Divinities in Brüssel
Concert review Ian Anderson live 17. Mai 1995, Auditorium Brüssel 

von Marco Laufenberg

Passage 44 in Brüssel in der das Auditorium liegtNach geruhsamem Schlaf holte mich Albert vormittags ab, wir frühstückten und dann ging es los zum ersten ”Divinities” - Konzert nach Brüssel. Die Zeit auf der Autobahn verging -dank Tull im Tapedeck- wie im Flug, wir erreichten Brüssel nach zweistündiger Fahrt und fanden auch die Passage 44 in der das Auditorium liegt recht schnell - was wäre der Weltenbummler ohne den Falk-Plan ?

Brüssel ist eine nette Stadt, wir hatten noch ausreichend Zeit für einen Stadtbummel, wußten aber leider nicht, wo die Second-Hand- Schallplattenläden zu finden sind. Dafür konnten wir uns im ”Free Record Store” mit der ”Very Best of J.T.”-CD eindecken, die es nur in den französischsprachigen Ländern gibt. Wer nach Brüssel kommt, sollte in diesem Geschäft ruhig einmal Platten einkaufen, für uns gab es eine Klassik-CD sowie ein ”Twix” gratis; wenn ich meinem französisch trauen kann, gibt es ab 3 gekauften CDs oder so sogar noch eine Cola dazu. Seltsam, diese Belgier...

Wieder in der Passage 44 angelangt tranken wir noch einen Kaffee in der Kneipe neben dem Auditorium und stellten mehr oder weniger erstaunt fest, daß wir nicht die einzigen Tullheads waren, die einen etwas weiteren Weg auf sich genommen hatten. Julien, Gerrit (wie war die ”Faust-Aufführung”?), Bert und eine Menge anderer waren schon da und es wurde gefachsimpelt, Platten getauscht, etc.

Nun war es soweit; mit Schweißperlen auf der Stirn -schließlich hatten wir 2 Fotokameras, Objektive und Filme mehr oder weniger geschickt an unseren Körpern versteckt- stellten wir uns den Einlaßkontrollen, um festzustellen, daß diese aus einem uniformiertem Kartenabreißer bestanden. Unsere Erinnerungsfotos waren also gesichert und ich frage mich heute noch, wieso ich den DAT-Recorder und die Videokamera zu Hause gelassen habe. Seltsam, diese Belgier...

Vorbei am Merchandising-Stand -schade, daß es kein Programmheft gab- nahmen wir unsere Plätze in Reihe 15 ein. Das Auditorium (ca. 800 Sitze) war nicht ausverkauft, so daß wir schon bald in Reihe 3 saßen.

Ian Anderson dances with GodDer erste Teil des Konzertes bestand aus den ”Divinities” - Stücken, der Sound war phantastisch (.. der DAT-Recorder...!!!) und die Lightshow sowie das Bühnendesign schafften die richtige Atmosphäre für diese doch recht meditative Musik. Beeindruckend, wie besonders Doane Perry und Andy Giddings mit künstlichen Sounds ein Klangbild wie das eines Kammerorchesters schafften. War ich vor dem Konzert noch skeptisch, merkte ich nun, daß es Ian Anderson live noch besser als auf Platte gelang, die Stimmungen der ”Divinities” - Stücke zu vermitteln.

Die Musiker spielten (fast) wie aus einem Fluß, nur an Nuancen konnte man merken, daß das “Divinities”-Projekt heute zum allerersten Male über die Bühne ging; an ganz wenigen Stellen hakte es ein wenig, aber das fiel wahrscheinlich nur den Perfektionisten mit geübten Ohren im Publikum auf. Die Pause war lang genug um ein “leckeres” belgisches Bier zu trinken. Nach längeren Verhandlungen mit einem Ordner bekam ich das Plakat, das im Foyer hing (wir hatten es nachmittags schon abgemacht und dafür einigen Ärger bekommen).

Vor dem Konzert konnte ich über den zweiten Teil nur Vermutungen anstellen, jetzt sollten meine kühnen Träume Wirklichkeit werden. Es folgten Tull-Klassiker im “Divinities”-Gewand, zum Teil sehr dynamisch arrangiert. Selbst Gassenhauer wie “Locomotive Breath” und besonders "Aqualung” bekamen ein völlig neues Gesicht. Abwechslungsreiche Instrumentalteile ersetzten hierbei teilweise die Gesangsparts der Originalversionen, jedoch hatte Ians Stimme, die fast in Optimalform war, noch genügend Freiräume.

Alles in allem war das Konzert eine gelungene Premiere der “Divinities”- Tour in einem ansprechenden intimen Rahmen. Schade eigentlich, daß es so wenig Europa-Konzerte gab und diese ziemlich schlecht promotet wurden, denn diese Show hätte doch etwas mehr Beachtung verdient. Nach dem Konzert trafen wir Ian Anderson noch auf dem Weg zum Auto, da es jedoch regnete und der “Meister” schließlich zwei Tage später in Hamburg fit sein mußte, beließen wir es beim zuwinken und begaben uns auf eine ermüdende Heimfahrt.