Dreimal Tull-Musik und ein Horn

-die Jethro Tull Convention am 18. April 1998 in Bedburg-Hau-
Fotos
von Marco Laufenberg
Die Convention 1998 fand in der Gemeinschaftshalle der Rheinischen Landesklinik in Bedburg-Hau statt, also dort, wo schon mal eine 'Tull-Fan-Party' stattgefunden hatte. Aber wem erzähle ich das, die meisten von Euch werden eh dagewesen sein ...
Für diejenigen, die nicht mit von der Partie waren, hier also ein paar persönliche Eindrücke ...
Albert kam schon einen Tag vor der Convention zu mir nach Köln. Bei ein paar Bierchen gab es wie immer so einiges zu erzählen, meine Mitbewohnerin hat -ob unserer für Nichttullies doch seltsam anmutenden Gesprächsthemen- wahrscheinlich innerlich ganz schön den Kopf geschüttelt ...
Samstag mittag ging es dann los, zum Glück ist Bedburg-Hau von Köln nicht mehr so weit und wir waren nach 1,5 Stunden Fahrt da. Es standen schon so einige bekannte Gesichter vor der Halle, zum Glück hatte das Wetter ordentlich mitgespielt und Bierbrunnen sowie Würstchenstand waren gut frequentiert. Viele bekannte und unbekannte Gesichter aus halb Europa luden zum Fachsimpeln ein und -wie immer- die Entschuldigung an die, die ich nicht erkannt oder mal links liegen gelassen habe ... die Zeit zum quatschen ist irgendwie immer zu kurz.
Mit einiger Verspätung gingen dann die Türen auf und man konnte in die Halle (Tulls Soundcheck hatte sich durch technische Probleme verzögert). Drinnen gab es die obligatorischen Stände verschiedenster Art, von Bootlegs bis zu Postern konnte man alle erdenklichen Sachen erstehen, auch wenn für mich diesmal wirklich nichts dabei war (mein Kontostand dankt !!) Gut besucht war wohl auch der 'Beggar's Farm'-Stand. Als ich dorthin kam, sah ich von Harry und Sven jedenfalls nur die Haare (teilweise auch weniger Haare), die beiden gingen in einem Wust von Besuchern verloren.
Nach der Begrüßung durch die Veranstalter ging dann die Vorband auf die Bühne. Es handelte sich dabei um eine Schülerband, die eine halbe Stunde lang Tull Songs spielte. Vielleicht nicht gerade die beste Idee, die Schüler als Vorband für Tull zu nehmen, aber immerhin: kann noch was gutes draus werden, wenn die Jungs und Mädels sich erstmal an eigene Sachen wagen.
Nach einer kurzen Pause kam für mich eigentlich schon einer der Höhepunkte des Abends, alle Musiker von Tull betraten die Bühne und brachten diverse signierte, zum Teil recht persönliche Sachen mit, um sie zu verlosen. Als Lose dienten die Abrisse der Tickets, somit hatte also jeder eine Chance, was zu gewinnen. Es ging los mit Postern und ähnlichem, Martin stiftete den Hut, den er auf dem 'Light Music' Cover trägt, Doane seine Mütze sowie Drumsticks und Setlists, außerdem noch mehr Poster und ein 'Heavy Horses' Spiegel. Dann hielt Ian tatsächlich einen Platin-Award von 'Songs From The Wood' in die Höhe !
Leider trieb die Verlosung seltsame Blüten, denn nur gut die Hälfte der Sachen wurden verlost, auf die anderen Nummern meldete sich einfach niemand und das trotz Andys grandioser deutschsprachiger Übermittlung der Nummern (nach eigenem Bekunden hat er das durch die nächtliche Sextelefon-Werbung im Fernsehen gelernt) ! Wahrscheinlich saßen einfach zuviele Leute in den Bars, um sich am Krombacher zu laben, oder aber, wie Doane vermutete: 'Did you all really BUY your Tickets?'. Schade jedenfalls, daß selbst auf mein Stoßgebet hin, sich tatsächlich niemand für den Platin-Award meldete. Wirklich schade, denn es wäre doch schön gewesen, wenn sich den jemand aus unserer Mitte -weinend vor Glück, versteht sich- von Ian abgeholt hätte ... wo die Platinplatte jetzt ist, weiß wohl nur der Meister persönlich, vielleicht im Platinplattenhimmel ? Myteriös !
