Ich lese hier gerade viel nach meiner langen Forenabstinenz. Deshalb ein verspäteter Senf von mir.
Meine Enttäuschung ist nach den Jahren 2012 bis 2014 schon groß. Ich war damals wirklich guter Hoffnung, dass es, wenn auch offiziell auf Solopfaden, wieder kreativ bergauf geht. Zwei wirklich gute Alben, auf denen die Musik zwar rocktechnisch mit etwas angezogener Handbremse (zB nicht mehr ganz so druckvoll, längere und klarere Flötenpassagen, verzerrte Gitarre eher dezent) aber trotzdem songtechnisch gut komponiert und arrangiert und der schwindenden Stimme angepasst war. Ich hatte auch die Hoffnung, dass die Fans und sonstigen Zuhörer das honorieren würden. Die Kritiken, ob nun aus den Medien oder von Hörern (zB Amazon) ließen mich dies zumindest glauben.
Aber scheinbar gab es dann während oder nach der HE-Tour wohl einen wie auch immer gearteten Einbruch und Abbruch dieses Weges. Ich habe das nicht mehr detailiert weiter mitverfolgt. Ich kann nur mutmaßen, dass die Zuhörerschaft samt Fanschar wohl mindestens zwigespalten ist. Die Fraktion, die nur der alten Songs wegen zu den Gigs kommen, könnte überwiegt haben, schätze ich. Ich war dagegen immer dafür, Neues von Tull / IA zu hören. Das macht einen Künstler aus. Auch ist es durchaus interessant mitzuverfolgen, inwiefern sich die Künstler und die Musik verändern, auch aber nicht nur abhängig von der körperlichen, altersbedingten Verfasstheit. Ich konnte auch lange Zeit mit den Stimmproblemen leben, auch wenns schlimmer wurde. Solange eben das Songmaterial dem Rechnung trug.
Ich habe das bei einer anderen Band, die mich ähnlich lange als Musikfan begleitet, seit 2013 anders erlebt. Das ging natürlich auch nicht ohne Veränderungen, die nicht bei allen Anhängern überzeugen können. Kompositionen, Arrangements und die Musiker selbst haben sich nicht nur angepasst, sondern weiter entwickelt. Allerdings erst, als ein Produzent (Bob Ezrin) ihnen mal richtig in den Selbigen getreten hat. Die Rede ist von Deep Purple. Nach dem man sich knappe 7 Jahre lang (ok, im Vergleich zu IA ist das wenig

) ohne ein Album auf Best-Of-Touren abgeplagt hatte, auch hier der Sänger (Ian Gillan, mittlerweile 75) stimmlich schon seit Jahrzehnten nicht mehr auf der Höhe war (allerdings nicht ganz so krass wie IA), erfand man sich - zwar nicht gänzlich aber fast - neu. Herausgekommen sind bislang aus meiner Sicht drei fantastische Spätwerke, die von Medien und einem Großteil der Fans gefeiert werden. Allerdings sagen die Fünfe, dass es ohne den notwendigen äußeren Einfluss vmtl. nicht so weit gekommen wäre. Das ist natürlich für den geneigten Fan, der nur Songs aus der Machine Head Ära akzeptiert, schwer zu akzeptieren. Aber das kennen wir ja bei JT auch.
Dies noch im Hinterkopf ließ mich dann eben so schwer enttäuschen, dass IA diese unsäglichen Best-Of-Touren wieder mal und auch noch in der Vielfalt bis zum Exzess betrieben aufnimmt. Die ganze Quälerei der Selbst- und (zT) Fankasteiung nahm seine Fortsetzung in drei bis vier Varianten von Tourkategorien. Schlimmer gehts mE nicht mehr. Es wurde im Forum schonmal angemerkt, er gab und gibt wohl dem Geschäft den Vorrang. Allerdings mit dem Risiko der künstlerischen Selbstzerstörung. Bislang scheint das wohl auch noch zu funktionieren, da er vmtl. noch das Maximale an Profit herauspressen möchte, solange es noch irgendwie geht. Dazu kommt noch der ganze Heckmeck mit der Namensführung und der daraus folgenden Irritierung und Inkonsequenz.
Ich bin aber davon überzeugt, dass es auch anders funktioniert hätte, wenn er den Weg der "Erneuerung", den er 2012 als Ian Anderson anfing, weiter fortgesetzt hätte. Ich hätte mich auf jeden Fall als Fan drauf eingelassen, evt. auch mit einem zusätzlichen Sänger (nein, keinen Schauspieler) zur Unterstützung beim alten Material. Körperlich ist er für einen über 70jährigen doch noch fit, da kenn ich ganz andere Gestalten. Und ich behaupte ganz einfach, dass er auch nichts an Kreativität eingebüßt hat.
Mein Fazit: Ich glaube, dass der Zug nun endgültig abgefahren ist. Der Punkt, der noch eine künstlerische Wende hätte bedeuten können ist verpasst und überschritten. Selbst wenn nun 2021 noch ein Album mit neuen Werken rauskommt, was mich trotzdem freuen würde, wird die Gesamtlage nicht mehr zum Positiven wenden. Das macht mich zum Einen total traurig und zum Anderen zusätzlich nocht ratlos, weil ein alter Held einem erbärmlichen künstlerischen Ende entgegenstrebt.