
Das Amphitheater war "packed to the rafters". Schön und nicht selbstverständlich bei der schieren Masse an Deutschlandkonzerten. Die Show begann auf die Sekunde pünktlich. Wahrscheinlich mußten die Jungs zum Flieger nach FFM. Ich möchte jetzt wirklich keinen detaillierten Konzertbericht verfassen. Es war -kurz gesagt- toll bzw. Tull. Ein mit Ausnahme von Warm Sporran völlig berechenbares Set ohne ruhige Stücke, was vermutlich gerade deshalb für Begeisterungsstürme gesorgt hat. For A Thousand Mothers und Love Story stammen ja noch aus der Zeit, wo Tull nur -wenn auch interessanten- Krach gemacht haben, und das gab den Takt sozusagen für den Rest des Abends vor. Die reizvollen und spannenden Kontraste zwischen verhaltenen Folkelementen und hartem Rock fanden nur innerhalb der Stücke statt. But that's how it goes. So und nur so kann der Opi mit seiner zerschossenen Stimme m.E. noch punkten. Herausragend für mich Sweet Dream, Songs from the Wood, live einfach Schwermetall, Heavy Horses, der musikalische Problembär, für die heutigen Möglichkeiten fast perfekt dargeboten, natürlich Warm Sporran, nie live gespielt und mein geliebter Aqualung wieder mit dem Originaltext. Gut gemacht, Ian. Die Leute waren nach Heavy Horses so begeistert, das der Opi Mühe hatte, seine Ansage zu Warm Sporran loszuwerden. Interaktion auf der Bühne war auch da, vor allem Florian hatte eine gute Zeit. So viele "Gitarrenhalszieher" hab' ich noch nie gehört und das ist immer das untrügliche Zeichen, dass FO mit Freude bei der Sache ist. Überhaupt: Es ist schon erstaunlich, dass zwei Jazzer, ein Kirchenmusikant und ein Heavy Metal Guitar Whizzkid mit dem Opi, der sich ja immer als der akustische Musiker in einer Rockband begriffen hat, so etwas hinzaubern können. Das war die Folk-Prog-Hardrock-Heavy-Metal-Mischmaschine! Von allem etwas, überzeugend und druckvoll dargeboten. Ich weiß jetzt auch genau, warum Ian das noch macht. Vor Loco habe ich mich umgedreht und einige Zeit in tausende begeisterter Gesichter in den aufsteigenden Rängen geschaut. Vom Bühnenrand sieht das ganz toll aus und man kann nachempfinden, was den Opi noch antreiben mag. Am liebsten hätte ich mir Locomotive Breath komplett mit den Rücken zur Bühne angeschaut. Aber dann hätte Ian mir vielleicht seine Tröte über den Kopf gezogen. Wir wollen ja nicht respektlos den Künstlern gegenüber sein:-)
Nach dem Gig waren sich die anwesenden Veteranen (Martin, Jeffrey und myself) einig, dass das Gesehene den Namen "Tull" verdient hat. Die Leute, die das aus der Ferne anders sehen, sollen das gerne machen, Hahaha. Der Opi -in ein paar Tagen 72 Jahre jung- hat immer noch mehr Hardrock im kleinen Finger als viele Bands in ihrem gesamten Leben auf die Bühne bringen werden. Ich habe in der letzten Zeit viele akustische oder besser ruhige Tull-Stücke gehört, um aus der fast unübersehbaren Materialfülle eine kleine Auswahl für einen ganz lieben Menschen zusammenzustellen. Klar, die ruhige Seite ist integraler Bestandteil des Werks. Ich liebe die Sachen heiss und innig, aber live war Tull für mich immer primär eine Band, die es hat krachen lassen. Und so ganz unverdient war der Hardrock/Metal Grammy 1989 m.E. nicht. Wenn mein Lieblingsschwabe und Trunkenbold Jeffrey, der nicht nur Heavy Metal hört, sondern ist, in seinem Blue Öyster Cult Shirt mit verzücktem Gesichtsausdruck gen Bühne blickt, kann Opi Ian eigentlich nicht viel falsch gemacht haben. Mich haben legendäre Konzerte wie Stormwatch, A oder auch Crest of a Knave und Rock Island geprägt. Das war Tull, und davon war gestern einiges zu spüren. Klar, ein Echo alter Zeiten, aber so ist das mit dem Älterwerden. Tull ist für mich da, wo Ian auf der Bühne steht und Gas gibt. Leider waren die letzten Jahre alles andere als druckvoll, was fast dazu geführt hätte, dass ich mich hätte scheiden lassen nach mehr als 40 Jahren Ehe:-) Aber umso schöner fällt die Versöhnung aus. Steve Harris, Bruce Dickinson, Joe Elliot, Slash, Richie Blackmore und wie sie alle heißen sind nicht ohne Grund Tull Fans und hätten die gestrige Show garantiert genauso genossen wie Martin K., Jeffrey M. , Besi, Myself und ein paar Tausend weitere Fans. Schade war nur, dass der "olle Westbalina" nicht da war und sich nach jetzigem Stand auch keines der Sommerkonzerte anschauen möchte. Da es in diesem Posting ja mehr um die soziale Seite als die Musik geht, möchte ich noch loswerden, dass für mich die 80er Jahre ohne olle Carsten undenkbar sind. Es gab in meinem Leben zwei "klassische" Touring Ensembles: Die 1980er mit Carsten, Martin und noch ein oder zwei anderen und dieses Jahrtausend mit Michael, Jörg, Michaela, Ulf und Jeffrey. Ich würde mir wünschen, wenn die letzten "Überlebenden" einer längst untergegangenen Zeit, nämlich Martin, Carsten und ich nochmal nebeneinander an der Absperrung stehen würden, wenn's der Opi krachen lässt:-)
Der Katzenfisch ist mit René offenbar Backstage versackt, ich warte gespannt auf einen Bericht:-)