Schließlich wurde es den Jungs wohl auch zu bunt, Andy wollte gerade eine Nummer ziehen, als Ian ein Ding, das er als 'Claghorn' deklarierte in die Höhe hob und sagte, 'OK, wer zuerst sagt, bei welchem Song wir das Ding gespielt haben, kriegts!' Noch bevor ich auch nur irgendwas denken konnte, brüllte mein Sprachorgan -ganz ohne daß es irgendeinen Befehl dazu bekommen hätte- 'Fat Man' und ... got it !!! Ich hatte ein Claghorn, was ein ganz schönes Ungetüm ist (meine derbe Fresse und das Horn hier) und vor allem höllische Geräusche macht (fragt meine Nachbarn und meine mittlerweile offen den Kopf schüttelnde Mitbewohnerin).
Nach der Verlosung stand dann eine Fragerunde auf dem Programm. Die Band beantwortete von Jürgen Handke vorgetragene Fragen. Mit Verlaub, wer hat sich wohl diese bescheuerten Fragen ausgedacht ? Wahrscheinlich habe ich nicht mitbekommen, wo man die abgeben konnte, aber wichtiger als 'Hast Du, Ian, Probleme, seit Du mit dem Rauchen aufgehört hast ?', wäre mir die Info über ein neues Album gewesen oder andere Fragen über musikalische Aktivitäten. Naja, jetzt weiß ich jedenfalls, daß Doane auch schon mal kocht und das Andy stinkt, weil er als einziger raucht. Vielleicht gibt’s das nächste mal ja einen Starschnitt in Lebensgröße, das würde gut passen.
Anyway, die Jungs haben die Güte der Fragen durch recht ironische Antworten dann noch ganz gut gemeistert und zu Tull gehört eben auch dieser britische Humor, selbst wenn man den provozieren muß ...
Als nächstes stand 'Jethro Tull music played by Jürgen Handke' auf dem Programm. Wer Jürgen Handke noch nicht kennt: das ist sozusagen ein Ein-Mann-Orchester, das organische Musik teilsynthetisch (mittels Computer, Stimme, Querflöte, Gestik, etc.) aufführt. Sicherlich nicht jedermanns Sache, aber diverse Stücke löst Jürgen ganz nett.
Fraglich allerdings, warum auch der 2. Support-Act für Jethro Tull auschließlich Jethro Tull Musik spielte. Ich dachte mir, daß man so wenigstens herausfinden würde, welche Stücke Tull später auf gar keinen Fall spielen würden, aber selbst das dachte ich nur ...
Schließlich ging es -endlich- mit dem Tull-Gig los. In perfekter Yes-Manier startete der Auftritt kurios, denn jedes Bandmitglied spielte erstmal ein Solo-Set. Ian fing an. Er begleitete sich selbst mit dem DAT-Recorder und spielte neben 'Someday The Sun Won't Shine For Anymore', 'Bombay Valentine' und 'Living In The Past' auch ein neues Stück namens 'Boris Dancing' vom kommenden Soloalbum. Ein wunderschöner Song mit ein paar netten Akkustikparts. Ein guter Vorgeschmack auf die neue Platte !
Als nächstes spielten Martin und Jonathan 'Empty Café' von 'A Trick Of Memory', mehr als nur ein Vorgeschmack auf Martins Solo-Tour durch deutsche Clubs. Ein wunderschönes Stück, das Martin ruhig öfters auf der letzten Tull Tour hätte spielen können.
Nun kam Andys Solo-Spot, er spielte 'Underwraps' in einer sehr schönen Version. Zwar waren viele Parts vorprogrammiert, dennoch klang das Stück um einiges homogener als die recht mechanische Originalversion.
