohne jegliches Charisma. Das sieht man jedes Wochenende auf Tanzabenden mit Top-40-Bands. Besser.
IA hat dreimal mit dem Publikum "gesprochen". Putin (Hammer On Hammer), Social Media und Trump (The Zealot Gene) erwähnt, sowie den Kölner Dom (Holly Herald, ne Nummer, die ich definitiv nicht mag) und seine Weihnachtskonzerte (weil es passte), ansonsten: nichts! Da wäre sowas wie "schön, dass ihr trotz Regen hier seid" mal ganz nett gewesen. Naja, immerhin gab es den Hinweis auf die Pause ("Buy a T-Shirt for a friend") und eine Abmoderation - vom Band.
Musikalische Tiefpunkte: eine ganze Menge, wegen des Gesangs, aber defintiv: "Songs From The Wood" (ich weiß nicht, ob das Absicht war, aber da braucht es mal einen Arrangeur und wohl auch nen Dirigenten, das war alles hart an der Grenze, musikalisch "daneben" zu sein) und "Dark Ages". Waren da einige Teile noch nett anzuhören, fehlte gesanglich nicht nur die Energie, sondern Joe-James war mit seinem Gesangspart minimum "flat" und IA lag dann schief dadrunter - das klang grausig. Ebenso wie die ganzen nach unten transponierten Songs (jede Menge), denen dann jeglicher Drive fehlte. Goodiers Gesang bei "Heavy Horses" war sauber.
Gut, mir fallen auch noch positive Sachen ein: Andersons Flötenspiel ist absolut erhaben und großartig (wenn auch routiniert) oder wie meine Liebste sagte: "der hat aber echt toll getrötet!" (das hat sie wirkich gesagt!!!). Die schiefen Gesangstöne blieben auch ihr nicht verborgen, obwohl sie nicht grad ein Musik-Nerd ist. Übrigens: ein Freund von mir, Musiker und derjenige, der mir mit 14 oder so "Locomotive Breath" vorgespielt und mich damit zum Tull Fan gemacht hat (er saß 10 Reihen hinter mir), meinte (er war vorgewarnt) in der Pause, "so schlimm finde ich den Gesang gar nicht. Aber der Sound ist echt scheisse, der Mischer übt wohl noch".
Die Stimmung im Publikum war tatsächlich "tot", was meines Erachtens auch nicht am Wetter lag. Bei Loco durfte man wohl Fotos machen (es gab vorher eine Ansage, die habe ich aber nicht verstanden) und es kamen Leute nach vorne, bzw. die Menschen standen auf. Erinnerte für ein paar Momente an ein Rockkonzert.
Insgesamt war der Gig reichlich uninspiriert. Da kann ich natürlich nicht sagen, ob das immer so ist oder einfach nur ein "schlechter Tag" war. Goodier strahlte noch (routiniert) was aus, Gitarre (siehe oben) und Schlagzeug waren meist handzahm. Einige Keyboardsounds klangen ein wenig unausgereift, dafür fand ich John immerhin optisch bemerkenswert: er sah (Klamotten, Bart und "Frisur") aus wie ein Waldschrat - das meine ich nicht negativ, im Gegenteil! Ich hatte den irgendwie als gelackten Scheitelträger auf dem Zettel
Das Konzert war um 21:50 zuende (da wären also noch 10 Minuten Zeit gewesen), "Zugabe" Rufe gab es nicht, die Pause war rund 20 Minuten, macht also eine Nettospielzeit von rund 90 Minuten.
Fazit: so bitter wie sich das jetzt vielleicht liest, fand ich das Konzert gar nicht. Ich habe nichts erwartet und insofern kann ich gar nicht großartig enttäuscht sein. Ich weiß jetzt aber auch, dass das schon ok war und ist, mir keine Konzerte mehr anzuschauen, bzw. da noch einmal einen finalen Abschluss zu finden. Ich schaue mir dann lieber Konzerte mit von A bis Z hoher Musikalität an, z.B. Porcupine Tree, Lianne La Havas oder auch andere Oldie Acts wie "Saucerful Of Secrets". Oder unseren "neuen Freund" Bruce Soord für 30 Euro im Club Volta in Köln im Oktober (Tip!).
Schön war's, ein paar Nasen noch mal wieder zu sehen, auch wenn die Umstände (Zeit, Nass, etc.) kaum Smalltalk, geschweige denn ein Kaltgetränk zuließen.
Meine 2 Cent, ich wünsche allen, die noch Konzerte besuchen, viel Spaß und ihr solltet Euch diesen auf keinen Fall verderben lassen. Weder durch Berichte, noch durch das Wetter
. Genießt die Zeit!