Schließlich durfte auch Jonathan ran, er spielte ein selbstkomponiertes Bass-Solo-Stück auf seinem 5-String und warnte auch direkt vor, 'I hope not to be boring you'. Naja, Bass-Solos sind immer so eine Sache, denn meistens hören normale Ohren sich sowas nicht an. Gerade aus diesem Grunde fand ich den Auftritt sehr gelungen, denn eine Convention soll außergewöhnliches bieten und das war außergewöhnlich ! Vielleicht sollte John sowas mal mit ein paar Musikern und Instrumenten mehr aufnehmen, damit es auch für ungeübte Ohren interessant klingt.
Der Schluß der Solos war gleichzeitig auch der Höhepunkt des ganzen Abends, Doane machte ein 'Spot The Tune'. Mit einem Mini-Drum-Set spielte er die Drum-Parts verschiedener Tull-Songs an und das Publikum sollte die Titel erraten. Das ist gar nicht so einfach und führte zu einigen lustigen Ergebnissen. Jaja, ich geb's zu, 'Purple Rain' ist gar kein Tull-Song, aber ... who cares ? This was good fun !!! Der Joke des abends war wohl Doanes Drumpart von 'Wond'ring aloud' ...
Doane hat von meinem kleinen großen Bruder Koen aus Luxemburg (dem 'land of instant beer') und mir später übrigens den 'John Evans Award' für die 'funniest action on stage' bekommen. Hat ihm wohl gefallen !
Nun ging es also richtig los, Jethro Tull standen komplett auf der Bühne. War ich -ob des gelungenen und ungewöhnlichen Beginns- voller guter Dinge, einen extraordinairen Abend zu erleben, mußte ich nach einigen Stücken leider ernüchtert feststellen, daß Tull 'nur' einen ganz normalen Auftritt spielten, der sich vom Inhalt her nicht sonderlich von der letzten Tour unterschied. Ok, Tull sieht man (noch) nicht jeden Tag vor nur 800 Leuten spielen, aber ein bischen mehr als 'business as usual' hätte ich schon erwartet.
Selbst der nachmittags noch vorhandene Wortwitz war irgendwie 'flöten' gegangen, keine Jokes, kaum Ansagen, irgendwie machte sich selbst im Publikum Lethargie breit. Wenigstens ging Ian irgendwann auch auf die Support-Acts ein: 'den nächsten Song hören wir jetzt glaube ich zum 3. Mal, Dangerous Veils'. Das war's dann aber auch schon mit Sprüchen.
Gut, der Auftritt war ordentlich, aber eine Tull-Convention stellte für mich bis dato immer ein einzigartiges Konzert -mit wem auch immer- dar, aber das war nicht mehr einzigartig, sondern nur noch ordentliche Routine.
Entsprechend war gegen 23.00 Uhr auch Schluß. Der eine Teil des Publikums verzog sich ins Bett oder in die Bar für 'ordinäre Menschen', während der andere Teil der 'After Show Party' für wichtigere, weil dorthin geladene Gäste, beiwohnte. Ich hatte eine Einladung, aber der Großteil meiner Freunde nicht, zum Glück sollte das kein großes Problem sein, konnte man die 'Man In Black' doch ganz gut foppen, indem man einfach mit ein paar auf der Party eingesammelten Einladungen nach unten verschwand und seine Kumpels bestückte.
Die restlichen Stunden des Abends waren doch wieder etwas versöhnlich, sie bestanden aus netten Schwätzchen, einigem an Alkohol sowie der glücklichen Tatsache, daß Jonathan Noyce der deutschen Sprache nicht sonderlich mächtig ist ... nicht, Harry ?
Irgendwo habe ich vor kurzem gelesen, daß eine richtige Convention nur eine wirklich 'richtige' ist, wenn Tull dort auch spielen. Irgendwie sehe ich das wohl anders, sonst wäre Gravesend 1996 wohl nicht immernoch in mein Herz und Hirn gebrannt, während Bedburg 1998 wohl eher 'nur' als netter Abend in Erinnerung bleiben wird ... obwohl, betrachte ich das 'Claghorn' vor mir, bleibt vielleicht doch noch ein bischen mehr.
In jedem Fall gilt mein Dank -sicherlich im Namen vieler, die in Bedburg-Hau waren- den Veranstaltern und ihren Helfern, gute Arbeit und ne astreine Organisation, Jungs !